Zum Inhalt

„Unfallfolgen“ in der Krankenzusatzversicherung

In einem Deckungsprozess gegen einen Versicherer aus einer Krankenzusatzversicherung heraus ging es um die Frage, ob eine Behandlung (Einsetzen eines künstlichen Kniegelenks) nach einem Unfall bei bestehender Vorerkrankung von der Versicherung umfasst ist, wenn wegen dieser Vorerkrankung mittel- bzw langfristig diese Behandlung ohnehin erforderlich gewesen wäre und die Versicherungsbedingungen keine Einschränkung des Schutzes bei Vorerkrankungen vorsahen.

Der Kläger hatte eine Krankenzusatzversicherung, der die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Krankheitskosten- und Krankenhaus-Tagegeldversicherung, Fassung 1999“ zugrunde lagen. Dort stand in Punk 1.1.a) ua „Versicherungsfall ist die medizinisch notwendige Heilbehandlung des Versicherten wegen Krankheit oder Unfallfolgen.“

Der Kläger, der schon länger an einer Gonarthrose (Schädigung des Gelenkknorpels) im linken Knie litt, stürzte und verletzte sich an diesem Knie. Er litt danach an starken Knieschmerzen und begab sich in eine Privatklinik, wo ihm ein paar Tage später ein künstliches Kniegelenk eingesetzt wurde. Dies wurde aufgrund der ausgeprägten Schmerzhaftigkeit und der bereits vorher bestandenen massiven Gonarthrose notwendig. Der Sturz des Klägers führte lediglich zu einem Gelenkserguss und zu einem Reizzustand, wodurch die vorhandene Arthrose aktiviert wurde. Auch ohne den Sturz wäre mittel- bzw langfristig eine Knieprothese notwendig gewesen.

Während die ersten beiden Instanzen die Deckungsklage gegen den Versicherer großteils abwiesen, gab ihr der OGH statt:

Nach der Einschätzung eines durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers gehört zum Vorliegen eines Unfalls grundsätzlich eine, wenngleich auch nur geringfügige, Verletzung des Versicherten. Hier hat der Kläger einen Sturz erlitten, durch den sein Knie verletzt wurde. Es liegt daher ein Unfall iSd Versicherungsbedingungen vor. Ohne den Unfall wäre die Einsetzung des künstlichen Kniegelenks beim bis dahin beschwerdefreien Kläger erst mittel- bis langfristig erforderlich geworden. Damit steht der Unfall als eine Ursache für das Einsetzen der Prothese zu diesem Zeitpunkt fest. Nach der Bedingungslage ist die Beklagte für Behandlungen deckungspflichtig, die Unfallfolgen sind, also für Behandlungen von Zuständen, die durch einen Unfall verursacht wurden.

Zu beurteilen ist hier ein Krankenzusatzversicherungsvertrag, bei dem die medizinisch notwendige Heilbehandlung des Versicherten wegen Unfallfolgen unbeschränkt zugesagt wird. Auf Vorschäden wird in der Bedingungslage in keiner Weise Bezug genommen. Sie unterscheidet sich damit von üblichen Klauseln in der Unfallversicherung, mit denen eine sachliche Begrenzung des Versicherungsschutzes insofern vorgesehen ist, als eine Versicherungsleistung nur für die durch den eingetretenen Unfall hervorgerufenen Folgen zu erbringen ist, der Versicherer also nur für die Folgen einzutreten hat, für die der Unfall (allein) kausal ist.

Es ist Sache des Versicherers ausdrücklich eine sachliche Beschränkung seiner Deckungszusage für Vorschäden zu vereinbaren, wenn er eine solche zur Anwendung bringen will. Unterlässt er dies, so kommt es darauf an, ob diese für den durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmer dennoch aus dem Gesamtzusammenhang klar erkennbar ist, was hier nicht der Fall ist.

Der durchschnittlich verständige Versicherungsnehmer fasst die uneingeschränkte Deckungszusage so auf, dass die Heilbehandlung als Folge eines Unfalls notwendig werden muss, also der Unfall zumindest auch kausal dafür war. Damit scheidet eine Begrenzung des Versicherungsschutzes bei allfälligen Vorschäden aus.

