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Gesetzeswidrige Geschäftspraktiken des "Österreichischen Münzkontors"

Das OLG Wien bestätigt erstinstanzliches Urteil: Geschäftspraktiken vom Österreichischen Münzkontor sind in mehrfacher Hinsicht gesetzwidrig. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Bereits das Handelsgericht Wien hatte der vom BMASGK beauftragten Klage des VKI wegen irreführender und aggressiver Geschäftspraktiken in allen Punkten stattgegeben und beurteilte sowohl die Vertriebspraxis ("Sammler-Service") als auch die Bewerbung der vertriebenen Medaillen und Münzen als Anlageprodukt als gesetzeswidrig. 

Vertriebsmethode
Das Geschäftsmodell des Österreichischen Münzkontors stellt darauf ab, durch eine einzelne Bestellung einen Mechanismus ("Sammler-Service") auszulösen, bei dem der Kunde laufend weitere Münzen und Medaillen zugesendet bekommt und diese entweder zahlen und behalten oder innerhalb einer Frist zurückschicken muss. Dabei sind auf der Bestellkarte lediglich Adresse und Unterschrift einzusetzen, während alles andere bereits vorausgefüllt ist und sich die Bedingungen für die Bestellung und dem damit verbundenen Beginn des Sammler-Services erst aus dem Kleinstdruck im Fließtext ergeben.

Das OLG bestätigt die Rechtsansicht des HG Wien und beurteilte das per Zustimmungserklärung aufgedrängte Sammlerservice als "freilich" aggressive Geschäftspraktik. Der Einwand der Beklagten, der angesprochene Kundenkreis werde ausreichend deutlich auf das Sammler-Service hingewiesen, gehe in Anbetracht der Gestaltung des Werbeauftritts ins Leere.

Ferner stimmte das Gericht mit der erstgerichtlichen Beurteilung überein, dass die Zustimmungserklärung des Verbrauchers zum Sammler-Service auf den Bestellscheinen intransparent (§ 6 Abs 3 KSchG) sei, weil daraus nicht hervorgehe, wie oft, wie lange und welche Münzen/Medaillen er erhält. Die Zustimmungserklärung sei auch überraschend und nachteilig (§ 864a ABGB), weil der Durchschnittsverbraucher bei der Bestellung eines Einzelartikels nicht damit rechne, dass das Angebot ein Sammler-Service einschließt, das mit der Handlungsverpflichtung einhergeht, nicht bestellte Waren zurücksenden oder bezahlen zu müssen.

Das derart aufgedrängte Sammlerservice stellt daher auch nach Ansicht das OLG Wien keine wirksame Zustimmung und vertragliche Grundlage für weitere Zusendungen dar. Verbraucher müssen daher die aufgrund eines solchen Sammlerservices zugesandten Medaillen weder zurückschicken noch bezahlen (§ 864 Abs 2 ABGB).

Irreführung über die Eignung der Medaillen und Münzen als Anlageobjekte
Neben der Unzulässigkeit des aufgedrängten Sammlerservices bestätigte das OLG auch die erstinstanzliche Rechtsauffassung, dass das österreichische Münzkontor Medaillen/Münzen in irreführender Weise als Anlageobjekte bewirbt.

Das Österreichische Münzkontor brachte im Verfahren dagegen vor, dass Konsumenten die Münzen und Medaillen üblicherweise nicht zum Zweck des Weiterverkaufs erwerben, sondern weil sie sich vom ästhetischen Reiz der Münzen und Medaillen angezogen fühlten. Das OLG teilte die Auffassung nicht und führte ins Treffen, dass beim Kauf von Münzen oder Medaillen gerade deren Wertbeständigkeit/Werthaltigkeit kaufentscheidendes Kriterium sei. Tatsächlich sei der Materialwert der Produkte des Österreichischen Münzkontors aber äußerst gering und läge unter dem Kaufpreis.  Damit sei die Werbung des Österreichischen Münzkontors irreführend.

Informationspflichten
Auch die vom VKI inkriminierte Verletzung von Informationspflichten (§ 4 Abs 1 Z 1 FAGG)  sah das OLG - wie schon das Erstgericht - als verwirklicht an: Zukünftig muss Münzkontor daher darüber informieren, wer die Prägung der von Münzkontor vertriebenen Medaillen beauftragt und wer ihre Limitierungen setzt.

Nachahmung
Und ferner bestätigte das Gericht auch das vom Erstgericht erlassene Verbot, durch die Nachahmung von staatlich begebenen Münzen, wie etwa "Die Kronen der Habsburger", den unrichtigen Eindruck zu erwecken, es handle sich um Münzen der Münze Österreich AG (mit Sammlerwert).

Das Urteil ist nicht rechtskräftig (Stand: 19.9.2019). Die Beklagte hat außerordentliche Revision eingebracht.

OLG Wien 29.7.2019, 5 R 37/19a

Klagsvertreterin: Dr. Annemarie Kosesnik-Wehre, Rechtsanwältin in Wien

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