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Urteil: Aggressive und irreführende Geschäftspraktik vom "Österreichischen Münzkontor"

Der VKI hatte im Auftrag des Sozialministeriums das "Österreichische Münzkontor" (eigentlich HMK V AG) geklagt. Hauptgegenstand des Verfahrens waren die Vertriebsmethode und die Bewerbung der Münzen und Medaillen als Anlageprodukt. Der OGH stuft das vom Münzkontor eingesetzte Vertriebssystem des sogenannten Sammler-Services als aggressive Geschäftspraktik ein und sieht in der Bewerbung der Medaillen und Münzen als Anlageobjekte eine irreführende Werbung, weil eine Wertsteigerung bei diesen Produkten nicht zu erwarten ist.

1.)    Vertriebsmethode: "Sammler-Service"
Das Geschäftsmodell des Österreichischen Münzkontors stellt darauf ab, durch eine einzelne Bestellung einen Mechanismus ("Sammler-Service") auszulösen, bei dem der Kunde laufend weitere Münzen und Medaillen zugesendet bekommt und diese entweder zahlen und behalten oder innerhalb einer Frist zurückschicken muss. Dabei sind auf der Bestellkarte lediglich Adresse und Unterschrift einzusetzen, während alles andere bereits vorausgefüllt ist und sich die Bedingungen für die Bestellung und dem damit verbundenen Beginn des Sammler-Services erst aus dem Kleinstdruck im Fließtext ergeben.
Die Koppelung der Bestellung eines Produkts an die Inanspruchnahme des "Sammler-Services" wird nicht deutlich kommuniziert. Diese Methode der Beklagten, mit der einem Kunden weitere Lieferungen zugestellt werden, die nur durch rechtzeitige Rücksendung der Ware abgewendet werden kann, ist als unlautere Beeinflussung eine relevante Belästigung iSd § 1a UWG; dem Kunden wird dadurch nämlich der weitere Erwerb von nicht bestellten Waren aufgedrängt.

Ein Kunde, der sich mit der Zusendung der von ihm konkret bestellten Münzen begnügt hätte, läuft Gefahr, die Zusendung weiterer Waren allein deshalb akzeptieren zu müssen, weil er die Rücksendungsfrist versäumt hat oder er sich den Aufwand einer fristgerechten Ablehnung wegen der damit verbundenen Unannehmlichkeiten ersparen wollte.

Die vom Kunden zu unterschreibende Bestellkarte der Beklagten fällt wegen der dort vorgedruckten Vertragserklärungen unter den Begriff des Vertragsformblatts iSd § 6 Abs 3 KSchG. Der Inhalt der Karte ist jedenfalls insoweit intransparent, als nicht klar erkennbar ist, wie häufig und über welchen Zeitraum der Kunde welche Waren zu welchem Preis erhalten wird.

2.)    Unzulässige Klauseln
a) "Mir werden außerdem regelmäßig die begehrtesten Raritäten meiner Edition [...] unverbindlich angeboten. Diese werden mir ca. alle vier Wochen mit 10% Preisvorteil gegenüber dem Einzelkauf zur Ansicht vorgelegt, selbstverständlich auch jeweils mit garantiertem Rückgaberecht."
b) "Wenn Sie einen Artikel inklusive Sammler-Service bestellen, bedeutet dies, dass Sie weitere Ausgaben zu dieser Serie automatisch (zumeist in monatlichen Abständen) zur Ansicht erhalten (Kauf auf Probe), d.h. Sie können gelieferte Ware ohne Angabe von Gründen innerhalb von 27 Tagen nach Erhalt der Ware zurückgeben."
c) "Wenn Sie einen Artikel inkl. Sammler-Service bestellen, bedeutet dies, dass Sie weitere Ausgaben zu dieser Serie automatisch (meist in monatlichen Abständen) zur Ansicht erhalten (Kauf auf Probe), d.h. Sie können gelieferte Ware ohne Angabe von Gründen innerhalb von 6 Tagen nach Erhalt der Ware zurückgeben. Der Kaufvertrag wird bei diesen Editions-Lieferungen ab Erhalt der Ware erst durch Ihre Billigung wirksam, spätestens jedoch nach Ablauf der 6-tägigen Ansichtsfrist. Die Billigung gilt als erfolgt, wenn Sie uns innerhalb dieser Frist weder eine Nachricht in Textform zukommen lassen noch die gelieferte Ware zurückschicken. Nach Billigung steht Verbrauchern darüber hinaus das nachfolgende unter Punkt 4. beschriebene Widerrufsrecht uneingeschränkt zu, sodass Sie immer mindestens 27 Tage Zeit haben für Ihre endgültige Entscheidung."

Der OGH ging inhaltlich auf die Klauseln nicht ein, da sich auch die Revision der Beklagten nicht im Ansatz damit auseinandersetzte. Das Erstgericht hatte zu den Klauseln einen Verstoß gegen § 864 Abs 2 ABGB, § 864a ABGB und § 6 Abs 3 KSchG bejaht.

3.)    Keine Verletzung der Informationspflichten über wesentliche Eigenschaften
Der VKI machte einen Verstoß gegen § 4 Abs 1 Z 1 FAGG (Informationspflicht über die wesentlichen Eigenschaften einer Ware bei Fernabsatz- bzw Auswärtsgeschäften) bzw § 2 Abs 4 UWG (Irreführung durch Unterlassung) geltend, da nach Ansicht des VKI unzulässigerweise nicht darauf hingewiesen wird, wer die Prägung der von ihr angebotenen Medaillen und/oder Münzen beauftragt und/oder wer die von ihr angeführten Limitierungen gesetzt hat. Nach Ansicht des VKI mache es für den wahren Wert und die Werthaltigkeit der angebotenen Produkte einen maßgeblichen Unterschied, ob der Verkäufer selbst die Prägung beauftragt habe (und damit auch die Limitierung setze) oder ob der Auftraggeber eine offizielle Prägestätte sei.

