Mit Urteil vom 8. Juli 2010 verpflichtete das Oberlandesgericht Düsseldorf die Mercurion Unabhängige Private Finanzplanung AG wegen Verschweigens der für den Vertrieb des VIP Medienfonds 4 erzielten Vertriebsvergütungen zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von knapp 60.000 Euro. Darüber hinaus muss die Vertriebsgesellschaft den Anleger von möglichen zukünftigen Verlusten freistellen.
Das Oberlandesgericht stellte eine fehlerhafte Anlageberatung durch den Berater der Mercurion fest. Dieser versäumte es, den Anleger über die von der Vertriebsgesellschaft vereinnahmten umsatzabhängigen Vergütungen (so genannte "Kickbacks") zu informieren. Nach einem Urteil des BGH vom 19. Dezember 2006 (Aktenzeichen XI ZR 56/05) hat eine Bank zur Vermeidung eines Interessenkonflikts auch ungefragt darüber aufzuklären, ob und in welcher Höhe Rückvergütungen an die beratende Bank gezahlt werden. Dies gilt gemäß Beschluss des BGH vom 20. Januar 2009 (Aktenzeichen XI ZR 510/07) auch für den Vertrieb von Medienfonds durch eine Bank. Allerdings hatte der III. Zivilsenat des BGH erst kürzlich mit Urteil vom 15. April 2010 (Aktenzeichen III ZR 196/09) festgestellt, dass die Kickback-Rechtsprechung des XI. Zivilsenates des BGH für den nicht bankmäßig gebundenen, freien Anlageberater nicht gilt.
Das OLG Düsseldorf urteilte:
Die allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätze, nach denen jeder Vertragspartner zur Aufdeckung vertragswidriger Interessenkonflikte verpflichtet ist, sind jedem Anlageberatungsvertrag immanent, unabhängig davon, ob der Berater dem Kunden nur durch das konkrete Anlagegeschäft oder auch im Übrigen und dauerhaft geschäftsmäßig verbunden ist. Die Aufklärungspflicht ergibt sich darüber hinaus auch aus der besonderen Rechtsnatur eines Anlageberatungsvertrages als eines seinem Wesen nach auf die Besorgung fremder Geschäfte gerichteten Vertrages.
Anknüpfungspunkt einer solchen Aufklärungspflicht ist nicht, wie der III. Zivilsenat des BGH im Urteil vom 15.4.2010 - III ZR 196/09 festgestellt hat, der Umstand der Entgeltlichkeit erbrachter Dienstleistungen, sondern das vom Kunden seinem Berater berechtigterweise entgegengebrachte Vertrauen, die angebotene Beratungsleistung vordringlich in seinem eigenen Interesse zu erhalten. Legt er seine Doppelrolle als Vermittler des Kapitalsuchenden und Berater des Investitionswilligen nicht offen, missbraucht er das in ihn gesetzte Vertrauen in eine frei von eigenen und nur an den Interessen des Kunden ausgerichtete Empfehlung.
Da die Konfliktsituation eines freien Beraters mit derjenigen einer beratenden Bank grundsätzlich vergleichbar ist, findet die Rechtsprechung des XI. Zivilsenats des BGH zur Aufklärungspflicht der Banken auch auf den freien Finanzdienstleister Anwendung.
Die Begründung des III. Zivilsenats des BGH aus dem Jahr 2010 überzeugte das OLG nicht: Im Kern argumentierte hier der BGH, dass der Kunde eines freien Beraters - anders als ein Bankkunde - damit rechnen müsse, dass der Berater Provisionen vereinnahme, weil er davon lebe, während die Bank sich im wesentlichen aus anderen Quellen finanziere. Dieser Umstand rechtfertige eine unterschiedliche Behandlung bei der Verpflichtung zur Aufklärung. Der Bank obliege eine ungefragte Offenbarung, dem Berater nur eine auf Nachfrage.
