Zum Inhalt

OLG Wien: Unzulässige automatische Vertragsverlängerung bei Skiversicherung

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hatte im Auftrag des Sozialministeriums den deutschen Verein „Freunde des Skisports e.V. im Deutschen Skiverband“ geklagt. Im Anlassfall ging es um die automatische Vertragsverlängerung bei einer Skiversicherung. Das Oberlandesgericht (OLG) Wien beurteilte die zugrundeliegende sowie fünf weitere Klauseln für unzulässig. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Der Beklagte ist ein (Sport-)Verein nach deutschem Recht mit (verkürzt) Sportförderung als Vereinszweck. Er hat einen Gruppenversicherungsvertrag mit in Deutschland ansässigen Versicherungsunternehmen geschlossen. Er bietet unterschiedliche Vereinsmitgliedschaften an, und zwar Mitgliedschaften sowohl ohne Versicherungsschutz als auch einschließlich diversem – die Höhe des Mitgliedsbeitrags beeinflussenden - Versicherungsschutz, dies auch in österreichischen Sportartikelgeschäften und in auf den österreichischen Markt ausgelegten Onlineshops.

Gruppenversicherung/rechtlicher Rahmen

Dogmatisch handelt es sich – wie das OLG Wien ausführt - bei Gruppenversicherungsverträgen um eine Ausprägung der Versicherung für fremde Rechnung. Für den Versicherer bieten Gruppenversicherungsverträge regelmäßig die Möglichkeit, eine größere Anzahl von Kunden mit vergleichsweise geringem Vertriebs- und Verwaltungsaufwand zu gewinnen; die Gruppenspitze wickelt als Intermediär den Zahlungs- und Geschäftsverkehr im Verhältnis zum Versicherer und zum Versicherten ab. Gruppenversicherungsverträge sind im deutschen [wie auch im österreichischen] - aber auch im europäischen Recht - nur fragmentarisch geregelt; eine Legaldefinition des Begriffs existiert nicht.

„Beitritts-AGB“ versus „Versicherungs-AGB“

Das OLG Wien unterscheidet zwischen einerseits jenen AGB und Vertragsformblättern, die die Gruppenspitze gegenüber dem Verbraucher verwendet, um seinen Beitritt zum Gruppenversicherungsvertrag herbeizuführen (kurz: „Beitritts-AGB“); sowie andererseits jene Versicherungsbedingungen, die seitens des jeweiligen Versicherers der Determinierung des Versicherungs-Vertragswerks dienen (kurz: „Versicherungs-AGB“).

Die vorliegende Klauselprüfung betrifft die „Beitritts-AGB“ mit den darin befindlichen angefochtenen sieben Klauseln, auf die der VKI seine Klage gestützt hat, und die der Beklagte beim Akquirieren von Mitgliedschaften inklusive Versicherungsschutz gegen höhere Beiträge verwendet.

Anwendbares Recht

  • Fragen betreffend das Vereinsrecht iSd Art 1 Abs 2 lit f Rom I-VO?

Gemäß Art 1 Abs 2 lit f Rom I-VO sind vom Anwendungsbereich dieser Verordnung ausgenommen: „Fragen betreffend das Gesellschaftsrecht, das Vereinsrecht und

das Recht der juristischen Personen, wie die Errichtung durch Eintragung oder auf andere Weise, die Rechts- und Handlungsfähigkeit, die innere Verfassung und [ihre] Auflösung sowie die persönliche Haftung [zB der Organe für Vereinsverbindlichkeiten].“ Der EuGH hat dies dahin ausgelegt, dass die Ausnahmebestimmung ausschließlich die organisatorischen Aspekte dieser Gesellschaften, Vereine und juristischen Personen betrifft – und dass daher etwa die Forderung einer Rechtsgemeinschaft auf Zahlung von Jahresbeiträgen zu [ihrem] Haushalt nicht unter die Ausnahme fällt (EuGH 08.05.2019, C-25/18 [Rz 33 und 34]).

