Wer im Internet grundsätzlich kostenlos zur Verfügung gestellte Programme zum Herunterladen anbietet und den Kunden an versteckter Stelle in ein kostenpflichtiges Abonnement lockt, begeht einen (versuchten) Betrug, an der sich der mit der Abogebühreneintreibung beauftragte Anwalt beteiligt. Außerdem macht sich der für den Internetbetreiber tätige Rechtsanwalt schadenersatzpflichtig. Er hat die vorprozessualen Kosten des zur Abwehr des Anspruches eingeschalteten Anwaltes zu ersetzen.
In dem zur Entscheidung zugrundeliegenden Fall verlangte der Kläger den Ersatz seine außergerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten. Den Anwalt schaltete er zur Abwehr der mittlerweile anwaltlich eingemahnten Forderung ein. Der Beklagte war nämlich Betreiber einer Internetseite, auf der man sich zum Herunterladen von Software anmelden musste, die grundsätzlich im Netz woanders kostenlos zur Verfügung stand. Der (minderjährige) Kläger tappte in diese Internetfalle, konnte sie auch abwehren und verlangte nun die Anwaltskosten zurück. Das Gericht gab ihm Recht und verurteilte nicht nur den Betreiber der Seite sondern auch den mit der Abogebührenbetreibung beauftragten Anwalt zum Schadenersatz.
Das Amtsgericht Marburg fand dazu klare Worte:
Wird der Kunde, der auf die angebotene kostenlose Download-Möglichkeit zur Beschaffung eines für ihn gewünschten bzw. notwendigen Programms fokussiert ist, an einer anderen Stelle dazu gebracht, um den Vorgang des kostenlosen Herunterladesn zu vollziehen, einen Abonnementvertrag über 24 Monate abzuschließen, liegt eine Betrugshandlung des Anbieters vor, an der sich der mit der Abogebühreneintreibung beauftragte Anwalt beteiligt.
Der verständliche und einsichtige Internetnutzer kann nicht davon ausgehen, ein kostenpflichtiges Abonnement mit zweijähriger Vertragsbindung eingehen zu müssen. Zwar gibt es keinen allgemeinen Vertrauenstatbestand dahingehend, dass man bei Dienstleistungen im Internet auf den ersten Blick erkennen muss, ob es sich um ein kostenpflichtes Angebot handle. Allerdings wirbt die Erstbeklagte gerade um Software, die kostenlos ist, wovon der durchschnittliche Internetuser auch ausgeht. Auch die Tatsache, dass der Kläger bei Eingabe seiner persönlichen Daten erhöhte Sorgfalt hätte walten müssen, kann das Gericht nicht folgen. Im gängigen Internetverkehr ist es nämlich nicht unüblich persönliche Kontaktdaten für Werbung, weitergehende Informationen usw. zu hinterlegen. Dass es sich hier um einen kostenpflichten Abovertrag über zwei Jahre handelt, wird von der Erstbeklagten nicht deutlich genug hervorgehoben.
Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die betriebene Internetseite absichtlich so gestaltet war, um sich durch Täuschung der Internetnutzer über die Kostenpflicht der Angebote einen Vermögensvorteil zu verschaffen.
Der zweitbeklagte Anwalt hatte Kenntnis über die Aufmachung der Homepage und musste als Organ der Rechtspflege erkennen, dass er eine offensichtliche Nichtforderung für die Erstbeklagte geltend machte. Es konnte ihm aufgrund der Medienberichte und der Vielzahl der gleichgelagerten Fälle nicht verborgen geblieben sein, dass unaufmerksame Kunden in diese Fallen tappten.
Die außergerichtlichen Anwaltskosten, die dem Kläger zur Abwehr dieser Forderung entstanden sind, stellen einen adäquat kausal verursachten Schaden dar, den die Beklagten zu erstatten haben.
Amtsgericht Marburg 8.2.2010, 91 C 981/09