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OGH: Rücktrittsbelehrung in Polizze reicht aus

Der OGH verneint ein unbefristetes Rücktrittsrecht, wenn die ordnungsgemäße Belehrung über das Rücktrittsrecht erstmals in der Polizze und nicht bereits vor Vertragsabschluss erfolgt.

Dieser Entscheidung liegt folgender Fall zugrunde: Die Klägerin schloss einen Lebensversicherungsvertrag mit Versicherungsbeginn 1.11.2007 ab. Der von ihr am 25.9.2007 unterfertigte Versicherungsantrag enthielt keine Belehrung über ein Rücktrittsrecht nach § 165a VersVG. Die Belehrung über das Rücktrittsrecht binnen 30 Tagen nach der Verständigung vom Zustandekommen des Vertrags erfolgte erst in der Polizze unter der Überschrift „RÜCKTRITTSRECHTE“. Mit Schreiben vom 15.3.2018 trat die Klägerin mit Hinweis auf die im Antrag fehlende Rücktrittsbelehrung nach § 165a VersVG zurück. Die Klägerin begehrte vom beklagten Versicherer die Zahlung der eingezahlten Prämie und kapitalisierten Zinsen. Sie sei bei Abschluss des Versicherungsvertrags nicht über ihr Rücktrittsrecht nach § 165a VersVG belehrt worden.

Die Klage wurde abgewiesen. Der OGH führte dazu aus: Es ist maßgeblich, ob die der Versicherungsnehmerin erstmals in der Polizze erteilte, ordnungsgemäße Belehrung über ihr Rücktrittsrecht nach §165a Abs 1 VersVG aF der Klägerin die Möglichkeit nahm, ihr Rücktrittsrecht im Wesentlichen unter denselben Bedingungen wie bei bereits zuvor mitgeteilter zutreffender Information auszuüben. Das ist laut OGH nicht der Fall.

Der Beginn und das Ende der Rücktrittsfrist wurden durch die verspätete Belehrung nicht berührt, da diese gemäß § 165a Abs 1 VersVG aF an die Verständigung vom Zustandekommen des Vertrags knüpfen, also an den Zugang der Polizze.

Verkürzt wurde der Versicherungsnehmerin lediglich ihre Überlegungsfrist vor Übersendung der Polizze, ob sie vom Lebensversicherungsvertrag zurücktreten will. Das ist jedoch unerheblich, da es der Klägerin objektiv möglich war, ihr 30-tägiges Rücktrittsrecht unter im Wesentlichen denselben Bedingungen auszuüben, wie bei einer Information „vor Abschluss des Vertrages“.

Nach den unionsrechtlichen Bestimmungen reicht eine eindeutige und detailliert schriftliche Information über das Rücktrittsrecht aus. Die Rücktrittsbelehrung findet sich auf S 5 der Versicherungspolizze in drucktechnischer Hervorhebung und gibt den Wortlaut des § 165a Abs 1 Satz 1 VersVG aF wieder. Es ist irrelevant, dass die Versicherungsnehmerin die Belehrung in der Polizze nicht gelesen hat. Ein gesonderter Hinweis auf die in der Polizze enthaltene Belehrung über das Rücktrittsrecht, war nicht erforderlich.

Die Frist für einen Rücktritt der Klägerin nach § 165a VersVG aF wurde mit Zugang der Polizze im Oktober 2007 in Gang gesetzt. Ihr am 15. 3.2018 aus diesem Grund erklärter Vertragsrücktritt war verfristet und damit unberechtigt. Die Klage wurde daher abgewiesen.

OGH 15.9.2021, 7 Ob 121/21a

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