Zum Inhalt

Rentenoptionsklausel der Ergo Versicherung AG

Der VKI hatte im Auftrag des Sozialministeriums die Ergo Versicherung AG im Zusammenhang mit einer Rentenoptionsklausel geklagt.

Um bei einer Kapitalversicherung mit Rentenwahlrecht der Pflicht zur Vollständigkeit nach § 6 Abs 3 KSchG zu genügen, ist zwar eine konkrete Berechnung der Rente bei Vertragsabschluss nicht erforderlich. Erforderlich ist aber die Information der Versicherungsnehmer:innen darüber, welche konkreten Rechnungsgrundlagen zur Berechnung zur Anwendung kommen (zB Sterbetafel und Rechnungszins), welche Chancen und Risiken damit verbunden sind und dass eine von den im Anfallszeitpunkt geltenden Rechnungsgrundlagen abhängige Rente höher oder, wenn die durchschnittliche Lebenserwartung stärker steigt als angenommen, niedriger als die prognostizierte Rentenleistung sein kann.

Unzulässige Rentenwahlrechtsklausel

Klausel 1 (K1): „Wahlmöglichkeiten – Rentenwahlrecht und Kapitalwahlrecht. Unabhängig davon, ob Sie einen Versicherungsvertrag gewählt haben, der grundsätzlich eine Kapitalleistung im Erlebensfall oder Rentenleistungen vorsieht, haben Sie die Möglichkeit, entweder die Auszahlung der Kapitalleistung in verschiedenen Rentenformen nach den im Zeitpunkt der Fälligkeit der Kapitalzahlung geltenden Tarifen zu beanspruchen (weshalb die Höhe der Rente erst unmittelbar vor dem Rentenzahlungsbeginn garantiert werden kann und alle früher gemachten Zahlungsangaben unverbindlich sind). [...]“

Die Versicherungsnehmer:innen sind nach § 2 Abs 1 Z 4 LV-InfopflichtenVO 2018, der die produktbezogenen Aufklärungspflichten nach § 135c Abs 1 Z 1 VAG 2016 idF BGBl I 2018/16 konkretisiert, vor Vertragsabschluss zu informieren, dass sich die Rentenberechnung nach zwei Faktoren richtet, nämlich Sterbetafel und Rechnungszins. Ausgehend davon kann der Verweis auf einen Tarif in einer Klausel, die die Versicherungsnehmer:innen über die Rechnungsgrundlagen zur Berechnung einer auszuzahlenden Rente informieren soll, nur dann iSd § 6 Abs 3 KSchG als klar und verständlich angesehen werden, wenn die Zusammensetzung der Rechnungsgrundlage den Versicherungsnehmer:innen offengelegt wird. Dies trifft aber nicht zu, wenn die „zum Zeitpunkt der Fälligkeit geltenden Tarife“ überhaupt keine Erläuterung erfahren. Die Klausel ist insoweit iSd § 6 Abs 3 KSchG intransparent und damit unwirksam. Den Versicherungsnehmer:innen wird durch die fehlenden Angaben über die der Berechnung der Rente zugrunde liegenden Rechnungsgrundlagen und damit durch eine unvollständige Information kein klares Bild ihrer vertraglichen Position vermittelt. Aus dem Transparenzgebot ist eine Pflicht zur Vollständigkeit abzuleiten, wenn die Auswirkungen einer Klausel für die Verbraucher:innen andernfalls unklar bleiben. Dass die genauen Berechnungsgrundlagen bei Vertragsabschluss noch gar nicht feststehen können, ändert daran nichts.

Zulässige Geschäftspraxis: Angebot zum Rentenwahlrecht

Der beklagte Versicherer sendet jenen Kund:innen, deren Verträge die K1 enthalten, zum Ende der Vertragslaufzeit einen Vorschlag zur Ausübung des Rentenwahlrechts, nämlich Klausel 2 (K2): „Dieser Vorschlag stellt ein verbindliches Angebot unsererseits zum Rentenwahlrecht anstelle der einmaligen Kapitalauszahlung dar. Mit ihrer Unterzeichnung und rechtzeitigen Übermittlung an uns gilt das Rentenwahlrecht durch den Kunden als angenommen. Die Übermittlung erfolgt rechtzeitig, wenn dieses Angebot während der Laufzeit des Versicherungsvertrags spätestens eine Kalenderwoche vor der Fälligkeit unterschrieben bei uns einlangt, da andernfalls die Auszahlung der vereinbarten Kapitalleistung als Einmalzahlung erfolgt.“

