Im Ausgangsverfahren hatte sich die deutsche Klägerin 2008 Silikonbrustimplantate des mittlerweile bankrotten französischen Herstellers Poly Implant Prothese (PIP) einsetzen lassen. Die französischen Behörden stoppten dann 2010 den Vertrieb, nachdem sie festgestellt hatten, dass die Implantate mit minderwertigem Industriesilikon befüllt waren.
Die Klägerin ließ sich deshalb auf ärztlichen Rat im Jahr 2012 ihre Implantate entfernen und fordert vom TÜV Rheinland 40.000 Euro Schmerzensgeld. In Deutschland sind nach Schätzung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) etwa 6.000 Frauen betroffen, weltweit sind es zehntausende.
In Österreich vertritt der Verein für Konsumenteninformation rund 70 betroffene Frauen.
Sollte der Gerichtshof der Empfehlung Sharpstons folgen, dürfte das in einigen Monaten erwartete Urteil auch von grundsätzlicher Bedeutung für den Umfang von Überwachungspflichten bei der Zulassung von medizinischen Produkten sein. Sharpston zufolge sollen Stellen, die - wie der TÜV Rheinland - das Qualitätssicherungssystem von Medizinproduktherstellern überwachen, für die Verletzung von Prüfpflichten gegenüber geschädigten Patienten grundsätzlich haften. Nach Ansicht der Generalanwältin durfte der TÜV zunächst aber davon ausgehen, dass der Implantatehersteller im Einklang mit seinem genehmigten Qualitätssicherungssystem arbeitete. Der TÜV sei deshalb nicht verpflichtet gewesen, Geschäftsunterlagen des Herstellers zu sichten oder unangemeldete Inspektionen durchzuführen.
Sobald der TÜV aber erfahren haben sollte, dass die Implantate fehlerhaft sein könnten, sei er ab diesem Moment auch zur Prüfung seiner Qualitätszertifizierung verpflichtet gewesen.
Ein entsprechendes Urteil des EuGH und seine Umsetzung durch den Bundesgerichtshof (BGH), der den Fall Luxemburg vorgelegt hatte, bedeutet aber nicht, dass tausende Frauen auf Schmerzensgeld vom TÜV Rheinland hoffen dürfen. Sharpston schlug wegen der womöglich schwerwiegenden wirtschaftlichen Auswirkungen ihrer Anträge vor, dass der Gerichtshof die zeitliche Wirkung seiner Entscheidung begrenzt.
(APA/AFP)
VKI: Der Vorschlag der zeitlichen Begrenzung der Entscheidung - erst ab Urteil und nicht rückwirkend - ist skurril. Würde der EuGH dem folgen, dann könnten die konkret geschädigten Frauen vom TÜV uU keinen schadenersatz erlangen. Dieser Schutz von Unternehmerinteressen geht - bedenkt man die schweren gesundheitlichen Auswirkungen - eindeutig zu weit.