Der Kläger erwarb am 30.11.2005 über einen Finanzdienstleistungsassistenten der beklagten AvW Invest AG Genussscheine zum Preis von € 29.156,70. Es wurde fälschlicherweise damit geworben, dass der jederzeitige Rückkauf der Genussscheine über die Beklagte möglich sei.
Am 20.10.2008 verlangte der Konsument von der beklagten Partei den Rückkauf seiner 12 Stück Genussscheine zum Kurs von € 3.257,-; abzüglich des Erfolgshonorars begehrte er die Auszahlung eines Betrages von € 37.866,75,-. Die Beklagte teilte in einem Schreiben mit, dass der bisher auf freiwilliger Basis erfolgte Rückkauf von Genussscheinen aufgrund eines Liquiditätsengpasses gestoppt wurde. Wäre der Kläger über die Freiwilligkeit der Rückkaufsoption ordnungsgemäß aufgeklärt worden, hätte er vom Ankauf der Genussscheine Abstand genommen.
Der Kläger brachte die Klage ein und begehrte ua aus dem Titel des Schadenersatzes wegen Verletzung von Aufklärungspflichten einen Betrag von € 37.886,76,-. Er führte im Wesentlichen aus, dass die streitgegenständlichen Genussscheine anlässlich des Ankaufs als eine Veranlagung mit hoher Liquidität ausgegeben wurde, bei der ein jederzeitiger Rückkauf durch bzw. über die beklagte Partei möglich sei. Es sei die jederzeitige Verfügbarkeit des Geldes zugesichert worden.
Die Beklagte wandte dagegen ein, dass Emittentin der Genussscheine und diesbezügliche Vertragspartnerin des Klägers die AvW Gruppe AG sei; die Beklagte sei nur Vermittlerin gewesen. Es sei keine Rückkaufsverpflichtung seitens der beklagten Partei übernommen worden, überdies liege auch kein Beratungsfehler vor.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es führte aus, dass der Kläger bei richtiger Aufklärung vom Ankauf der gegenständlichen Genussscheine jedenfalls Abstand genommen hätte. Die Informationspflichten im Sinn des § 13 Z 4 WAG alte Fassung und § 40 WAG neue Fassung, wonach dem Kunden alle zweckdienlichen Informationen zu erteilen seien, treffe nicht nur die Beklagte als Vermittlerin sondern auch ihre Erfüllungsgehilfen. Die Beklagte hafte für das Verschulden ihrer Gehilfen nach § 1313a ABGB wie für ihr eigenes Verschulden.
Die Berufung der Beklagten war nicht berechtigt. Im Wesentlichen führte das Berufungsgericht aus, dass die behauptete Börsennotierung der Genussscheine an der Frankfurter Börse nicht entscheidungswesentlich sei, weil im Verkaufsgespräch von einem Handel an der Börse keine Rede war. Vielmehr stand fest, dass der Verkauf der Genussscheine jederzeit zu dem monatlich in einem Newsletter veröffentlichten Kurs über die Beklagte erfolgen sollte.
Weiters hielt das Berufungsgericht fest, dass Finanzdienstleister gemäß §§ 11, 13 Wertpapieraufsichtsgesetz 1996 (WAG) ihre Dienstleistungen mit der erforderlichen Sachkenntnis, Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit im Interesse ihrer Kunden zu erbringen hätten; Wertpapierdienstleistungsunternehmen hätten sich um die Vermeidung von Interessenskonflikten zu bemühen und dafür zu sorgen, dass bei unvermeidbaren Interessenskonflikten der Kundenauftrag unter der gebotenen Wahrung des Kundeninteresses ausgeführt werde. Weiters hätten sie von ihren Kunden Angaben über ihre Erfahrungen oder Kenntnisse mit Wertpapiergeschäften, ihre finanziellen Verhältnisse sowie über ihre mit den Geschäften verfolgten Ziele zu verlangen. Den Kunden seien alle zweckdienlichen Informationen mitzuteilen, soweit dies zur Wahrung der Kundeninteressen erforderlich sei.
Die konkrete Ausgestaltung der Beratungspflichten hänge von den ganz konkreten Umständen des Einzelfalles ab, wie zB Risikobereitschaft des Anlegers, Höhe der zu veranlagenden Geldsumme, Renditeerwartung des Anlegers usw. Bei Verletzung dieser Pflichten könne gemäß § 15 Abs 1 WAG Schadenersatz verlangt werden.
Der Kunde dürfe nämlich darauf vertrauen, dass er von einem Wertpapierdienstleistungsunternehmen umfassend beraten werde.
Gemäß § 1313a ABGB haftet das Wertpapierdienstleistungsunternehmen für das Verhalten von Personen, derer es sich bei der Erbringung der Wertpapierdienstleistungen bediente. Der Anlageberater sei daher grundsätzlich als Erfüllungsgehilfe seinem Geschäftsherrn zuzurechnen.
Daraus folgte, dass die beklagte Partei für Sorgfaltspflichtverletzungen ihres Finanzdienstleistungsassistenten zu haften hatte. Einen relevanter Beratungsfehler sah das Berufungsgericht darin, dass die Genussscheine mündlich und schriftlich als besonders sichere Anlageform beworben wurden; der Rückkauf sei zu einem monatlich veröffentlichten Kurs über die beklagte Partei zugesichert worden. Es wurde dabei nicht auf die Freiwilligkeit des Rückkaufes hingewiesen. Dem Kläger entstand daher ein Schaden in dem Zeitpunkt, als sein Rückkaufsauftrag wegen eines behaupteten Liquiditätsengpasses nicht durchgeführt wurde. Mit Schreiben der AvW Gruppe AG vom 14.11.2008 (Ablehnung der Durchführung des Rückkaufsauftrags) wurde dem Kläger der Schaden aus der Fehlberatung bekannt, sodass der Verjährungseinwand der Gegenseite nicht zielführend war.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig; es bleibt abzuwarten, ob die Beklagte außerordentliche Revision erhebt.
OLG Graz 8.3.2010, 5 R 37/10s
Klagevertreter: Neumayer, Walter & Haslinger, Rechtsanwälte in Wien
P.S.: Am Freitag 23.4.2010 wurde Herr Auer von Welsbach in U-Haft genommen. Es gilt die Unschuldvermutung.