Da die Schmerzen im Knie des Klägers durch den Sturz, dh einen Unfall, aktiviert wurden und nur dadurch die Knieoperation zu diesem Zeitpunkt notwendig wurde, ist die Beklagte zur Deckung verpflichtet.

OGH 24.3.2021, 7 Ob 3/21y

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

Das könnte auch interessant sein:

OLG Wien: unzulässige Klausel eines Restschuldversicherers

OLG Wien: unzulässige Klausel eines Restschuldversicherers

Der VKI hatte im Auftrag des Sozialministeriums den Versicherer CNP Santander Insurance Europe DAC in einem Verbandsverfahren geklagt. Es handelt sich um eine Klausel, wonach die Leistung im Falle der Arbeitsunfähigkeit erstmalig an dem Fälligkeitstermin der Kreditrate erbracht wird, welcher dem Ablauf einer Frist von 6 Wochen ab Beginn der Arbeitsunfähigkeit folgt (=Karenzzeit). Die Klausel, auf die sich der Versicherer auch im Einzelfall berufen hat, um die Versicherungsleistung zu verweigern, wurde im Verbandsverfahren vom OLG Wien als unzulässig beurteilt, nachdem zuvor schon das HG Wien dem VKI recht gegeben hat. Das Urteil ist rechtskräftig.

VKI: Restschuldversicherer zahlt nach Klagseinbringung

VKI: Restschuldversicherer zahlt nach Klagseinbringung

Der VKI hatte im Auftrag des Sozialministeriums den Versicherer CNP Santander Insurance Europe DAC in einem Musterprozess geklagt. Eine Verbraucherin hatte für den Fall der Arbeitsunfähigkeit für einen Kreditvertrag eine Restschuldversicherung bei der CNP Santander Insurance Europe DAC abgeschlossen. Nachdem sie wegen Long Covid eine Zeit lang arbeitsunfähig war, zahlte der Versicherer nicht alle Kreditraten. Der Versicherer zahlte jedoch kurz nach der Klagseinbringung durch den VKI den gesamten Klagsbetrag. Die Klausel, auf die sich der Versicherer im Einzelfall berufen hat, um die Versicherungsleistung zu verweigern, wurde im Verbandsverfahren rechtskräftig für unzulässig erklärt.

VKI: OGH beurteilt Kreditbearbeitungsgebühr der WSK Bank als unzulässig

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hatte im Auftrag des Sozialministeriums die WSK Bank wegen unzulässiger Klauseln in ihren Kreditverträgen geklagt. Jetzt liegt die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes (OGH) vor: Dieser beurteilt diverse Gebühren und Spesenklauseln in den Kreditverträgen als unzulässig, darunter auch die Kreditbearbeitungsgebühr in Höhe von 4 Prozent. Betroffene Kund:innen der WSK Bank haben nach Ansicht des VKI Rückforderungsansprüche.

OGH beurteilt Kreditbearbeitungsgebühr der WSK Bank als unzulässig

OGH beurteilt Kreditbearbeitungsgebühr der WSK Bank als unzulässig

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hatte im Auftrag des Sozialministeriums die WSK Bank wegen unzulässiger Klauseln in ihren Kreditverträgen geklagt. Jetzt liegt die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes (OGH) vor: Dieser beurteilt diverse Gebühren und Spesenklauseln in den Kreditverträgen als unzulässig, darunter auch die Kreditbearbeitungsgebühr in Höhe von 4 Prozent. Betroffene Kund:innen der WSK Bank haben nach Ansicht des VKI Rückforderungsansprüche.

Timesharing-Anbieter Hapimag – 48 Klauseln unzulässig

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hatte die Hapimag AG wegen unzulässiger Klauseln in den AGB ihrer Timesharing-Verträge geklagt. Die Hapimag ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in der Schweiz, die ihren Mitgliedern Ferienwohnungen, Apartments und Hotels zur Verfügung stellt. Der VKI beanstandete 48 Bestimmungen in Geschäftsbedingungen, Reservierungsbestimmungen, Buchungsinformationen und den FAQs des Unternehmens. Das Handelsgericht Wien (HG Wien) erklärte nun alle 48 angefochtenen Klauseln für unzulässig. Wichtigster Aspekt des Urteils: Verbraucherrechtliche Bestimmungen kommen trotz „Aktionärsstatus“ der Kund:innen zur Anwendung. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

unterstützt durch das

Sozialministerium
Zum Seitenanfang