Für den OGH wird durch die beanstandete Geschäftspraktik keine wesentliche Information iSd § 2 Abs 4 UWG verschwiegen. Die Kunden der Beklagten können davon ausgehen, dass diese ihre beworbenen und vertriebenen Produkte selbst prägen lässt. Auch hinsichtlich der Limitierung ist aus den Werbeaussagen und Angeboten der Beklagten nicht abzuleiten, dass diese von dritter Seite festgesetzt wurde. Damit lässt sich für den Verkäufer von Münzen keine Informationspflicht begründen, über die Umstände der Limitierung aufzuklären.

Die Beurteilung der Frage, ob über wesentliche Eigenschaften einer Ware nach § 4 Abs 1 FAGG aufzuklären ist, deckt sich mit der Prüfung des § 2 Abs 4 UWG ("wesentliche Informationen"). Angaben zum Auftraggeber der Prägung bzw zum Urheber der Limitierung betreffen im Anlassfall nicht das Tatbestandsmerkmal der wesentlichen Eigenschaften der Ware.

4.)    Keine Nachahmung
Der Kläger warf der Beklagten hier vor, sie bezeichne und gestalte ihre Produkte so, dass sie den Münzsammlungen der Münze Österreich AG verwechselbar ähnlich seien. Das betreffe nach Ansicht des Klägers etwa das Münzset "Kronen der Habsburger", das stark an ein Set der Münze Österreich AG angelehnt sei. Im Gegensatz zu diesem bestünden die Produkte der Beklagten nicht aus Gold, sondern aus Kupfer.

Der OGH verneinte ein Imitationsmarketing (§ 2 Abs 3 Z 1 UWG): Imitationsmarketing setzt Verwechslungsgefahr voraus, dh der Durchschnittsverbraucher könnte aufgrund der konkreten Aufmachung eines Produkts annehmen, es stamme aus einem anderen Unternehmen. Das wiederum setzt voraus, dass ein nicht unerheblicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise die nachgeahmte Gestaltung kennt und als Hinweis auf die Herkunft aus einem anderen Unternehmen versteht. Im Ergebnis ist daher für Unterlassungsansprüche nach § 2 Abs 3 Z 1 UWG Verkehrsgeltung der Ausstattung oder des sonst zur Kennzeichnung verwendeten Zeichens erforderlich. Der behauptungs- und beweispflichtige Kläger hat kein Vorbringen erstattet, aus dem sich ableiten lässt, der Aufmachung der von der Münze Österreich AG herausgegebenen Münzsammlung komme Verkehrsgeltung zu.
Mangels Verkehrsbekanntheit der fremden Produktaufmachung scheidet auch eine Irreführung über die wesentlichen Merkmale des Produkts iSd § 2 Abs 1 Z 2 UWG durch die Aufmachung des Münzsets der Beklagten aus.

5.)    Irreführung über die Eignung der Medaillen und Münzen als Anlageobjekte
Die Beklagte hob die Anlagesicherheit und die Werthaltigkeit der Produkte ("Kostbarkeiten") hervor, wobei hier vor allem auf das (vermeintlich) verwendete Edelmetall (Gold, Silber) hingewiesen wurde. Mehrfach wird eine damit verbundene Wertbeständigkeit und Wertsteigerung behauptet. Eine Wertsteigerung ist aber nicht zu erwarten.

Das Zielpublikum, vor allem ältere Personen denen Gold- und Silbermünzen als Krisenwährung nach wie vor sehr präsent sind, schenkt den Werbeaussagen der Beklagten hinsichtlich der Eignung der von ihr angebotenen Münzen und Medaillen als Anlageobjekt, als Krisenwährung und den oft genannten Wertzuwachschancen Glauben. Verbraucher bestellen bei der Beklagten für sich oder ihre Nachkommenschaft Münzen und Medaillen als Wertanlage, die tatsächlich einen Bruchteil der bezahlten Preise wert sind und weder jetzt noch in Zukunft der Vermögensanlage dienen. Betroffen sind vor allem ältere Personen oder deren Erben. Einzelne Verbraucher bezahlten zwischen 20.000 EUR und 30.000 EUR an die Beklagte, nahmen für die vermeintlich wertvolle Sammlung einen Kredit auf und mieteten einen Safe an. Das Dorotheum hat eine "Sammlung" einer Konsumentin, die dafür aus ihren Ersparnissen 20.889,30 EUR an die Beklagte bezahlt hat, mit dem Material- und dem Belehnwert geschätzt: Der Materialwert beträgt 669,77 EUR, der Belehnwert 517,78 EUR.

Im Fokus des Werbeauftritts der Beklagten steht der auf Edelmetall zurückgeführte Wert der Produkte, wobei auf die damit verbundene Wertbeständigkeit und die zu erwartende Wertsteigerung offensiv hingewiesen wird. Der OGH bestätigte hier die Irreführung über die Eigenschaften des beworbenen Produkts.

Klagsvertreterin: Dr. Annemarie Kosesnik-Wehrle, Rechtsanwältin in Wien
OGH 28.1.2020, 4 Ob 199/19x

Das Urteil im Volltext.

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