Im Strafprozess rund um Brustimplantate des französischen Herstellers PIP wurden heute in Aix en Provence die Schuldsprüche des Erstgerichts bestätigt. Der Gründer von PIP, Jean-Claude Mas, wurde wegen vorsätzlicher Täuschung und Betrug für schuldig erkannt und zu vier Jahren unbedingter Freiheitsstrafe verurteilt. Vier leitende Angestellte erhielten (teil-) bedingte Haftstrafen. Die Urteile sind nicht rechtskräftig.
Der Verein für Konsumenteninformation (VKI), der 69 Geschädigte aus Österreich beim Verfahren in Frankreich vertritt, begrüßt die Berufungsurteile und wird nach Rechtskraft der Urteile Schadenersatzansprüche bei einem französischen Fonds für Verbrechensopfer anmelden. So kann zumindest bis zu einem Höchstbetrag von 3.000 Euro für die Österreicherinnen Entschädigung erlangt werden.
Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) führt - im Auftrag des österreichischen Sozialministeriums - eine Sammelaktion für Österreicherinnen, die durch Brustimplantate der französischen Firma PIP (Poly Implant Prothèse) geschädigt wurden. 69 Frauen aus Österreich schlossen sich dem Strafverfahren gegen den Gründer von PIP und vier leitende Angestellte an. Die Gruppe der Österreicherinnen ist damit die größte Gruppe ausländischer Betroffener im französischen Strafverfahren. In Summe geht es für die österreichischen Geschädigten um rund 570.000 Euro.
Im Dezember 2013 verurteilte das Erstgericht in Marseille den Gründer von PIP und vier leitende Angestellte wegen vorsätzliche Täuschung und Betrug.
Das Berufungsgericht bestätigte erfreulicher Weise nun die Schuldsprüche. Der Gründer von PIP wurde zu vier Jahren unbedingter Haftstrafe verurteilt und erhielt damit die von der Staatsanwaltschaft geforderte Höchststrafe. Die vier leitenden Angestellten wurden zu (teil-)bedingten Haftstrafen verurteilt.
PIP hatte für seine Produkte offenbar billiges Industriesilikon verwendet. Die Folgen für hunderttausende Frauen weltweit waren platzende Implantate und Entzündungen, die einen raschen Austausch erforderten. Manche Ärzte rieten auch ohne akute Beschwerden zum Austausch der Implantate, was für die Betroffenen erneute Operationen, Schmerzen und Angst vor Folgeschäden bedeutete. Die aus dem mangelhaften Produkt entstandenen Schäden könnten die Betroffenen gegen den Hersteller geltend machen. Doch PIP ist
insolvent und - aus heutiger Sicht - ist damit für die Geschädigten dort nichts zu holen.
"Die Entscheidung des Berufungsgerichts ist für die betroffenen Frauen zunächst einmal eine Genugtuung. Es zeigt, dass Praktiken wie bei PIP nicht ungestraft bleiben", meint Juristin Ulrike Wolf, die gemeinsam mit der französischen Rechtsanwältin Sigrid Preissl-Semmer die heutige Urteilsverkündung in Aix en Provence für den VKI mitverfolgte. Die Berufungsurteile sind nicht rechtskräftig. Es steht noch ein Rekurs an das Höchstgericht offen. Nach Rechtskraft können die Geschädigten über den französischen Fonds SARVI (Service d´aide au recouvrement en faveur des victimes d´infractions) Anträge auf Entschädigung einbringen. Da sich die Täter als vermögenslos deklariert hatten, bleibt nur dieser Weg, um
zumindest einen Teil des Schadens ersetzt zu bekommen.
"SARVI ersetzt Höchstbeträge bis zu 3.000 Euro. Bei Schadenssummen, die sich im Einzelfall zwischen 4.000 und 20.000 Euro bewegen, ist das zwar nur ein Teil, aber jedenfalls mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein", erklärt VKI-Juristin Wolf. Die Zivilverfahren des VKI gegen den Haftpflichtversicherer der PIP - die Allianz Versicherung in Paris - und gegen den TÜV Rheinland (Deutschland) und TÜV Frankreich, die die Implantate zertifizierten, sind dagegen weiterhin anhängig.