Auf dem Prüfstand steht folgende Klausel: "Die BAWAG ist berechtigt, den vereinbarten Zinssatz in einem angemessenen Ausmaß abzuändern, wenn sich das Zinsniveau für Einlagen oder auf dem Geld- und Kapitalmarkt verändert, bzw. kredit- und währungspolitische Maßnahmen Änderungen auf dem Kreditmarkt bewirken."
Ausgehend von den Feststellungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen Mag Kellermayr, wonach ein Mittelwert aus 3-Monats-Euribor bzw. Vibor und der SMR Bund den bestmöglichen Kompromiss für die Darstellung des für Privatkredite relevanten Zinsniveaus ist, kommt das Gericht zu der Beurteilung, dass für die Änderungen am Geld- und Kapitalmarkt eine Kombination von Euribor und SMR sachgerecht sei, und in diesem Sinne die Klausel auch ausreichend bestimmt ist. Die anderen in der Klausel enthaltenen Parameter seien zu vernachlässigen, sie wären von der beklagten Partei auch nicht näher ausgeführt worden.
Die von der BAWAG verwendete Zinsanpassungsklausel entspricht nicht bzw. nur teilweise den Anforderungen des § 6 Abs 1 Z 5. So wären einzelne verwendete Parameter wie der Verweis auf kredit- und währungspolitische Maßnahmen in hohem Maße unbestimmt. Weiters wird als problematisch erachtet, dass die Klausel mehrere Parameter beinhaltet, wobei das Verhältnis dieser zueinander unklar und unbestimmt ist.
Zur Zweiseitigkeit wird ausgeführt, dass, wenn gleich erst durch die KSchG-Novelle 97 das Zweiseitigkeitserfordernis für Preisänderungsklauseln ausdrücklich festgelegt wurde, diese auch nach einhelliger Lehre bereits für Preisänderungsklauseln vor 1997 bejaht wurde.
Eine zweiseitige Auslegung der Klausel wird dem hypothetischen Parteienwille eher gerecht als die vollkommene Nichtigkeit der Zinsanpassungsklausel. Begründet wird dies zum einen mit der Erhöhungsvorbehalt in der Klausel sowie dem Umstand, dass eben kein Fixzinssatz vereinbart worden ist.
Durch die Anwendung eines einheitlichen Berechnungssystems für den Zinssatz über die gesamte Laufzeit wird auch sichergestellt, dass die ursprünglich der Zinsberechnung zu Grunde gelegte Relation (Marge) weitgehend erhalten bleibt.
Eine klare Abfuhr bietet das Urteil sämtlichen von den Banken üblicherweise strapazierten Einwendungen:
- OGH Urteile: Die bisherigen (von der BAWAG seitenlang zitierten und ausgeführten) OGH Urteile sind auf den vorliegenden Sachverhalt nicht anzuwenden. Denn es handelt sich dabei um Entscheidungen, die Kredite zu beurteilen hatten, die vor Inkrafttreten des KSchG geschlossen wurden, oder die keine Verbraucherkredite waren. Zudem betrafen die Entscheidungen überwiegend eine Periode steigender Zinssätze, sodass sich die Problematik, ob Zinssatzsenkungen weiterzugeben sind, so nicht stellte.
- Bankrate: Abgesehen, dass diese im konkreten Fall nicht vereinbart worden war, so ist sie aus bankwissenschaftlicher Sicht wenig zweckmäßig, weil die Refinanzierungskosten der Banken nur im geringen Maß von der Höhe der Bankrate abhängen. Dass der Gesetzgeber mittlerweile mehrfach an die Bankrate anknüpft, sei ebenso nicht aussagekräftig, weil damit gesetzliche, und nicht vertragliche Schuldverhältnisse geregelt werden.
- Atypisch inverse Zinsstruktur: Die Argumentation mit der atypisch inversen Zinsstruktur wird ebenso als verfehlt angesehen, weil Zinsanpassungsklauseln Änderungen in jeder Richtung Rechnung tragen müssen. Die Wahl unterschiedlicher Zinsanpassungsklauseln für unterschiedliche Zinssatzentwicklungen würde ebenfalls zu einer gleichheitswidrigen Besserstellung der beklagte Partei führen.
- Der Sollzinssatz bewegte sich innerhalb der Bandbreite der von der OeNB erhobenen Höchst- und Mindestzinssätze bei Privatkrediten: Auch da folgte das Gericht unserer Argumentation, dass dies nichts über die Zulässigkeit des konkreten Zinssatzes im Einzelfall aussagt.
- Anerkenntnis: Ein ausdrückliches Anerkenntnis wurde weder behauptet, abgesehen davon entfaltet Stillschweigen nach der neueren Rechtsprechung bloß deklarative Wirkung.
- Berufungsentscheidung des HG Wien (5.11.2002, 1 R 330/02d), wonach keine Verpflichtung der Bank zur automatischen Senkung der Kreditzinsen besteht, sondern nur den Kreditnehmern diesbezüglich ein Gestaltungsrecht zukommt:
Dazu merkt das Gericht zunächst mal an, dass diese Entscheidung weder durch Zitate aus Lehre oder Rechtsprechung belegt ist, und dieser Entscheidung außerhalb des Einzelfalls keine Bindungswirkung zukommt. Auch sei es nicht sachgerecht, Zinssatzsenkungen vom Begehren des Kreditnehmers abhängig zu machen, weil dadurch diese zu einer ständigen Beobachtung des Geld- und Kreditmarktes und zu Berechnungen verpflichtet würden, die einerseits nicht verkehrsüblich sind und andererseits auf wesentlich einfachere Weise von der Bank vorgenommen werden können.
Selbst dann, wenn man von einem Gestaltungsrecht des Kreditnehmers ausgehe, sei daraus für die beklagte Partei nichts zu gewinnen, weil dieses auch im nachhinein, z.B. durch eine Klage, ausgeübt werden könne. Dass Kreditnehmer bisher die verlangten Zinsen zahlten, und bisher keinen Gebrauch vom Gestaltungsrecht machten, stelle keine ausreichende Grundlage für eine Annahme dar, Kreditnehmer hätten stillschweigend auf das Gestaltungsrecht verzichtet.
- Verjährung: Der hier zutreffende Kondiktionsanspruch unterliegt der dreißigjährigen Verjährungsfrist; nach Meinung von Bydlinski ist die Geltendmachung einer nichtigen Vertragsbestimmung unbefristet möglich. Als weitere Argumente für die lange Verjährung werden die kontokorrentmäßige Verrechnung (dadurch gesonderte Verjährung der Zinsen ausgeschlossen) und die Rückzahlung in Form von Annuitäten (während aufrechter Kontoverbindung kein Anspruch auf Rückzahlung, sondern bloß Anspruch auf Berichtigung des Kontos) ausgeführt wie der Aufsatz von Beclin (Ecolex 2002, 15) und die jüngste einschlägige Entscheidung des HG Wien (1 R 330/02d).
Text aus Information der AK Wien
BGHS Wien 27.1.2003, 11 C 824/01h
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Klagevertreter: Dr. Walter Reichholf, RA in Wien