Im vorliegenden Fall geht es nur darum, dass (im Kern) einem Vereinsmitglied gegen Entrichtung eines höheren Mitgliedsbeitrags auch ein diesem Erhöhungsbetrag entsprechender Versicherungsschutz zukommen soll. Für das OLG Wien konnte daher nicht erkannt werden, warum dies anhand des Verordnungstextes sowie im Lichte der Judikatur des EuGH unter die Ausnahmebestimmung fallen solle.

  • Verbrauchervertrag nach Art 6 Rom I-VO

Jedenfalls im Verhältnis zwischen dem Beklagten als Gruppenspitze (mit allfälligen Vermittler-Pflichten) und den (im Wege der Vereinsmitgliedschaft) Beitretenden kommt es – wie das OLG Wien näher ausführt – zu einem „Beitritts-Vertrag“ – und zwar zu einem Verbrauchervertrag nach Art 6 Rom I-VO: Aus dem Akquirieren einer Vielzahl von Entgelt erhöhenden Versicherungsbeitritten, zielgerichtet auch betreffend österreichische Verbraucher etwa im Wege des Sportartikelhandels in Österreich, leitet sich eine diesbezügliche gewerbliche Tätigkeit des Beklagten im Sinne Abs 1 leg

cit ab. Dies führt – wie das OLG Wien schlussfolgert – zur Anwendbarkeit des Rechtes am gewöhnlichen Aufenthalt des (österreichischen) Verbrauchers und damit zur Klauselprüfung nach österreichischem Recht.

  • Verein/KSchG-Anwendbarkeit

Beitritts- und Mitgliedschaftsverträge zwischen einem Verein, zu dessen Unternehmen diese Verträge gehören (§ 1 Abs 2 KSchG), und einem Verbraucher fallen laut OLG Wien bereits gemäß § 1 Abs 1 KSchG in dessen Anwendungsbereich. § 1 Abs 5 KSchG bewirkt eine Ausdehnung des Anwendungsbereichs, nämlich auf gewisse Beitritte zu und Mitgliedschaften bei solchen Vereinen, die nicht als Unternehmer gemäß § 1 Abs 1 Z 1 und Abs 2 KSchG auftreten. Sein unternehmerisches Agieren im Zusammenhang mit den Skiversicherungen hat der Beklagte nie in Abrede gestellt. § 1 Abs 5 KSchG enthält nämlich gar keinen „Ausschlusstatbestand“; ist das KSchG aber ohnehin schon nach dessen § 1 Abs 1 und 2 anzuwenden, ändert sich daran nichts mehr, selbst wenn dessen – seinen Anwendungsbereich ausdehnende Bestimmung des Abs 5 (etwa infolge Einräumung voller Mitgliedschaftsrechte) nicht zum Tragen käme.

Folgende Klauseln beurteilte das OLG Wien als unzulässig:

Klausel 1: „Die Mitgliedschaft und der Versicherungsschutz gelten ab dem Tag des Abschlusses für ein Jahr und verlängern sich nach Ablauf um ein Jahr und weiter von Jahr zu Jahr, wenn sie nicht mit einer Frist von drei Monaten zum jeweiligen Ablauf schriftlich gekündigt werden.“

Das OLG Wien bejahte abermals die Anwendbarkeit des KSchG und bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts, das unter ausführlicher Darstellung einschlägiger Judikatur dem Standpunkt des VKI folgte: die Wirksamkeit einer Verlängerungsfiktion erfordere die Aufnahme der in § 6 Abs 1 Z 2 KSchG vorgesehenen Hinweispflicht in die AGB selbst. Die Klausel beziehe sich sowohl auf die Mitgliedschaft als auch auf den Versicherungsschutz und sei daher gesetzwidrig.

Klausel 2: „Nur fristgerechte Beitragszahlung gewährleistet Versicherungsschutz ohne Unterbrechung.“

Das OLG Wien hat Folgendes erwogen: Als Beginn des Versicherungsschutzes erklärt Klausel 1 den Tag des Abschlusses. Klausel 2 legt das Verständnis nahe, dass ein Verzug mit der Beitragszahlung diesen bestehenden Versicherungsschutz unterbrechen könne. Näheres bleibt völlig im Dunklen, etwa schon, welche Zahlungsfrist denn einzuhalten sei, sodass schon nicht erkennbar ist, ob bzw ab wann eine behauptete Unterbrechung eingetreten sei. Auch sonst sind keine Details über eine solche – von wem überhaupt wahrzunehmende (?) – allfällige Unterbrechung erkennbar; der Gruppenversicherungsvertrag selbst etwa sieht eine solche Unterbrechung gar nicht vor. Somit ist laut OLG Wien im Sinne des Klagsstandpunktes die Rechtslage jedenfalls unvollständig dargestellt, was zur Intransparenz der Klausel nach § 6 Abs 3 KSchG führt.

