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Urteil: Bankomatkartenmißbrauch - Beweislast bei Bank

Seit 8 Jahren führte der VKI Prozeß; jetzt wurde in erster Instanz (nicht rechtskräftig) gewonnen. Das Urteil legt auf 35 Seiten Bedenken am Bankomatsystem dar und lastet der Bank die Beweislast an.

Der klagende Verbraucher war im Jahr 1990 Lehrling und Inhaber eines Girokontos mit Bankomatkarte. Die Bankomatkarte verwendete er in der Regel dazu, Beträge in der Höhe von wenigen hundert Schilling für den täglichen Bedarf zu beheben. An einem Freitag und Samstag im Sommer 1990 fanden jeweils in den Morgenstunden Behebungen von je S 5.000,-- bei einem Bankomat in Niederösterreich (NÖ) statt. Der Lehrling schilderte glaubhaft, dass er zum Zeitpunkt der Behebungen auf dem Weg von seinem Wohnort (bei den Eltern) zur Arbeitsstelle war und dort auch so pünktlich eingetroffen ist, dass er unmöglich den Bankomat in NÖ aufgesucht haben kann. Er schilderte ebenso glaubhaft, dass er sich in diesen Zeiten immer im Besitz der Originalbankomatkarte befunden hat. Damit war - jedenfalls nach Angaben des Lehrlings - auch auszuschließen, dass ein Dritter mit seiner Originalbankomatkarte die Behebungen durchgeführt hat. Am darauffolgenden Montag hat der Lehrling dann selbst mit der Originalbankomatkarte wieder eine Behebung von S 100,-- durchgeführt. Erst danach meldete sich die Bank und wies darauf hin, dass das Konto überzogen sei. Erst dadurch wurden die unberechtigten Behebungen bekannt, die Karte wurde eingezogen und das Konto des Lehrlings belastet.

Der Lehrling erhob gegen diese Belastung Widerspruch, wurde aber mit der lakonischen Mitteilung der Firma GABE (heute: APSS) abgespeist, dass eine Untersuchung der Karte ergeben hätte, dass die Behebung mit der Originalkarte vorgenommen sein worden musste.

Der VKI ließ sich den Anspruch auf Rückforderung abtreten und klagte gemäß § 55 Abs 4 JN die Bank. Das Grundthema des Verfahrens war letztlich die Frage, ob der Bank der Beweis gelingt, dass die Behebung ausschließlich mit der Originalbankomatkarte durchgeführt worden sein kann. Es wurden zwei vom Gericht bestellte Sachverständige bemüht; der VKI brachte auch zwei Privatgutachten namhafter Universitätsprofessoren ein. Das Verfahren dauerte - es kam auch noch zu einem Richterwechsel - insgesamt 8 Jahre. Das Prozesskostenrisiko übersteigt mit rund S 500.000,-- den Streitwert mit S 10.000,-- inzwischen um ein Vielfaches.

Anfang September 1998 langte nun das Urteil des Handelsgerichtes Wien ein: Die beklagte Bank wurde für schuldig befunden, den Betrag von S 10.000,-- samt Zinsen zurückzuerstatten. Das Urteil setzt sich auf 35 Seiten ausführlich mit dem Bankomatsystem und möglichen Attacken durch das Herstellen von Dubletten echter Bankomatkarten auseinander. Den Einwand der Bank, dass ein geheimer Pin-Code einem unbekannten Dritten nur dann bekannt sein könne, wenn der Kunde den Pin-Code entweder sorglos verwahrt habe oder sogar aktiv weitergebe, folgte das Gericht nicht.

Aufgrund der vielfältigen Beweisanbote des VKI ging das Gericht davon aus, dass jedenfalls das Ausspionieren eines Pin-Codes kein Problem darstellt.

Das Gericht ging daher schlussendlich davon aus, dass es grundsätzlich zwei Möglichkeiten gibt, wie es zu den beiden klagsgegenständlichen Bankomatbehebungen gekommen ist: Entweder wurden die Behebungen mit der Originalkarte des Kunden mit dessen Wissen durchgeführt oder sie wurden von einem technisch hochversierten Kriminellen durchgeführt, der sich ohne bewusstes Zutun des Kunden und ohne, dass diesem ein sorgloser Umgang mit seiner Bankomatkarte vorzuwerfen ist, Kenntnis von den erforderlichen Informationen zur Herstellung einer gefälschten Bankomatkarte verschaffte und mit dieser die beiden klagsgegenständlichen Behebungen vorgenommen hat. Welche dieser beiden Varianten zutreffe, stehe nicht fest.

Damit stellt sich aber für das Gericht die Frage, wer die Beweislast dafür trägt und zu wessen Nachteil es daher ausschlägt, dass konkretere Feststellungen nicht zu treffen waren. Das Gericht ging davon aus, dass die beklagte Bank die positive Tatsache zu beweisen gehabt hätte, dass die beiden klagsgegenständlichen Abhebungen mit der Originalbankomatkarte vorgenommen wurden und es nicht Aufgabe der klagenden Partei sein kann, die negative Tatsache, dass die Abhebungen nicht mit der Originalbankomatkarte vorgenommen wurden, zu beweisen. Dies deshalb, da die beklagte Bank durch die von ihr zur Verfügung gestellten Instrumentarien "Bankomat" und "Bankomatkarte" samt den dazu erforderlichen technischen Einrichtungen "näher zum Beweis" ist.

In der Folge hatte sich das Gericht auch noch mit den Kundenrichtlinien für die Benützung der Geldausgabeautomaten im Rahmen des Bankomatservice zu beschäftigen. Dort heißt es: "Alle Folgen und Nachteile der Fälschung der Bankomatkarte trägt der Kontoinhaber." Das Gericht ging davon aus, dass es sich bei dieser Klausel um eine nachteilige und ungewöhnliche Vertragsbestimmung handelt, die gemäß § 864a ABGB nicht Vertragsbestandteil geworden ist. Damit stand für das Gericht aber fest, dass der Kunde zu Unrecht mit den Behebungen belastet wurde und verurteilte die Bank zur Zahlung.

Das Urteil wird von der Gegenseite angefochten werden und ist daher nicht rechtskräftig.

HG Wien 8.7.1998, 29 Cg 172/98h

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