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Unzulässige automatische Vertragsverlängerung einer Skiversicherung

Der VKI hatte im Auftrag des Sozialministeriums den deutschen Verein „DSV aktiv/Freunde des Skisports e.V. im Deutschen Skiverband“ geklagt. Im Anlassfall ging es um die automatische Vertragsverlängerung bei einer Skiversicherung. Der Oberster Gerichtshof (OGH) beurteilte die zugrundeliegende sowie auch die übrigen sechs eingeklagten Klauseln für unzulässig.

Der Beklagte ist ein (Sport-)Verein nach deutschem Recht. Er hat einen Gruppenversicherungsvertrag mit drei in Deutschland ansässigen Versicherungsunternehmen geschlossen. Es gibt eine Mitgliedschaft ohne Versicherungsschutz und eine solche mit (unterschiedlichem Ausmaß an) Versicherungsschutz; im letzteren Fall bestimmt der Umfang des Versicherungsschutzes die Höhe des Mitgliedsbeitrags. Er bietet alle Formen der Mitgliedschaft auch in österreichischen Sportartikelgeschäften und in auf den österreichischen Markt ausgerichteten Onlineshops an.

Anwendbares Recht

Bei Unterlassungsklagen eines Verbraucherschutzverbands ist zwischen der Anknüpfung des Unterlassungsanspruchs einerseits und der Beurteilung der Zulässigkeit der Klauseln andererseits zu unterscheiden: Der Unterlassungsanspruch ist deliktsrechtlich zu qualifizieren, sodass das auf diesen Anspruch selbst anwendbare Recht nach Art 6 Abs 1 Rom II-VO zu ermitteln ist, was im vorliegenden Fall unstrittig zur Anwendung österreichischen Rechts führt. Der Beurteilungsmaßstab ist dagegen ein vertragsrechtlicher, weshalb sich das maßgebende Recht für die Beurteilung der Zulässigkeit der Klauseln nach der Rom I-VO richtet (EuGH C-191/15).

Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass der Ausnahmetatbestand gemäß Art 1 Abs 2 lit f Rom I-VO (Anm: Fragen betreffend das Gesellschaftsrecht, das Vereinsrecht und das Recht der juristischen Personen) nicht zur Anwendung kommt, zieht der Beklagte in der Revision zurecht nicht mehr in Zweifel.

Es stellt sich daher die Frage, welche konkrete Kollisionsnorm der Rom I-VO im vorliegenden Fall anzuwenden ist:

Art 7 Rom I-VO (Versicherungsverträge)

Bei der Gruppenversicherung wird durch einen Vertrag einer Mehrzahl versicherter Personen für eine diese gemeinsam treffende Gefahr Versicherungsschutz gewährt. Schließt der Versicherungsnehmer (Beklagter) – wie hier – den Versicherungsvertrag zu Gunsten der Gruppenmitglieder (hier Vereinsmitglieder mit Versicherungsschutz), wird dies als „echte Gruppenversicherung“ bezeichnet. Diese stellt eine besondere Form der Versicherung für fremde Rechnung dar. Bei der Versicherung für fremde Rechnung liegt aber zwischen Versicherungsnehmer und Versichertem kein Versicherungsvertrag vor, sodass Art 7 Rom I-VO auf dieses Rechtsverhältnis schon seinem Wortlaut nach nicht anwendbar ist. Vielmehr ist das Recht maßgeblich, das auf den zwischen Versicherungsnehmer und Versichertem bestehenden Vertrag oder auf das sonst zwischen ihnen bestehende Rechtsverhältnis anwendbar ist. Die Anwendbarkeit des Art 7 Rom I-VO auf das Verhältnis zwischen dem Beklagten als Gruppenversicherungsnehmer (Gruppenspitze) und seinen versicherten Mitgliedern ist daher unzweifelhaft zu verneinen.

Art 6 Rom I-VO (Verbraucherverträge)

Der sachliche Anwendungsbereich des Art 6 Rom I-VO ist weit gefasst. Grundsätzlich werden alle für Verbraucher denkbaren Vertragstypen erfasst. Lediglich negativ werden in Art 6 Abs 4, Art 5 und Art 7 Rom I-VO bestimmte – hier nicht relevante – Vertragstypen bzw Fallgruppen vom Anwendungsbereich der Norm ausgenommen.