Klausel 4: „Werden Leistungen oder Beiträge auch für bestehende Versicherungen zum jeweiligen Beginn eines Beitrags-/Versicherungsjahres geändert, so gelten diese als anerkannt, wenn der fällige Beitrag nach Bekanntgabe der Änderung gezahlt wird.“

Das Erstgericht führte im Sinne des Klagsstandpunktes aus, die Klausel sehe eine Erklärungsfiktion vor, wonach ein faktisches Verhalten, nämlich die Zahlung, als Willenserklärung einer Zustimmung gelten solle. § 6 Abs 1 Z 2 KSchG fordere für solche Bestimmungen, dass der Verbraucher bei Beginn der Frist auf die Bedeutung seines Verhaltens besonders hingewiesen und ihm zur Abgabe einer ausdrücklichen Erklärung eine angemessene Frist eingeräumt werde. Hierauf nehme die Klausel keine Rücksicht, was zu ihrer Nichtigkeit führe.

Das OLG Wien erachtet die erstgerichtliche Rechtsauffassung für zutreffend und verweist hierauf. Die Zahlung allein wäre laut OLG Wien keineswegs als schlüssige Zustimmung zu werten, kann sie doch vorerst aus unterschiedlichsten Gründen erfolgt sein (etwa um eine mit Klausel 2 in den Raum gestellte Unterbrechung des Versicherungsschutzes hintanzuhalten).

Klauseln 5 bis 7:

(5.) Sämtliche Schadensfälle sind unverzüglich zu melden.

(6.) Ein Diebstahl muss zusätzlich unverzüglich auch der zuständigen Polizeidienststelle angezeigt werden.

(7.) Für die Abwicklung von Beschädigung- und Diebstahlfällen benötigen Sie den Originalkaufbeleg.

Das Erstgericht folgte dem Standpunkt des Klägers. Zu Klauseln 5 und 6 entstehe nach der gebotenen verbraucherfeindlichsten Auslegung der Eindruck, ein Verstoß gegen diese Vorgaben führe jedenfalls zur Leistungsfreiheit der Versicherer. Das Fehlen einer Darstellung der Rechtsfolgen und die fehlende Aufklärung über die Einschränkungen des § 6 Abs 3 VersVG in Bezug auf das Verschulden verschleierten die wahre Rechtslage und führe zur Intransparenz iSd § 6 Abs 3 KSchG. Klausel 7 sei auch im Hinblick auf das Beklagtenvorbringen (Original keine notwendige Anspruchsvoraussetzung) unsachlich, gröblich benachteiligend und überraschend.

Für das OLG Wien ist unklar und damit intransparent iSd § 6 Abs 3 KSchG, ob der Beklagte mit diesen Klauseln das ohnehin im Gruppenversicherungsvertrag Geregelte (wenn auch teils nur fragmentarisch und mit anderer Diktion) nochmals wiedergeben will, oder ob es sich (neben den ausschließlichen Versicherungsschutz-Regelungen des Gruppenversicherungsvertrages im Sinne Klausel 6) um ein weiteres ähnliches Regelwerk allein betreffend das Beitrittsverhältnis - mit diesfalls völlig unklaren Rechtsfolgen - handeln soll. Zu dieser Intransparenz nach § 6 Abs 3 KSchG kommt hinsichtlich Klausel 7 auch das gröblich Benachteiligende und Überraschende einer solchen Regelung im Sinne der erstgerichtlichen Rechtsauffassung hinzu. Wie der Berufungswerber selbst erkennt, mag der von der Klausel Begünstigte nach der Rechtslage sehr wohl zum Akzeptieren von Kopien „angehalten“ sein; gerade der Umstand, dass dem entgegen die Klausel eine solche Verpflichtung nicht enthält, führt laut OLG Wien zur dargelegten Gesetzwidrigkeit.

