Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) führte im Auftrag des Konsumentenschutzministeriums eine Verbandsklage gegen Klauseln in den "Gesprächsnotizen" des AWD. Darin waren eine Reihe von Tatsachenbestätigungen enthalten, die der VKI - im Lichte der bisherigen Judikatur des OGH - als gesetzwidrig ansah. Das Erstgericht wies die Klage ab, das Berufungsgericht sah die Mehrzahl der Klauseln als gesetzwidrig an; der OGH dagegen sieht in den Klauseln eine Umsetzung der Dokumentationspflichten nach dem Wertpapieraufsichtsgesetz (WAG) und diese seien als reine "Wissenserklärungen" nicht anfechtbar. Eine Klausel zur Haftungsfreizeichnung sah der OGH dennoch als gesetzwidrig an.
Die Sammelklagen und Musterprozesse des VKI gegen den AWD sind davon in keiner Weise betroffen - hier kommt es im Herbst zu einer Vielzahl von Verhandlungen um den Vorwurf der "systematischen Fehlberatung" von tausenden Anlegern.
Beim VKI gingen rund 7000 Beschwerden von AWD-Kunden ein, dass ihnen Immobilienaktien als "sicheres Investment" vermittelt worden seien. Für 2500 Geschädigte führt der VKI nunmehr Sammelklagen gegen den AWD. Im Rahmen der Verfahren beruft sich der AWD darauf, dass die Kunden "Gesprächsnotizen" unterzeichnet hätten, in denen sie über das wahre Risiko der Aktien (bis hin zum Totalverlust) aufgeklärt worden wären. Die Geschädigten räumen ein, diese Schriftstücke ungelesen unterzeichnet zu haben; schließlich seien diese von Verwandten und Bekannten, die als AWD Berater tätig waren, als "reine Formalität" zur Unterschrift vorgelegt worden. Die Kunden gingen davon aus, dass darin jene Tatsachen festgehalten würden, die auch Inhalt der Gespräche waren. Dem war aber - so die Geschädigten - in vielen Fällen nicht so. Mit dieser Frage der Beweiswürdigung werden sich die Gerichte in den zahlreichen AWD-Verfahren (über 600 Verfahren allein am HG Wien) im Herbst auseinanderzusetzen haben.
In der vorliegenden Verbandsklage ging es dagegen darum, dass der VKI dem AWD gerichtlich verbieten lassen wollte, sich solche Tatsachenbestätigungen in einem Vertragsformblatt unterzeichnen zu lassen. Bislang hatte der OGH durchaus judiziert, dass Tatsachenbestätigungen, die eine Beweiserschwernis herbeiführen, gesetzwidrig sind. Nun sagt der OGH, dass die "Gesprächsnotizen" keine AGB seien und die genannten Klauseln nur "Wissenerklärungen" enthalten würden. Daher sei das Verwenden der Klauseln nicht gesetzwidrig und auch nicht zu verbieten. Schließlich verlange das Wertpapieraufsichtsgesetz von Wertpapierdienstleistern sogar, umfassende Informationen und Dokumentationen vorzunehmen. Das diene der Aufsicht zur Prüfung der Einhaltung der "Wohlverhaltensregeln", "nicht aber dem Schutz des Kunden vor unrichtiger/unvollständiger Information" - so der OGH.
"Damit erweisen sich die entsprechenden Regelungen des WAG als ein Anlageberater-Schutzgesetz. Schließlich kann man durch Kontrolle von vorgefertigten Dokumentationen gerade nicht prüfen, ob in der Praxis korrekt beraten wird. Dazu bedürfte es verdeckter Testberatungen und ähnlicher Methoden, für die es derzeit weder die gesetzlichen Grundlagen noch die personelle Ausstattung bei der Aufsicht gibt," kritisiert Dr. Peter Kolba, Leiter des Bereiches Recht im VKI.
"Wir werden diese Praxis des AWD in den Sammelklagen zu den systematischen Fehlberatungen in Sachen Immoaktien einer genauen gerichtlichen Prüfung unterziehen," kündigt Dr. Kolba an. "Die Entscheidung des OGH in der Verbandsklage ist zwar bedauerlich, hat aber auch die Prozesschancen in den Sammelklagen und Musterprozessen keinerlei Auswirkung."
OGH 6.7.2010, 1 Ob 46/10m
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Klagevertreter: Alexander Klauser, RA in Wien