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OGH: (Keine) Haftung des Abschlussprüfers

In einem Schadenersatzverfahren gegen einen Abschlussprüfer wurde die Klage abgewiesen, weil der Kläger nicht behauptet hatte, dass er im Vertrauen auf die Bestätigungsvermerke des Abschlussprüfers der – später in die Insolvenz geratenen – Bank Geld als Einlage anvertraut hatte.

Der Beklagte war für die Geschäftsjahre 1999 bis 2005 als Abschlussprüfer/Bankprüfer für die C* Aktiengesellschaft tätig und stellte für die Jahresabschlüsse jeweils uneingeschränkte Bestätigungsvermerke aus. Der Kläger begehrt als Schadenersatz den Klagsbetrag mit dem wesentlichen Vorbringen, er habe der Aktiengesellschaft im August 2019 eine Termineinlage von 13 Mio EUR anvertraut. Danach sei über das Vermögen der Aktiengesellschaft ein Insolvenzverfahren eröffnet worden.  Der Beklagte hätte bei sorgfältiger Prüfung die Bilanzmalversationen erkennen können und negative Prüfungsurteile abgeben müssen.

Die Klage wurde abgewiesen.

Der Kläger stützt seine Haftung darauf, dass der beklagte Abschlussprüfer gegen seine aus § 275 UGB sich ergebende Verpflichtung verstoßen habe.

Keine Verjährung

Die auf § 275 UGB gestützten Ansprüche verjähren in fünf Jahren. Bei der Frist des § 275 Abs 5 UGB handelt es sich um eine lex specialis zur allgemeinen Verjährungsvorschrift des § 1489 ABGB, die als objektive, von der Kenntnis des Schadens und des Schädigers unabhängige Frist nicht nur die kurze, sondern auch die lange Frist des § 1489 Satz 2 1. Variante ABGB verdrängt. § 275 Abs 5 UGB gilt auch gegenüber geschädigten Dritten. Dabei beginnt nach einheitlicher Rechtsprechung die Verjährungsfrist für den (hier zu prüfenden) Bereich bloß fahrlässiger Schadensverursachung durch den Abschlussprüfer (erst) mit Eintritt des primären Schadens. Bei Ansprüchen Dritter ist das die durch den Bestätigungsvermerk veranlasste Vermögensdisposition, und nicht die Veröffentlichung des Bestätigungsvermerks oder die Übergabe des unrichtigen Prüfberichts. Die Verjährung könnte hier frühestens mit der Vermögensdisposition im Jahr 2019 zu laufen beginnen, ohne dass es auf den Zeitpunkt der Erteilung des Bestätigungsvermerks ankommt. Ein allfälliger Schadenersatzanspruch ist somit nicht verjährt.

Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter

Der Vertrag des Abschlussprüfers zur Gesellschaft wird nach der Rechtsprechung als Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter gesehen. Von dieser Schutzwirkung sind (potentielle) Gläubiger der geprüften Gesellschaft umfasst, die durch die Veröffentlichung des Bestätigungsvermerks angesprochen werden sollen und dann bei ihren wirtschaftlichen Dispositionen davon ausgehen können, dass Buchführung, Jahresabschluss und Lagebericht ihres (potentiellen) Schuldners nach fachmännischer Ansicht den gesetzlichen Vorschriften entsprechen.

Beim Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter besteht Subsidiarität. Ein Gläubiger hat kein schutzwürdiges Interesse, wenn er kraft eigener rechtlicher Sonderverbindungen mit seinem Vertragspartner einen deckungsgleichen Anspruch auf Schadenersatz hat. Der gegenüber der geprüften Gesellschaft bestehende Anspruch auf Rückzahlung einer Einlage ist kein deckungsgleicher Anspruch zu einem gegen den Abschlussprüfer wegen eines fehlerhaften Bestätigungsvermerks geltend gemachten Schadenersatzanspruch.

Zum Umfang der Schutzwirkungen des Vertrags der Gesellschaft mit dem Abschlussprüfer

Die Haftungsgrundlage des Abschlussprüfers gegenüber dem geschädigten Dritten besteht in der durch den veröffentlichten Bestätigungsvermerk geschaffenen Vertrauensbasis zwischen der geprüften Gesellschaft und den (potentiellen) Anlegern. Diese Vertrauensbasis kann enttäuscht werden, wenn der Anleger auf die Richtigkeit des konkreten (uneingeschränkten) Bestätigungsvermerks vertraut hat.

Ein solches Vertrauen kann nicht nur durch die Kenntnis des konkreten Bestätigungsvermerks geschaffen werden, sondern ist bei einer Beratung auch denkbar, wenn die auf die Anlageentscheidung positiv einwirkende Beratung von den erteilten Bestätigungsvermerken beeinflusst war. Dies setzt aber voraus, dass der Berater die Bestätigungsvermerke gekannt oder sonst von deren Erteilung erfahren hat. Der Geschädigte kann sich auch auf eine solche mittelbare (indirekte) Kenntnis vom Bestätigungsvermerk stützen, auf die er bei seiner Disposition vertraut hat. Dies wurde hier nicht behauptet!

Auf die Schutzwirkungen des zwischen der Gesellschaft und dem Abschlussprüfer geschlossenen Vertrags können sich Personen, deren Anlegerentscheidung nicht im Zusammenhang mit dem erteilten Bestätigungsvermerk steht, nicht berufen. Ein solcher Zusammenhang erfordert, dass die Anlegerentscheidung durch den Bestätigungsvermerk beeinflusst war. Für den Anlassfall würde es noch nicht ausreichen, dass der Schaden nur deshalb entstanden ist, weil die vom Beklagten zuletzt im Jahr 2005 geprüfte Gesellschaft wegen des allfällig fehlerhaften Vermerks noch Jahre weiterexistieren konnte, wodurch ein Investment des Klägers im Jahr 2019 möglich war.

Ein geschädigter Anleger hat zu behaupten und zu beweisen, dass er seine Anlageentscheidung im Vertrauen auf den erteilten Bestätigungsvermerk getroffen und diesen zur Grundlage seiner schadensauslösenden Disposition gemacht hat. Entsprechendes gilt auch für den Kläger, der der Aktiengesellschaft eine hohe Geldsumme als Einlage anvertraut hat. Vom damit insoweit behauptungs- und beweispflichtigen Kläger wurde aber nur vorgebracht, dass ihm die Bestätigungsvermerke bei seiner Veranlagung vorgelegen seien. Eine Prozessbehauptung, dass er im Vertrauen auf die Vermerke disponiert hat, fehlt jedoch. Das Erstgericht hat im Rahmen seiner materiellen Prozessleitung auch klargestellt, dass nach dem Klagsvorbringen der Kläger nicht deshalb veranlagt hätte, weil er auf die vom Beklagten bestätigten Jahresabschlüsse vertraut habe. Wenn der Kläger dessen ungeachtet sein Vorbringen weder ergänzt noch präzisiert hat, erweist sich die Abweisung des Klagebegehrens wegen Unschlüssigkeit im Ergebnis als zutreffend, sodass der Revision keine Folge zu geben war.

OGH 28.9.2021, 4 Ob 145/21h

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