Im Verfahren versuchte die Beklagte eine inhaltliche Prüfung der Klauseln mit zwei vorangestellten Argumenten zu verhindern.
Erstens argumentierte die Beklagte, dass die klagsgegenständlichen Klauseln die Hauptleistungen regeln und folglich keiner Prüfung gem § 879 Abs 3 ABGB zugänglich seien. Zweitens bestritt die Beklagte, dass das E-GeldG anwendbar ist und stützte sich auf die Ausnahmebestimmung 3 Abs 3 Z 11 lit a zweiter Fall ZaDiG 2018.
Zur Prüfung gem § 879 Abs 3 ABGB:
Der OGH führte aus, dass die vertragstypische Leistung in der Einlösungsmöglichkeit des Guthabens der Wertkarten in den Geschäften der Vertragspartner der Beklagten liegt. Mit den gegenständlichen Klauseln wird die Abgeltung der Rücktausch- und Bereithaltungsverpflichtung der Beklagten, als vertragliche Nebenpflichten, geregelt. Die dafür zu zahlenden Entgelte stehen in keinem Austauschverhältnis zur Ausfolgung der auf einen bestimmten Betrag lautenden Wertkarte, handelt es sich doch bei der Vereinbarung eines „Entgelts“ für den Rücktausch nach den §§ 18, 19 E-Geldgesetz nicht um ein Entgelt im engeren Sinn, das einen Gewinnanteil enthält, sondern nur einen pauschalierten Aufwandersatzanspruch.
Der OGH beurteilte die hier vorliegenden Rücktausch- und Bereithaltungspflichten isoliert von der Hauptleistungspflicht der Verschaffung der Einlösungsmöglichkeit der Wertkarten und qualifizierte sie als Nebenpflichten, die der Inhaltskontrolle des § 879 Abs 3 ABGB zugänglich sind.
Auch das Argument, die Klauseln wären nicht gem § 879 Abs 3 ABGB gröblich benachteiligend, weil die Karten unentgeltlich erworben werden können, verwarf der OGH, weil das Guthaben durch die gegenständlichen Entgelte gänzlich aufgezehrt werden kann, womit eine grobe Äquivalenzstörung begründet wird.
Zur Nichtanwendbarkeit des E-GeldG und des ZaDiG 2018:
Die Beklagte bestritt, dass das E-GeldG anwendbar ist und stützte sich auf die Ausnahmebestimmung § 3 Abs 3 Z 11 lit a zweiter Fall ZaDiG 2018. Diese Ausnahmebestimmung bezieht sich auf Dienste, die auf bestimmten nur begrenzt verwendbaren Zahlungsinstrumenten beruhen (begrenzte Netze), die die Bedingung erfüllen, dass die Instrumente ihrem Inhaber gestatten, Waren oder Dienstleistungen lediglich in den Geschäftsräumen des Emittenten oder innerhalb eines begrenzten Netzes von Dienstleistern im Rahmen einer Geschäftsvereinbarung mit einem professionellen Emittenten zu erwerben.
Der OGH urteilte, dass die gegenständlichen Wertkarten nicht unter die genannten Ausnahmebestimmung fallen, da zwei der – räumlich getrennten – Einkaufszentren, welche die Wertkarten der Beklagten nutzen, eine einheitliche, gemeinsame Gutscheinkarte verwenden, sodass diesbezüglich nicht mehr von einem begrenzten Netz von Dienstleistern ausgegangen werden kann (vgl auch 4 Ob 252/14h). Dieses Ergebnis wird auch dadurch gestützt, dass die Verwendung der Karte nicht auf ein eingeschränktes Produktsortiment reduziert ist, das heißt, auf keine feste Zahl funktional verbundener Waren oder Dienstleistungen abzielt (vgl RL [EU] 2015/2366 ErwGr 13). Die Charakteristik der Karten als universell in zwei Einkaufszentren einsetzbares Zahlungsmittel zeigt, dass die Gutscheinkarten der Beklagten das Potenzial haben, als Zahlungsmittel für einen beliebig erweiterbaren Kreis von Unternehmen und unterschiedlichen Waren und Dienstleistungen zu dienen. Der OGH verneinte daher die – von der Beklagten begehrten – Einschränkung des Urteils auf die Gutscheinkarten der konkreten beiden Einkaufszentren.
Klausel 1 – Entgelt für Rücktausch
Klausel 1:
„7.3. Das Guthaben auf der Wertkarte kann bei der Bank zur Gänze zurückgetauscht werden. Der Rücktausch des Guthabens erfolgt innerhalb eines Jahres nach Ablauf der Gültigkeitsdauer der Wertkarte unentgeltlich. Wird der Rücktausch vor Ablauf der Gültigkeitsdauer der Wertkarte oder nach mehr als einem Jahr nach Ablauf der Gültigkeitsdauer der Wertkarte verlangt, hat der Karteninhaber für den Rücktausch ein Entgelt gemäß Punkt 10.2. zu zahlen.
