Konsumenten, die ihre Lebensversicherung in den ersten Jahren nach Abschluss kündigen, erleben oft eine böse Überraschung. Sie erhalten - wenn überhaupt - nur einen Bruchteil jenes Betrages, den sie an Prämien einbezahlt haben - den sogenannten "Rückkaufswert". Den Rest schluckt die Versicherung. Dies liegt daran, dass am Beginn der Laufzeit hohe Kosten abgezogen werden - sogenannte "Abschlusskosten". Im Wesentlichen handelt es sich dabei um die Provisionen des Vermittlers. Darüber hinaus werden bei einer vorzeitigen Auflösung mitunter auch weitere hohe Abzüge - sogenannte Abschläge - verrechnet. Der Schaden kann pro Vertrag mehrere tausend Euro betragen.
Das Versicherungsrechtsänderungsgesetz 2006 (VersRÄG 2006) bringt für Verträge, die nach dem 1.1.2007 abgeschlossen wurden, eine leichte Verbesserung der Rückkaufswerte. Die Abschlusskosten sind nämlich auf die ersten 5 Jahre der Laufzeit aufzuteilen. Durch diese Neuregelung sollte bei einem Rückkauf im Normalfall zumindest etwa die Hälfte der eingezahlten Prämien zurückgezahlt werden.
In älteren Versicherungsbedingungen werden die Nachteile der oben dargestellten Kostenverrechnung und die Höhe der Abschläge oft nur mangelhaft erklärt. Somit ist für Konsumenten nicht erkennbar, dass eine vorzeitige Auflösung der Lebensversicherung zu massiven Verlusten führt. Der VKI hat daher - im Auftrag des BMSK - gegen die entsprechenden Bestimmungen in den Lebensversicherungsverträgen zahlreiche Verbandsklagen eingebracht. Diese Klagen sollen bewirken, dass für die Vergangenheit Geld zurückgezahlt wird. Betroffen sind nicht nur klassische sondern auch fondsgebundene Lebensversicherungen.
Hier ein Beispiel für solche - aus Sicht des VKI - intransparenten Bestimmungen:
"Der Rückkaufswert entspricht nicht der Summe der bezahlten Prämien. Er errechnet sich wegen des gebotenen Versicherungsschutzes, unter Berücksichtigung eines Abschlages auf die tarifliche Deckungsrückstellung und der angefallenen Kosten, nach den tariflichen Grundsätzen."
Auch die Abschläge sind nach dieser Bestimmung nicht nachvollziehbar und somit ebenfalls "intransparent".
Bisher wurden folgende Versicherungen geklagt:
Allianz Elementar Lebensversicherung, Aspecta, BA CA Versicherung (Union Versicherung), Bawag PSK Versicherung, Finance Life, Generali Versicherung, Nürnberger Versicherung, Österreichische Beamtenversicherung (ÖBV), Raiffeisen Versicherung, Skandia, Sparkassen Versicherung, Uniqa Personenversicherung, Victoria Volksbanken Versicherung, Vorsorge Luxemburg, Wr. Städtische Versicherung, Zürich Versicherung.
Die Verbandsklagen des VKI zeigen Erfolge. Der Oberste Gerichtshof (OGH) bestätigt in zahlreichen Urteilen die Rechtsansicht des VKI: Demnach enthalten viele ältere Versicherungsbedingungen gesetzwidrige Regelungen zum Rückkaufswert.