Bei der Mitgliedschaft in dem Verein, bei der gegen Zahlung eines (zusätzlichen) Entgelts Versicherungsschutz in Form des Beitritts zu einem Gruppenversicherungsvertrag gewährt wird, handelt es sich ohne Zweifel um einen Vertrag iSv Art 6 Abs 1 Rom I-VO.

Im vorliegenden Fall liegt allein in der professionellen Akquise einer Vielzahl von (Ski-)Versicherungsbeitritten durch Verbraucher ohne Zweifel eine gewerbliche bzw berufliche Tätigkeit des Beklagten, zumal der Beklagte durch das Versicherungsangebot gegenüber Verbrauchern offenkundig seine Attraktivität steigern will, um dadurch erhöhten Zulauf und Mehreinnahmen durch Mitgliedsbeiträge zu lukrieren.

Anwendbarkeit KSchG

Auch ideelle Vereine treten als Unternehmer in diesem Sinn auf, wenn sie auf einem Markt wirtschaftlich relevante Tätigkeiten tatsächlich entfalten und hiefür auf Dauer organisatorisch eingerichtet sind; dabei schadet es nicht, dass die unternehmerische Tätigkeit dem (ideellen) Vereinszweck untergeordnet ist.

Wird eine Leistung nur den Vereinsmitgliedern aufgrund ihrer Mitgliedschaft angeboten, so wird dadurch mangels Außenauftritts (Marktauftritts) grundsätzlich keine Unternehmereigenschaft begründet. Anderes gilt allerdings in dem Fall, dass der Verein ein Massenverein mit entsprechender Vertriebsorganisation ist und die Mitglieder im Wesentlichen nur deshalb beitreten, weil sie an den angebotenen Leistungen, nicht aber an der Teilnahme am Vereinsleben interessiert sind. In diesem Fall entwickelt sich innerhalb des Vereins ein eigener Markt, auf dem die Mitglieder angesichts ihrer Anzahl als Marktgegenseite auftreten und für den idR eine eigene Vertriebsorganisation erforderlich ist. Dann handelt es sich nicht mehr um einen typischen Idealverein, sondern um einen unternehmerisch tätigen Rechtsträger. Beim Beklagten handelt es sich nicht um einen typischen Idealverein (Geselligkeitsverein), sondern um einen professionell auftretenden Marktteilnehmer, der seinen Mitgliedern unterschiedliche Dienstleistungen, wie insbesondere den Beitritt zu Gruppenversicherungsverträgen, anbietet.

Folgende Klauseln beurteilte das OLG Wien als unzulässig:

Die Mitgliedschaft und der Versicherungsschutz gelten ab dem Tag des Abschlusses für ein Jahr und verlängern sich nach Ablauf um ein Jahr und weiter von Jahr zu Jahr, wenn sie nicht mit einer Frist von drei Monaten zum jeweiligen Ablauf schriftlich gekündigt werden.“ (K 1)

Das Erstgericht führte aus, dass es für die Wirksamkeit einer Verlängerungsfiktion erforderlich sei, dass die in § 6 Abs 1 Z 2 KSchG vorgesehene Hinweispflicht des Verwenders in die AGB selbst aufgenommen werde. Da die Klausel diese Verpflichtungserklärung des Unternehmers nicht enthält, verstoße sie gegen § 6 Abs 1 Z 2 KSchG. Die Revisionsausführungen der Beklagten zur angeblichen Zulässigkeit der Klausel nach deutschem Recht gehen ins Leere, weil österreichisches Recht zur Anwendung gelangt.

Nur fristgerechte Beitragszahlung gewährleistet Versicherungsschutz ohne Unterbrechung.“ (K 2)

Das Berufungsgericht begründete die Unzulässigkeit der Klausel damit, dass Näheres zum Verzug und der dadurch herbeigeführten Unterbrechung völlig im Dunkeln bliebe, so etwa welche Zahlungsfrist einzuhalten sei. Somit sei schon nicht erkennbar, ob bzw wann eine Unterbrechung überhaupt eintrete. Da die Rechtslage jedenfalls unvollständig dargestellt werde, sei die Klausel intransparent. Entgegen der Ansicht des Beklagten dient diese Klausel keineswegs nur der Aufklärung, sondern ordnet bei der gebotenen kundenfeindlichsten Auslegung an, dass bei nicht fristgerechter Beitragszahlung kein Versicherungsschutz besteht. Gegen die vom Berufungsgericht angenommene Intransparenz wendet sich der Beklagte in seiner Revision nicht.