[…]
10.2. Für den Rücktausch von Guthaben: 5 % des rückgetauschten Betrages, mind. EUR 2,00, max. EUR 5,00, wenn der Karteninhaber
10.2.1. den Rücktausch vor dem Ende der Gültigkeit der Wertkarte verlangt oder
10.2.2. den Rücktausch nach mehr als einem Jahr nach Ende der Gültigkeit der Wertkarte (Punkt 2) verlangt.“
Wie bereits einleitend klargestellt argumentierte der OGH, dass derartige Entgelte der Inhaltskontrolle nach § 879 Abs 3 ABGB unterliegen und demnach gröblich benachteiligend sein können. Mit Ablauf der Gültigkeitsdauer der Karte endet das Vertragsverhältnis zwischen der Beklagten und dem Karteninhaber und die Beklagte hat nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen ein allenfalls noch vorhandenes Kartenguthaben auszufolgen. Dabei wird sie in Erfüllung einer gesetzlichen Verpflichtung tätig, für die sie grundsätzlich kein Entgelt verlangen darf (vgl 9 Ob 8/18v). Zulässig wäre bloß, die konkret durch den Rücktausch verursachten Kosten zu begehren (vgl 4 Ob 227/06w, 4 Ob 112/04f, Telefonwertkarte).
Für den OGH war es im vorliegenden Fall nicht ersichtlich, warum es – abweichend vom grundsätzlich bestehenden Recht, mit einem Gutschein Waren innerhalb von 30 Jahren zu beziehen – einer derart kurzen Frist von einem Jahr zur Einlösung des Guthabens und bloß eines weiteren Jahres für die kostenfreie Rücktauschmöglichkeit bedarf. Bereits darin liegt eine gröbliche Benachteiligung der Vertragspartner der Beklagten. Diese ergibt sich aber auch aus den festgesetzten Beträgen für den Rücktausch, vor allem aus dem Mindestentgelt in Höhe von 2 EUR, zumal dies bei einem (Mindest-)Gutscheinbetrag von 10 EUR zu einer Gebühr von 20 % des gesamten Gutscheinwerts führt, wofür eine sachliche Rechtfertigung fehlt.
Diese Unverhältnismäßigkeit folgt auch aus § 19 Abs 2 E-Geldgesetz. Demnach sind Entgelte für den Rücktausch nur zulässig, wenn sie vorher wirksam gemäß Abs 1 vertraglich vereinbart worden und verhältnismäßig sind und in einem angemessenen Verhältnis zu den tatsächlich entstandenen Kosten des E-Geld-Emittenten stehen. Das Gesetz ordnet damit ausdrücklich eine zweifache Verhältnismäßigkeit an, sodass das vereinbarte Entgelt auch hinsichtlich der vom E-Geld-Emittenten erbrachten Leistung (Höhe des rückzutauschenden Betrags) verhältnismäßig sein muss. Es darf daher kein bestimmter pauschaler absoluter Betrag bzw eine Mindestgrenze vereinbart werden, das vereinbarte Entgelt muss sich vielmehr zwangsläufig auch am jeweils rückgetauschten Betrag orientieren und ist insofern als Prozentsatz dieses Betrags festzulegen.
Klausel 2 – Bereithaltungsentgelt
Klausel 2:
„10.5. Für das Bereithalten eines nach dem Ende der Gültigkeit der Wertkarte (Punkt 2) noch vorhandenen Guthabens, wird ein monatliches Bereithaltungsentgelt verrechnet:
monatlich EUR 2,00
Das Entgelt wird vom auf der Wertkarte verfügbaren Guthaben abgezogen, bis das Guthaben aufgebraucht ist. Die Verrechnung erfolgt monatlich im Nachhinein. Das bedeutet, dass das Entgelt imNachhinein. [sic] Das bedeutet, dass das Entgelt im Folgemonat für den vorangegangenen Monat angelastet wird. Die Bank ist berechtigt, das Entgelt für jeden begonnenen Monat ab dem Ende der Gültigkeitsdauer der Wertkarte zu verrechnen, wobei die Bank für die ersten 3 Monate ab Ende der Gültigkeitsdauer das Entgelt nicht verrechnen wird. Der Karteninhaber ist jederzeit berechtigt, einen Rücktausch seines Guthabens gemäß Punkt 7.3. anzufordern.“
Auch diese Klausel enthält für den Inhaber der Gutscheinkarte eine (gröblich) nachteilige Bestimmung im Sinn des § 879 Abs 3 ABGB. Die Frist von zwölf Monaten (wie auch eine Frist von 15 Monaten, in der eine abzugsfreie Verfügung möglich ist) ist nach Maßgabe der ständigen Rechtsprechung zu einschlägigen Sachverhalten unangemessen kurz.
