Der BGH prüfte u.a. folgende drei Klauseln, welche in den Versicherungsbedingungen einer kapitalbildenden Lebensversicherung enthalten waren:
- "Kündigung und Auszahlung des Rückkaufswerts
Nach Kündigung erhalten sie einen vertraglich festgelegten Rückkaufswert vermindert um eventuell rückständige Beiträge. Der Rückkaufswert entspricht nicht der Summe der von Ihnen eingezahlten Beiträge, sondern dem nach anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik berechneten Deckungskapital zum Kündigungszeitpunkt, vermindert um einen als angemessen angesehenen Abzug."
- "Umwandlung in eine beitragsfreie Versicherung:
Anstelle einer Kündigung nach Absatz 1 können Sie unter Beachtung der dort genannten Termine und Fristen schriftlich verlangen, von der Beitragszahlungspflicht befreit zu werden. In diesem Fall setzen wir die Versicherungssumme auf eine beitragsfreie Summe herab, die gemäß § 174 Abs 2 VVG nach den anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik errechnet wird. Der aus Ihrer Versicherung für die Bildung der beitragsfreien Summe zur Verfügung stehende Betrag ist der Rückkaufswert, vermindert um eventuell rückständig Beiträge."
- "Wie werden die Abschlusskosten erhoben und ausgeglichen:
Die mit dem Abschluss Ihrer Versicherung verbundenen und auf Sie entfallenden Kosten, etwa die Kosten für Beratung, Anforderung von Gesundheitsauskünften und Ausstellung des Versicherungsscheines, werden Ihnen nicht gesondert in Rechnung gestellt. Den Teil dieser Kosten, der bei der Berechnung des Deckungskapitals angesetzt wird, verrechnen wir nach einem aufsichtsrechtlich geregelten Verfahren mit Ihren ab Versicherungsbeginn eingehenden Beiträgen, soweit diese nicht für Versicherungsleistungen und Verwaltungskosten vorgesehen sind."
Der BGH hielt dazu fest, das potentielle Kunden von Lebensversicherungen ein Informationsbedürfnis haben, um verschiedene Angebote der Kapitalbildung vergleichen zu können. Diesem Informationsbedürfnis kommen die Versicherungsbedingungen nicht ausreichend nach. Durch die Auflistung von Rückkaufswerten in Tabellenform werden nämlich die wirtschaftlichen Nachteile einer vorzeitigen Auflösung nicht in vollem Umfang vor Augen geführt. Die Versicherung belastet das Konto des Kunden sofort bei Versicherungsbeginn mit allen Abschlusskosten, insbesondere mit der Vermittlungsprovision, und erstattet im Fall einer Kündigung innerhalb der ersten 2 Jahre überhaupt keine Leistungen. Da die klagsgegenständliche Tabelle zu Beginn keinen Rückkaufswert mit Null aufweist, muss der Kunde erst durch Vergleich mit den in der Tabelle angeführten Daten der Laufzeit und dem Abschlussdatum ermitteln, dass der Rückkaufswert am Beginn Null ist. In den Bedingungen wird zwar festgehalten, dass der Rückkaufswert nicht der Summe der vom Versicherungsnehmer eingezahlten Beiträge entspricht. Dies führt dem Versicherungsnehmer aber nicht das volle Ausmaß seiner wirtschaftlichen Nachteile bei einer Kündigung oder Beitragsfreistellung vor Augen. Bei einer Kündigung verliert er nicht nur in den ersten zwei Jahren die eingezahlten Beiträge ganz. Auch in den weiteren Jahren beträgt der garantierte Rückkaufswert nach der Tabelle bis zum 19. Jahr der Laufzeit weniger als die bis dahin eingezahlten Prämien.
Soweit also Lebensversicherungsbedingungen über das Risiko einer vorzeitigen Vertragsauflösung nicht deutlich aufklären, sind diese Klauseln als intransparent und unwirksam anzusehen. Diesfalls besteht keine Grundlage derartige Kosten einseitig am Vertragsbeginn anzulasten. Daraus muss gefolgert werden, dass Kosten daher großteils rückgefordert werden können.
Für Österreich fehlt derzeit noch eine entsprechende Rechtsprechung, die die Intransparenz derartiger Klauseln bestätigt und in der Folge Rückforderungen von Versicherungsnehmers zulässt. Die Rechtslage ist aber mit der deutschen Situation vergleichbar. Jeder, der eine Lebensversicherung mit unklaren Klauseln vorzeitig auflöst und keinen oder nur sehr geringen Rückkaufswert erhält, sollte sich daher jedenfalls auf dieses Urteil des BGH berufen. Das Urteil kann unter www.bundesgerichtshof.de elektronisch abgefragt werden.
BGH 9. Mai 2001, IV ZR 121/00