Der Versicherungsschutz regelt sich ausschließlich nach den Bestimmungen des Gruppenversicherungsvertrages, der zwischen den Vertragsgesellschaften und DSV aktiv/FdS vereinbart ist.“ (K 3)

Die Klausel ist intransparent. In ihr wird auf den Inhalt des Gruppenversicherungsvertrags verwiesen, obwohl dem Verbraucher dieser bei Abgabe der Willenserklärung nicht bekannt ist. Vielmehr erhalten die Verbraucher:innen erst nach Vertragsabschluss die Versicherungsbedingungen und ein „Merkblatt“, sodass sie sich erst zu diesem Zeitpunkt von Inhalt und Umfang des Versicherungsschutzes Kenntnis verschaffen können. Selbst wenn das „Merkblatt“ online auf der Website des Beklagten abrufbar wäre und somit die (theoretische) Möglichkeit bestünde, dass die Verbraucher:innen sich darüber auch schon vor Abgabe seiner zum Vertragsabschluss führenden Willenserklärung informieren könnten, vermag dies die Klausel nicht transparent zu machen. Die Verbraucher:innen wären damit nämlich gezwungen, sich die notwendigen Informationen aus den vom Beklagten verwendeten Vertragsformblättern und dem im Internet abrufbaren „Merkblatt“ zusammenzusuchen, um vor der Abgabe seiner Willenserklärung hinreichende Informationen zur „Mitgliedschaft einschließlich Versicherungsschutz“ zu bekommen; auch dies widerspricht jedoch dem Transparenzgebot.

Werden Leistungen oder Beiträge auch für bestehende Versicherungen zum jeweiligen Beginn eines Beitrags-/Versicherungsjahres geändert, so gelten diese als anerkannt, wenn der fällige Beitrag nach Bekanntgabe der Änderung gezahlt wird.“ (K 4)

Bei der gebotenen kundenfeindlichsten Auslegung der Klausel anerkennt der Verbraucher allein durch einmalige Zahlung den geänderten Mitgliedsbeitrag, was dem strengen Maßstab des § 863 ABGB widerspricht. Die Klausel ist daher als Erklärungsfiktion im Sinn von § 6 Abs 1 Z 2 KSchG zu werten.

Sämtliche Schadensfälle sind unverzüglich zu melden.“ (K 5) „Ein Diebstahl muss zusätzlich unverzüglich auch der zuständigen Polizeidienststelle angezeigt werden.“ (K 6)

Eine Formulierung ist grundsätzlich unbedenklich, wenn sie keine Willenserklärung des Verbrauchers enthält, sondern bloß dessen Aufklärung dient. Dies gilt aber nicht, wenn die Klausel dahin verstanden werden kann, dass der Verbraucher – wie hier – über eine Regelung (Meldepflicht) nicht bloß informiert wird, sondern ihr – durch Akzeptieren der AGB – auch zustimmt. Zunächst ist schon völlig unklar, warum derartige Regelungen, die nach dem Vorbringen des Beklagten ohnehin Inhalt des Gruppenversicherungsvertrags bzw des VersVG sind, zusätzlich in das Vertragsverhältnis zwischen dem Beklagten und seinen Mitgliedern – das ja gerade kein Versicherungsvertrag ist – Eingang finden. Hinzukommt, dass der Verbraucher über die Rechtsfolgen bei Verletzung dieser Meldepflichten im Unklaren gelassen wird. Beide Klauseln sind daher wegen Verstoßes gegen § 6 Abs 3 KSchG unzulässig.

Für die Abwicklung von Beschädigung- und Diebstahlfällen benötigen Sie den Originalkaufbeleg.“ (K 7)

Bei der gebotenen kundenfeindlichsten Auslegung schließt die Klausel die Geltendmachung von Ansprüchen bei Beschädigung und Diebstahl gänzlich aus, wenn der Verbraucher über keinen Originalbeleg verfügt. Dass dies sachlich nicht gerechtfertigt ist, ist evident. Die Klausel ist daher gemäß § 879 Abs 3 ABGB nichtig.

OGH 21.2.2023, 7 Ob 206/22b

Klagsvertreter: Dr. Stefan Langer, Rechtsanwalt in Wien

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