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Urteil: Beraterhaftung bei Empfehlung von MEL-Zertifikaten

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hat im Auftrag des Konsumentenschutzministeriums in 2 Musterprozessen gegen Anlageberater beim HG Wien Recht bekommen: Die "EFS Euro Finanz Service Vermittlungs AG" in Salzburg und die "KK Marketing GmbH" in Wien (ehemals "Contectum Investment-Consulting GmbH" in Graz) haben Kleinanlegern, die einem Risiko völlig abgeneigt waren, MEL-Zertifikate als "sicheres" Investment angeboten.

HG Wien Urteil gegen EFS (rechtskräftig)

Das Erstgericht stellte fest, dass die Beraterin eine Risikoaufklärung im Sinne eines Teil- oder Totalverlustes in den Beratungsgesprächen unterlassen hat. Auch über den Sitz der MEL in Jersey klärte die Beraterin nicht auf. Aufgrund der Ausführungen der Beraterin handelte es sich für die Anleger bei den MEL-Papieren um eine so sichere Veranlagung wie bei einem Sparbuch. 

Das Erstgericht urteilte, dass eine unrichtige Beratung durch die selbstständige Mitarbeiterin der Beklagten kausal für die Investition der Anleger war. Die nötige Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit bei der Beratung sei "massiv verletzt" worden! Durch die mangelnde Aufklärung über Risiken und das Unterschlagen von anderen essentiellen sowie für die Anleger relevanten Informationen (zB Kapitalmarktprospekt, Aufklärung über die rechtliche Natur des gekauften Produktes, keinerlei Information über die Möglichkeit des Teil- oder sogar des Totalverlusts, Belastungen von Immobilien, Gesellschaftssitz im Ausland) hat die Beklagte nicht lege artis beraten und somit die nötige Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit des 
§ 13 Z 1 WAG aF massiv verletzt und gleichzeitig durch das Zurückhalten von Informationen den Tatbestand des § 13 Z 4 WAG aF verwirklicht. Es tritt somit die Haftungsfolge des § 15 WAG aF ein und die Anleger sind so zu stellen wie sie stünden, wenn sie richtig und umfassend beraten worden wären.

Den Verjährungseinwand lässt das Erstgericht nicht gelten, erste mediale Berichte über Kursverluste stammten aus Sommer 2007, davor mussten die Konsumenten nicht Verdacht schöpfen. Naturalrestitution, auch gegenüber dem Vermittler, ist nach Auffassung des Gerichts inzwischen gängige Rechtsprechung. 

Ein Mitverschulden der Anleger im Sinne des § 1304 ABGB war nicht auszumachen. Für die Anleger waren die Gefahren der Veranlagung in MEL-Papiere als Laien nicht absehbar, es mangelte ihnen an einschlägigem Fachwissen um solch eine Beurteilung vornehmen zu können. Selbst beim Durchlesen des MEL-Prospekts sowie des Konto- und Depoteröffnungsantrags wäre ihnen das eingegangene Risiko nicht aufgefallen, vielmehr durften sie den Ausführungen zur hohen Sicherheit durch die Beraterin vertrauen. Zudem wiegt das grobe Verschulden auf Seiten der Beklagten so schwer, dass das fehlende Lesen der Formulare nicht in das Gewicht fällt (OLG Wien 1.9.2010, 5 R 120/10v). 

HG Wien Urteil gegen Contectum, nun "KK Marketing GmbH" (nicht rechtskräftig)

Die Erstbeklagte, ehemals Contectum Investment-Consulting GmbH, wird bei der FMA nicht mehr als Wertpapierdienstleister geführt, ihre Konzession ist im November 2010 erloschen.

Festgestellt wurde eine Fehlberatung durch den Zweitbeklagten, der der Konsumentin trotz Kenntnis ihrer prekären persönlichen und finanziellen Situation und trotz Wissens um ihre Risikoaversität die gegenständlichen Zertifikate vermittelte. Der Zweibeklagte sei als Erfüllungsgehilfe seinem Geschäftsherrn, der Erstbeklagten, zuzurechnen. 

In seiner rechtlichen Beurteilung führt das Erstgericht aus, dass der Zweitbeklagte die Anforderungen an eine anleger- und anlagegerechte Beratung verletzt hat, was sich schon aus der ihm bekannt gegebenen Ablehnung jeglichen Risikos durch die Anlegerin und dem, MEL als "Einzelaktie" innewohnenden, Totalverlustrisiko ergebe. Haftende Person sei jedoch lediglich die Erstbeklagte.

Eine gültige Haftungsbegrenzung wurde verneint, da keine deutliche Hervorhebung erfolgt sei. Der Vertrauensschaden sei durch Differenzrechnung zu ermitteln: Vom hypothetischen heutigen Vermögensstand ohne das schädigende Ereignis sei der heutige tatsächliche Vermögenswert abzuziehen, wobei der hypothetische Vermögensstand dabei unter Berücksichtigung der zu Beginn der Vertragsverhältnisses vereinbarten Anlagezieles zu ermitteln sei. Da die Anlegerin im gegenständlichen Fall die Veranlagung in ein Sparbuch gewählt hätte, stünden ihr auch die (der Höhe nach unbestritten gebliebenen) Zinsen aus dieser alternativen Veranlagung als positiver Schaden zu.

Eine schuldhafte Verletzung der Verkaufs- oder Behalteobliegenheit der Anlegerin verneint das Gericht mit der Begründung, dass im Regelfall die Kursentwicklung keine sicheren Schlüsse des einzelnen Anlegers auf Unternehmenswert und objektiven Wert seiner Beteiligung zulässt. Eine Verkaufs- oder Behalteobliegenheit sei daher nur in besonderen Konstellationen zu bejahen.

HG Wien 9.01.2012, 16 Cg 240/10h (nicht rechtskräftig)
HG Wien 26.09.2011, 23 Cg 35/10p (rechtskräftig)
Klagevertreter jeweils: Deinhofer Petri Wallner Rechtsanwälte, Wien

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