Uniqa: OGH 17.1.2007 7 Ob 140/06y Download
Victoria: OGH 17.1.2007 7 Ob 131/06z Download
ÖBV: OGH 17.1.2007 7 Ob 173/06a Download
Aspecta: OGH 9.5.2007 7 Ob 233/06z Download
Finance Life: OGH 9.5.2007 7 Ob 23/07v Download
Generali: OGH 30.5.2007 7 Ob 4/07z Download
Skandia: OGH 20.6.2007 7 Ob 82/07w Download
Nürnberger: OGH 26.9.2007 7 Ob 194/07s Download in Vorbereitung
Wr. Städtische: OGH 17.10.2007 7 Ob 151/07t Download
Vorsorge Luxemburg: OGH 28.11.2007 7 Ob 6/07v Download
BA CA (Union): OGH 23.1.2008 7 Ob 263/07p Download
Allianz: OGH 12.3.2008 7 Ob 16/08s Download in Vorbereitung
Zu folgenden Versicherungen liegen rechtskräftige Urteile von unteren Instanzen bzw. außergerichtliche Unterlassungserklärungen vor:
Zürich: OLG Wien 20.11.2006 4 R 155/06b Download
Raiffeisen: HG Wien 25.7.2007 39 Cg 56/06p Download
Sparkassen: OLG Wien 5.9.2007 30 R 26/07z Download
BAWAG/PSK: OLG Wien 16.1.2009, 1 R 215/08g Download
Nürnberger: Unterlassungserklärung 3.9.2004
Gothaer: Unterlassungserklärung 28.6.2005
Donau: Unterlassungserklärung 27.2.2008
Konsequenzen unklarer Bedingungen
Intransparente Bedingungen verstoßen gegen die gesetzlichen Vorgaben und sind daher grundsätzlich unwirksam. Es kann daher nach Einschätzung des VKI nicht bei dieser Art der Kostenverrechnung bleiben. Denn die Grundlage für diese - oben dargestellte - Kostenverrechnung fällt weg. Fraglich ist allerdings, welche genauen Konsequenzen an die Gesetzwidrigkeit der Bedingungen zu knüpfen sind und welchen Rückkaufswert Konsumenten somit verlangen können.
1. Variante
Fällt die vertragliche Vereinbarung zur Überwälzung von Abschlusskosten der Versicherung auf den Versicherungsnehmer weg, dann kann man zur Ansicht gelangen, dass der Versicherungsnehmer - mangels Vereinbarung - gar keine Kosten zu tragen hat.
2. Variante
Man kann aber auch - nach dem hypothetischen Parteiwillen - von einer grundsätzlichen Überwälzung der Kosten ausgehen und es fällt nur die konkrete - für den Versicherungsnehmer nachteilige - Gestaltung weg. Dabei bleibt fraglich, in welchem Umfang Abschlusskosten verrechnet werden können und welcher Teil der bezahlten Kosten bei einem Rückkauf zurückverlangt werden kann. Denkbar sind hier mehrere Unter-Varianten.
Inwieweit Abschlusskosten bei Annahme der Zulässigkeit einer Kostenüberwälzung (also bei der 2.Variante) verrechnet werden können, hängt rechentechnisch davon ab, auf welchen Zeitraum diese fraglichen Kosten zu verteilen sind (Zur Erinnerung: In den meisten Fällen haben die Versicherungen die Abschlusskosten einseitig am Vertragsbeginn verrechnet, was dazu führt, dass der Rückkaufswert in den ersten Jahren null beträgt oder sehr niedrig ist.). Man könnte die Abschlusskosten etwa auf die ersten 10 Jahre aufteilen. Dann müsste der jeweils betroffene Konsument jeweils nur jene Kosten anteilig bezahlen, die bis zum Zeitpunkt des Rückkaufes angefallen sind (Beispiel: Rückkauf nach 5 Jahren Laufzeit führt dann zur Bezahlung von 50 % der Abschlusskosten, der Rest kann zurückverlangt werden).
Das deutsche Höchstgericht (Bundesgerichtshof = BGH) hat für die vergleichbare Situation in Deutschland in drei Entscheidungen (BGH vom 12.10.2005, IV ZR 162/03, IV ZR 177/03, IV ZR 245/03) zur Frage Stellung genommen, wie die Abschlusskosten - bei Wegfall einer intransparenten Klausel als gesetzwidrig - berechnet werden sollen. Der BGH trifft eine "salomonische Lösung" und verweist auf einen Reformvorschlag für das deutsche Versicherungsrecht (50 Prozent des "ungezillmerten Deckungskapitals" als Untergrenze). Der BGH folgt somit der 2. Variante.