Die Beklagte verlangt mit dem Angebot nicht den Abschluss eines „neuen“ Rentenversicherungsvertrags. Solches widerspräche gerade einem Grundelement für das Rentenwahlrecht, anstelle der Kapitalauszahlung und dem kostenträchtigen Neuabschluss (insb neuer Versicherungssteuer) mittels desselben Vertrags die Kapital‑ in eine Rentenleistung überzuführen. Es besteht auch kein Anhaltspunkt, dass sie dies in Zukunft verlangen würde, sodass es schon an einer diesbezüglichen Wiederholungs‑ oder Erstbegehungsgefahr fehlt. Vielmehr handelt es sich bei der Vereinbarung über eine Rentenleistung um eine Vertragsänderung.

Der Versicherungsvertrag und die Rentenwahlklausel enthalten keine ausreichende Ausgestaltung der vereinbarten Rentenhöhe. Die Versicherungsnehmer:innen habent zwar grds das Wahlrecht auf eine Rente, die diesbezügliche Vereinbarung ist aber unbestimmt und erfordert gerade eine entsprechende beiderseitige Einigung auf die später zum Tragen kommenden Konditionen. Infolge betraglicher Unbestimmtheit kann die Prämisse des Klägers, dass bereits die Optionserklärung einen konkreten Rentenanspruch auslöse, nicht geteilt werden. Zwar mag die K1 Auslöser der Vorgangsweise der Beklagten sein. Ausgehend von der mangelnden Bestimmtheit des Rentenanspruchs mit der Folge, dass eine Rentenwahl der Versicherungsnehmer:innen konkret gar nicht möglich wäre, ist aber ein später konkretisiertes Angebot der Beklagten zur Ausübung des Rentenwahlrechts durch die Versicherungsnehmer:innen nicht als verpönte Geschäftspraxis nach § 28a KSchG zu beurteilen.

Aus demselben Grund hält die Formulierung „verbindliches Angebot unsererseits zum Rentenwahlrecht“ der Klauselkontrolle Stand. Die Unbestimmtheit der Rentenhöhe aufgrund der seinerzeitigen Vertragslage erfordert eine – von beidseitigem Konsens getragene – spätere Einigung. Warum eine solche Vereinbarung nicht durch ein diesbezügliches „Angebot“ der Beklagten iSe Information über die möglichen Varianten – und dessen Auswahl durch die Versicherungsnehmer:innen – zustande kommen darf, ist nicht erkennbar.

Mit der Rentenwahlklausel soll den Versicherungsnehmer:innen nicht ein Gestaltungsrecht in dem Sinn, dass ein inhaltlich bereits festgelegtes Schuldverhältnis durch einseitige Erklärung in Gang gesetzt wird, eingeräumt werden, sondern diese erhalten das Recht, sich das angesparte Kapital bei Fälligkeit statt in der vereinbarten Form einer Einmalzahlung in Form einer Rente auszahlen zu lassen. Da aber die konkrete Rentenhöhe im Vorhinein nicht festgelegt werden kann und für die durchschnittlichen Versicherungsnehmer:innen wohl auch dann nicht errechenbar wäre, wenn die Rentenwahlklausel die Sterbetafel und den Zinsfuß enthalten würde, ist den Versicherungsnehmer:innen die Ausübung des Wahlrechts ohne Mitwirkung der Beklagten gar nicht möglich. Aus diesem Grund ist die Mitwirkung der Beklagten an der Entscheidung der Versicherungsnehmer:innen, insb in Form der Bekanntgabe der Höhe der Rente, nicht nur zulässig, sondern geboten. Das erkennt der Kläger auch selbst, wenn er in der Rentenwahlklausel eine Verpflichtung der Beklagten vermisst, den Versicherungsnehmer:innen rechtzeitig vor Vertragsablauf die Höhe der Rente samt deren Rechnungsgrundlagen bekannt zu geben, damit die Verbraucher:innen nach Erhalt dieser Informationen eine Entscheidung treffen können. Die vom Kläger geforderten Informationen (Rentenhöhe garantiert, Rentenhöhe inkl Gewinnbeteiligung und Erhöhungen, Rechnungszins, Hinweis auf gültige Sterbetafel usw) übermittelt die Beklagten den Versicherungsnehmer:innen mit den Angeboten Beilage ./2. Anhand dieser Informationen können die Versicherungsnehmer:innen ihre Entscheidung treffen, ohne dass es einer weiteren Zustimmung der Beklagten bedarf. Der Umstand, dass dieses Formblatt nicht mit „Informationsblatt“ oder dergleichen, sondern mit „Unser Vorschlag, Rentenwahlrecht zu Polizze Nr: [...], anstelle der einmaligen Kapitalauszahlung …“ bezeichnet ist, führt zu keiner Beeinträchtigung der Interessen der Verbraucher:innen, zumal die durch die Ausübung des Rentenwahlrechts bewirkte Umwandlung der ursprünglich vereinbarten Kapitalauszahlung in eine Rentenzahlung tatsächlich eine Vertragsänderung erfordert.