Dem kann das OLG Düsseldorf nicht folgen: Oftmals entscheidet die Kompetenz einer zutreffenden "wirtschaftlichen Betrachtungsweise" maßgeblich über den Erfolg oder Misserfolg der getätigten Investition. Dazu gehört indes nicht lediglich die pauschale Kenntnis, dass "wohl noch Kosten" mit zu tragen sein werden, sondern auch die Fähigkeit, zukünftige Marktentwicklungen und steuerliche Behörden- und Gerichtsentscheidungen mit in Betracht zu ziehen und Wirtschaftlichkeitsberechnungen anstellen zu können. Auch die Fähigkeit, gezielt die Wirtschaftlichkeit der Anlageentscheidung erfragen zu können, entspricht nicht ohne weiteres den Kompetenzen, die von einem durchschnittlich gebildeten Kunden erwartet werden können.
Zumindest ab dem Jahr 2000 bestand eine unsichere Rechtslage, ob die Aufklärungspflicht nicht auch in Fallkonstellationen besteht, an denen nicht Banken, sondern sonstige Finanzdienstleister beteiligt sind. Wer darauf nicht reagiert hat, hat fahrlässig gehandelt. Im Rahmen der ihr obliegenden Pflicht zur sorgfältigen Prüfung der Rechtslage hätte der Beklagten die Rechtsprechung bekannt sein können.
Steuervorteile sind bei der Schadensermittlung nicht anzurechnen, weil die Rückabwicklung der Beteiligung im Rahmen des Schadensersatzes zu einer Nachversteuerung führt.
Bezüglich des mit der Hypo- und Vereinsbank AG geschlossenen Darlehensvertrages kann der Kläger bereits jetzt von der Beklagten zukünftige Zahlung verlangen. Zwar kommt die Umwandlung eines Freistellungsanspruchs gemäß § 250 Satz 2 BGB in einen Zahlungsanspruch grundsätzlich erst bei Fälligkeit der Verbindlichkeit in Betracht, von der freizustellen ist. Wird jedoch - wie hier - eine Kapitalanlage ver- und betrieben, die aus einem komplexen Geflecht von Rechten und Rechtsverhältnissen besteht, und sieht sich der Kapitalanleger einer Mehrzahl von Vertragspartnern gegenüber (von einer provisionsbeteiligten Beraterin über eine Treuhänderin zu einer Fondsgesellschaft und einer darlehensgebenden Bank), ohne hierauf Einfluss auszuüben zu können, so muss ihm zu gewährender Schadensersatz zumindest unter temporären Gesichtspunkten einheitlich gewährt werden. Eine zeitliche Aufspaltung der Loslösung von einem solch komplexen Gesamtgeschäft würde den mit einer rechtlich zutreffenden Bewertung der entstandenen Rechtsbeziehungen ohnehin in aller Regel überforderten Anleger unzumutbar belasten. Dies gilt erst Recht, wenn - wie hier- der Abschluss eines Darlehensvertrages mit einer von der Fondsgesellschaft vorgeschriebenen Bank zwingend erforderlich ist. Leugnet zudem der zum entstandenen Schadensersatz Verpflichtete nachhaltig und endgültig jedwede Verantwortung für den entstandenen Schaden, auch wenn dessen Ausgleich nach den Bedingungen des Anlagegeschäftes teilweise erst in der ferneren Zukunft fällig wird, so kommt eine Umwandlung in einen Zahlungsanspruch entsprechend § 250 Satz 2 BGB bereits in dem Zeitpunkt der Schadenserklärung in Betracht.
Ausgehend von diesen Grundsätzen schuldet die Beklagte dem Kläger bereits jetzt zukünftige Zahlung, deren Feststellung der Kläger mit seinem Klageantrag zu Ziffer 2) begehrt. Denn die Beklagte hat durch ihr Verhalten vor und während des Rechtsstreits unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, den geforderten Schadensersatz nicht leisten zu wollen. Dies reicht für die Annahme einer Verzug begründenden Erfüllungsverweigerung auch nach der ständigen Rechtsprechung des BGH grundsätzlich aus.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig (Aktenzeichen beim BGH: III ZR 170/10)
OLG Düsseldorf 08.07.2010, I-6 U 136/09
Klagevertreter: Nieding + Barth Rechtsanwaltsaktiengesellschaft, Frankfurt am Main