Folgende Klausel erachtete das OLG Wien als zulässig:

Klausel 3: „Der Versicherungsschutz regelt sich ausschließlich nach den Bestimmungen des Gruppenversicherungsvertrages, der zwischen den Vertragsgesellschaften und DSV aktiv/FdS vereinbart ist.“

Das Urteil ist nicht rechtskräftig (Stand: 3.11.2022).

OLG Wien 22.9.2022, 2 R 49/22y

Klagsvertreter: Dr. Stefan Langer, Rechtsanwalt in Wien

Zum News.

 

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

This could also be of interest:

OLG Wien: 48 unzulässige Timesharing-Klauseln

OLG Wien: 48 unzulässige Timesharing-Klauseln

Der VKI hatte die Hapimag AG wegen unzulässiger Klauseln in den AGB ihrer Timesharing-Verträge geklagt. Das OLG Wien erklärte nun alle 48 angefochtenen Klauseln für unzulässig. Wichtigster Aspekt des Urteils: Verbraucherrechtliche Bestimmungen kommen trotz „Aktionärsstatus“ der Kund:innen zur Anwendung.

OLG Wien: Dauerrabattklausel des Versicherers Allianz unzulässig

OLG Wien: Dauerrabattklausel des Versicherers Allianz unzulässig

Der VKI klagte im Auftrag der Arbeiterkammer Oberösterreich die Allianz Elementar Versicherungs AG wegen deren Dauerrabattklausel und deren Kündigungsklausel. Das OLG Wien gab dem VKI Recht und erklärte die Klauseln für unzulässig. Das Urteil ist rechtskräftig. Versicherungsnehmer:innen, die aufgrund der Dauerrabattklausel eine Nachforderung bezahlt haben, können diese nun zurückfordern.

OLG Graz: „Dauerrabatt“-Klausel der Grazer Wechselseitigen unzulässig

OLG Graz: „Dauerrabatt“-Klausel der Grazer Wechselseitigen unzulässig

Der VKI klagte im Auftrag des Sozialministeriums die Grazer Wechselseitige Versicherung AG wegen deren „Dauerrabattklausel“. Das OLG Graz gab dem VKI Recht und erklärte die Klausel – wie auch schon das Erstgericht – für unzulässig. Das Urteil ist rechtskräftig. Versicherungsnehmer:innen, die aufgrund der Laufzeitrabattklausel eine Nachforderung bezahlt haben, können diese nun zurückfordern.

VKI: OGH beurteilt Kreditbearbeitungsgebühr der WSK Bank als unzulässig

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hatte im Auftrag des Sozialministeriums die WSK Bank wegen unzulässiger Klauseln in ihren Kreditverträgen geklagt. Jetzt liegt die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes (OGH) vor: Dieser beurteilt diverse Gebühren und Spesenklauseln in den Kreditverträgen als unzulässig, darunter auch die Kreditbearbeitungsgebühr in Höhe von 4 Prozent. Betroffene Kund:innen der WSK Bank haben nach Ansicht des VKI Rückforderungsansprüche.

Timesharing-Anbieter Hapimag – 48 Klauseln unzulässig

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hatte die Hapimag AG wegen unzulässiger Klauseln in den AGB ihrer Timesharing-Verträge geklagt. Die Hapimag ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in der Schweiz, die ihren Mitgliedern Ferienwohnungen, Apartments und Hotels zur Verfügung stellt. Der VKI beanstandete 48 Bestimmungen in Geschäftsbedingungen, Reservierungsbestimmungen, Buchungsinformationen und den FAQs des Unternehmens. Das Handelsgericht Wien (HG Wien) erklärte nun alle 48 angefochtenen Klauseln für unzulässig. Wichtigster Aspekt des Urteils: Verbraucherrechtliche Bestimmungen kommen trotz „Aktionärsstatus“ der Kund:innen zur Anwendung. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

unterstützt durch das

Sozialministerium
Zum Seitenanfang