Dass die Beklagte die schriftliche Annahme ihres Angebots auf Rentenleistung eine Woche vor Fälligkeit (der Auszahlung der vereinbarten Kapitalleistung als Einmalzahlung) verlangt, ist im Hinblick auf die zeitgerechte Durchführung der Rentenzahlung weder nach § 879 Abs 1 ABGB noch nach § 879 Abs 3 ABGB zu beanstanden.

OGH 9.11.2022, 7 Ob 97/22y

Klagsvertreter: Dr. Stefan Langer, Rechtsanwalt in Wien

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

This could also be of interest:

OLG Wien: 48 unzulässige Timesharing-Klauseln

OLG Wien: 48 unzulässige Timesharing-Klauseln

Der VKI hatte die Hapimag AG wegen unzulässiger Klauseln in den AGB ihrer Timesharing-Verträge geklagt. Das OLG Wien erklärte nun alle 48 angefochtenen Klauseln für unzulässig. Wichtigster Aspekt des Urteils: Verbraucherrechtliche Bestimmungen kommen trotz „Aktionärsstatus“ der Kund:innen zur Anwendung.

OLG Wien: Dauerrabattklausel des Versicherers Allianz unzulässig

OLG Wien: Dauerrabattklausel des Versicherers Allianz unzulässig

Der VKI klagte im Auftrag der Arbeiterkammer Oberösterreich die Allianz Elementar Versicherungs AG wegen deren Dauerrabattklausel und deren Kündigungsklausel. Das OLG Wien gab dem VKI Recht und erklärte die Klauseln für unzulässig. Das Urteil ist rechtskräftig. Versicherungsnehmer:innen, die aufgrund der Dauerrabattklausel eine Nachforderung bezahlt haben, können diese nun zurückfordern.

OLG Graz: „Dauerrabatt“-Klausel der Grazer Wechselseitigen unzulässig

OLG Graz: „Dauerrabatt“-Klausel der Grazer Wechselseitigen unzulässig

Der VKI klagte im Auftrag des Sozialministeriums die Grazer Wechselseitige Versicherung AG wegen deren „Dauerrabattklausel“. Das OLG Graz gab dem VKI Recht und erklärte die Klausel – wie auch schon das Erstgericht – für unzulässig. Das Urteil ist rechtskräftig. Versicherungsnehmer:innen, die aufgrund der Laufzeitrabattklausel eine Nachforderung bezahlt haben, können diese nun zurückfordern.

VKI: OGH beurteilt Kreditbearbeitungsgebühr der WSK Bank als unzulässig

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hatte im Auftrag des Sozialministeriums die WSK Bank wegen unzulässiger Klauseln in ihren Kreditverträgen geklagt. Jetzt liegt die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes (OGH) vor: Dieser beurteilt diverse Gebühren und Spesenklauseln in den Kreditverträgen als unzulässig, darunter auch die Kreditbearbeitungsgebühr in Höhe von 4 Prozent. Betroffene Kund:innen der WSK Bank haben nach Ansicht des VKI Rückforderungsansprüche.

Timesharing-Anbieter Hapimag – 48 Klauseln unzulässig

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hatte die Hapimag AG wegen unzulässiger Klauseln in den AGB ihrer Timesharing-Verträge geklagt. Die Hapimag ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in der Schweiz, die ihren Mitgliedern Ferienwohnungen, Apartments und Hotels zur Verfügung stellt. Der VKI beanstandete 48 Bestimmungen in Geschäftsbedingungen, Reservierungsbestimmungen, Buchungsinformationen und den FAQs des Unternehmens. Das Handelsgericht Wien (HG Wien) erklärte nun alle 48 angefochtenen Klauseln für unzulässig. Wichtigster Aspekt des Urteils: Verbraucherrechtliche Bestimmungen kommen trotz „Aktionärsstatus“ der Kund:innen zur Anwendung. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

unterstützt durch das

Sozialministerium
Zum Seitenanfang