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OGH bezieht Stellung zu Gutscheinen bei abgesagten Mehrtagesveranstaltungen

Können bei einer Mehrtagesveranstaltung auch Karten für einzelne Veranstaltungstage erworben werden, stellt jeder Veranstaltungstag ein eigenes Ereignis dar, sodass der Veranstalter bei einem Mehrtagesticket für jeden Tag einen Gutschein bis zu € 70,-- ausstellen kann.

Eine Konsumentin kaufte von der beklagten Veranstalterin um 169,99 EUR einen Festival-Pass (3-Tagesticket) für ein Musikfestival. Das dreitägige Festival musste 2020 wegen der COVID-19-Pandemie abgesagt werden. Die Beklagte verkaufte neben den Mehrtagestickets auch Tagestickets. Die Bundesarbeiterkammer unterstützte die Konsumentin in dem Prozess.

Das im Frühjahr 2020 geschaffene KuKuSpoSiG sieht vor, dass Veranstalter von Kunst-, Kultur- oder Sportereignissen, die "aufgrund der COVID-19-Pandemie" entfallen sind, anstelle des zurückzuzahlenden Entgelts einen Gutschein über den zu erstattenden Betrag geben können. Dies ist bis zu einem Betrag von € 70,- möglich. Wenn das zu erstattende Entgelt mehr als € 70,- und bis zu € 250,- beträgt, können Veranstalter bis zum Betrag von € 70,- einen Gutschein geben; der darüber hinausgehende Betrag ist zurückzuerstatten (§ 1 Abs 4 KuKuSpoSiG).

Im konkreten Verfahren ging es nun um die gesetzlich nicht ausdrücklich geregelte Frage, ob eine mehrtägige Veranstaltung als ein einziges Ereignis gilt, sodass der Veranstalter einen Gutschein bis zu € 70,- ausstellen kann und den Überbetrag refundieren muss (Var 1), oder ob jeder Veranstaltungstag ein eigenes Ereignis darstellt, sodass er für jeden Tag einen Gutschein bis zu € 70,- ausstellen kann (Var 2).

Zur Veranschaulichung: Bei Var 1 müsste der Veranstalter neben dem einen Gutschein über € 70,-  einen Betrag von € 99,99 auszahlen. Bei Var 2 kann der Veranstalter für jeden Tag einen Gutschein iHv € 56,66 ausstellen und darüber hinaus nichts auszahlen.

Der OGH entschied sich hier für Var 2 und wies die Klage auf Zahlung von € 99,99 ab.

Die gesetzliche Regelung des KuKuSpoSiG soll sich auf ein einzelnes Kulturereignis und den Preis für eine Eintrittskarte, die zu dessen Besuch berechtigt, beziehen.

Im vorliegenden Fall werden für die mehrtägige Veranstaltung sowohl Mehrtagestickets als auch Tickets für einzelne Tage angeboten.

Der Gesetzeswortlaut legt die – auch mit dem erkennbar verfolgten Gesetzeszweck in Einklang stehende – Auslegung nahe, dass sich die Regelung in § 1 Abs 4 KuKuSpoSiG auf ein einzelnes Kulturereignis und den Preis für eine Eintrittskarte, die zu dessen Besuch berechtigt, beziehen soll. Dieses Verständnis entspricht auch den Ausführungen im Justizausschussbericht, nach denen der Veranstalter für jedes einzelne Ereignis einen Gutschein bis zu 70 EUR begeben könne, wenn etwa ein Besucher mit einem Vertrag drei Kunst-, Kultur- oder Sportereignisse gebucht hat. Gleiches muss für die einzelnen Tickets gelten, wenn ein Besucher mehrere Eintrittskarten für dasselbe Kulturereignis erwirbt, weil er die Eintrittsberechtigung für mehrere Personen anstrebt.

Der Wille des Gesetzgebers geht ersichtlich dahin, dass es bei mehrtägigen Veranstaltungen nicht auf die Auffassung des einzelnen Besuchers ankommen, sondern die Veranstaltung insgesamt – und gegenüber allen Besuchern – wie einzelne Ereignisse behandelt werden soll; dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass auch die Berechtigung zum Besuch einzelner Veranstaltungstage erworben werden kann, weil ansonsten eine gesetzlich nicht vorgesehene Zerlegung eines einzigen einheitlichen Kulturereignisses in mehrere (fiktive) Teilereignisse vorgenommen würde.

Im vorliegenden Fall wurden sowohl Festival-Pässe für die gesamten drei Tage als auch Tagestickets verkauft, womit entsprechend der insoweit deutlichen Absicht des historischen Gesetzgebers, die auch mit dem Gesetzeswortlaut in Einklang gebracht werden kann, der Veranstalter das Recht hat, das Festival wie drei einzelne Kulturereignisse zu behandeln.

Da die Veranstalterin des dreitägigen Musikfestivals sowohl Festival-Pässe als auch Tagestickets verkaufte, hat sie das Recht, das Festival wie drei einzelne Kulturereignisse zu behandeln und für jeden einzelnen Veranstaltungstag einen Gutschein bis zu 70 EUR zu begeben.

OGH 12.10.2021, 1 Ob 131/21b

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