Versucht man die Entscheidungen des BGH auf Österreich umzulegen, wären unter Umständen die Regelungen des VersRÄG 2006 heranzuziehen, die in Österreich für Neuverträge ab dem 1.1.2007 im Rahmen des Versicherungsrechtsänderungsgesetzes (VersRÄG 2006) umgesetzt wurden (Aufteilung der Abschlusskosten auf die ersten fünf Jahre der Vertragslaufzeit, Wegfall von gesetzwidrig vereinbarten Stornoabschlägen). Ansprüche auf dieser Basis erscheinen sehr gut argumentierbar und sollten jedenfalls durchsetzbar sein.
Mittlerweile liegt für Österreich ein Urteil vor, das über die BGH Lösung hinausgehende Ansprüche bestätigt: Das Handelsgericht Wien (HG Wien) hat vor kurzem festgehalten, dass die Abschluss- und Verwaltungskosten überhaupt nicht verrechnet werden dürfen - also auch nicht anteilig. Es folgt damit der 1. Variante. Das Urteil ist rechtskräftig.
Eine Klarstellung durch den Obersten Gerichtshof (OGH) zur Frage der Konsequenzen unklarer Bedingungen fehlt.
Wer ist betroffen?
Dabei muss unterschieden werden:
Von einer nachteiligen Verrechnung der Abschlusskosten sind jene Konsumenten betroffen, die eine Lebensversicherung ab dem 1.1.1997 abgeschlossen und in den letzten drei Jahren vorzeitig aufgelöst ("rückgekauft") oder seit Vertragsbeginn prämienfreigestellt haben.
Soweit hingegen (auch) unzulässige Stornoabschläge verrechnet wurden, sind auch Lebensversicherungen betroffen, die ab dem 1.1.1995 abgeschlossen wurden.
Voraussetzung in allen Fällen ist auch, dass in den Versicherungsbedingungen die Verrechnung der Kosten nur undeutlich angeführt wurde (z.B. wie in folgender Klausel: "Der Rückkaufswert entspricht nicht der Summe der bezahlten Prämien. Er errechnet sich wegen des gebotenen Versicherungsschutzes, unter Berücksichtigung eines Abschlages auf die tarifliche Deckungsrückstellung und der angefallenen Kosten nach den tariflichen Grundsätzen.")
Aus derartigen intransparenten Klauseln ist die Kostenbelastung oder die Höhe des Abschlages nicht ersichtlich.
Problem Verjährung
Ansprüche auf (richtige) vertragliche Abrechnung von Versicherungsverträgen verjähren nach den gesetzlichen Vorgaben wahrscheinlich in drei Jahren. Bei Rückkäufen sollten Klagen auf Zahlung daher spätestens innerhalb von drei Jahren ab Rückkauf eingebracht werden.
Liegt der Rückkauf mehr als drei Jahre zurück, sind Rückforderungsansprüche aus heutiger Sicht fraglich. Es ist allerdings denkbar, dass Ansprüche auch bei einem bereits mehr als drei Jahre zurückliegenden Rückkauf noch geltend gemacht werden können. Der VKI wird sich um eine Klärung dieser Frage bemühen. Jedenfalls sollten in derartigen Fällen Unterlagen aufbewahrt werden.
Was ist bei einer Prämienfreistellung zu tun?
Im Gegensatz zum Rückkauf kommt es bei der Prämienfreistellung zu keiner Beendigung des Versicherungsvertrages. Der Vertrag läuft weiter, es sind allerdings keine Prämien mehr zu bezahlen. Demgegenüber sinkt natürlich die letztlich zur Auszahlung gelangende Versicherungsleistung. Auch bei der Prämienfreistellung wirken sich die oben erwähnten Klauseln in den Versicherungsbedingungen negativ aus. Allerdings besteht bei Prämienfreistellungen zumeist kein akuter Handlungsbedarf. Eine Verjährung kann erst nach Ablauf des Vertrages eintreten, denn die Verjährung von Ansprüchen auf richtige Abrechnung verjährt erst in drei Jahren ab Vertragsende. Der VKI empfiehlt die Versicherung unter Hinweis auf die vorliegenden Urteile des Obersten Gerichtshofes zur Erhöhung der prämienfreien Versicherungsleistung aufzufordern.
Wenn Sie noch Fragen haben oder Beratung brauchen:
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Kostenbeitrag: normale Gesprächsgebühren
Zeit: 9:00-15:00
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Kostenbeitrag: EUR 20.--