Auch wenn im vorliegenden Fall zwar kein Verfall des Kartenguthabens nach Ablauf der Gültigkeitsdauer von zwölf Monaten vorgesehen ist, wird ab dem vierten Monat nach Ende der Gültigkeitsdauer ein „monatliches Bereithaltungsentgelt“ von 2 EUR verrechnet. Vergisst daher der Karteninhaber darauf, die Karte zu verwenden, so führt diese Gebühr dazu, dass sich das Kartenguthaben jährlich um 24 EUR vermindert, was eine „Aufzehrung“ des Guthabens (von 10 bis 150 EUR) binnen kurzer Zeit mit sich bringt. Für diesen schleichenden Verfall besteht keinerlei sachliche Rechtfertigung.
Klausel 2 verstößt auch gegen § 18 Abs 1 und gegen § 19 Abs 4 E-Geldgesetz. Nach § 18 Abs 1 E-Geldgesetz hat der Emittent dem Inhaber auf Verlangen jederzeit den monetären Wert des gehaltenen E-Geldes zum Nennwert, unter Berücksichtigung von § 19 E-Geldgesetz zu erstatten. Soweit in Vereinbarungen zulasten von E-Geld-Inhabern abgewichen wird, sind diese Bestimmungen unwirksam. Zu 4 Ob 252/14h wurde bereits ausgesprochen, dass die Rechtsprechung, wonach eine Verkürzung der Verjährungsfrist – bei Vorliegen eines sachlichen Grundes und keiner übermäßigen Erschwerung der Anspruchsverfolgung – auch in AGB zulässig ist (RS0034782; RS0034404; RS0016688), bei Geltung des E-Geldgesetzes nicht anwendbar ist, zumal § 18 Abs 1 E-Geldgesetz ausdrücklich vorsieht, dass vom jederzeitigen (mithin mindestens 30 jährigen) Erstattungsrecht des E-Geld-Inhabers zu dessen Lasten nicht abgewichen werden darf. § 18 Abs 1 E-Geldgesetz ist damit lex specialis zu § 1502 ABGB, der nur dann zur Anwendung kommt, wenn nicht gegen zwingende gesetzliche Bestimmungen verstoßen wird (RS0034404). Da dies hier der Fall ist, ist die Klausel jedenfalls unzulässig.
Die Verrechnung des monatlichen Bereithaltungsentgelts ab dem vierten Monat ab Ende der Gültigkeitsdauer der Wertkarte, die den „schleichenden Verfall“ des Guthabens bewirkt, ist mit § 18 Abs 1 E-Geldgesetz nicht vereinbar.
Nach § 19 Abs 4 E-Geldgesetz ist dem E-Geldinhaber bei einem Rücktausch bis zu einem Jahr nach Vertragsablauf der gesamte Nennwert des gehaltenen E-Geldes zu erstatten. Da im vorliegenden Fall gemäß der Klausel 2 bereits ab dem vierten Monat ab Ende der Gültigkeitsdauer ein monatliches Bereithaltungsentgelt vorgesehen ist, wird damit auch gegen diese Bestimmung des E-Geldgesetzes verstoßen.
Klausel 3 – Zusatzentgelte
Klausel 3:
„11.1. Es ist möglich, dass einzelne Händler zusätzlich zum Entgelt für ihre Leistungen weitere Entgelte für die Akzeptanz der Wertkarte berechnen.2
Im vorliegenden Fall kann die Klausel bei der gebotenen kundenfeindlichsten Auslegung dahin verstanden werden, dass der Verbraucher der Verrechnung – nicht näher definierter – „weiterer Entgelte“ durch Händler zustimmt und die Beklagte damit jeglicher Pflicht enthebt, auf eine entgeltfreie Akzeptanz der gerade für den Einkauf bei „teilnehmenden Händlern des Akzeptanznetzwerkes“ (vgl Pkte 1.1. und 1.5. AGB) hinzuwirken. Dies wird gerade auch durch den – nicht angefochtenen – darauffolgenden Satz („Die Bank hat darauf keinen Einfluss ...“) deutlich. Die Klausel ist daher der Kontrolle nach §§ 28 f KSchG unterworfen.
Hier bleibt unklar, um welche Entgelte welcher Händler es sich handelt, um wie viele – die Klausel verwendet den Plural –, und vor allem in welcher Höhe solche Entgelte „für die Akzeptanz der Wertkarte“ anfallen können. Es bleibt damit unklar, ob und unter welchen Bedingungen das Guthaben in der angegebenen Höhe im „Akzeptanznetzwerk“ werthaltig ist. Die Klausel ist daher schon aus diesem Grund intransparent, sodass auf Fragen des § 56 Abs 3 ZaDiG 2018 und der gröblichen Benachteiligung gem § 879 Abs 3 ABGB nicht mehr eingegangen werden muss.
Leistungsfrist:
Der Beklagten wurde eine Leistungsfrist von sechs Monaten eingeräumt.
OGH, 25.04.2023 4 Ob 232/22d
Klagsvertreter: Dr. Stefan LANGER, Rechtsanwalt in Wien
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Anmerkung:
Aus Sicht des VKI haben Verbraucher:innen – nach Ablauf der vom Gericht zugesprochenen sechsmonatigen Leistungsfrist für die Urteilsumsetzung – Anspruch auf Rückerstattung der nun zu Unrecht bezahlten Entgelte.