Zum Inhalt

Urteil: Diskriminierung bei Versicherung?

Der (Privat-)Versicherer ist nicht verpflichtet, jede Person mit Vorerkrankung(en) (zwingend) zu versichern. Verboten ist, Personen aus dem Motiv der Behinderung als Versicherungsnehmer abzulehnen oder unzulässig hohe Prämienzuschläge zu verrechnen.

Eine Konsumentin, die an Muskeldystrophie leidet, wurde von dem beklagten Versicherer der Abschluss einer Taggeldversicherung verweigert. Nach einem Schlichtungsverfahren beim Bundessozialamt wurde ihr die Versicherung mit einem Prämienzuschlag von 150 % angeboten. Die Klage des VKI - im Auftrag des Sozialministeriums - war auf Ersatz der erlittenen persönlichen Beeinträchtigung gemäß § 9 Abs 1 BGStG (Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz) gerichtet.

Der beklagte Versicherer konnte bei Gericht darlegen, dass die Ablehnung bzw der Risikoaufschlag von 150 % rein aus versicherungsmathematischen Gründen gemacht wurde.

Gemäß § 1d VersVG darf ein Versicherungsverhältnis in Ansehung eines versicherbaren Risikos nicht deswegen abgelehnt oder gekündigt werden oder deshalb von einer höheren Prämie abhängig gemacht werden, weil der Versicherungsnehmer oder der Versicherte behindert ist. Ein Prämienzuschlag darf nur dann vorgesehen werden, wenn der Gesundheitszustand einen bestimmenden Faktor für die Risikokalkulation in dem betreffenden Versicherungszweig darstellt und der individuelle Gesundheitszustand der versicherten Person eine wesentliche Erhöhung der Gefahr bewirkt. Ein Prämienzuschlag darf nur in dem Ausmaß erfolgen, das sich anhand der Risikokalkulation in dem konkreten Versicherungszweig auf Grund der Gefahrenerhöhung errechnet.

Nach den gerichtlichen Feststellungen ergibt sich, unter Berücksichtigung der konkreten die Konsumentin betreffenden Vorerkrankung ein Risikozuschlag von 1.055 %. Der klagende VKI konnte nicht iSd § 12 Abs 1 BGStG glaubhaft machen, dass der beklagte Versicherer die beantragte Versicherung wegen der Behinderung der Konsumentin und nicht wegen der allgemeinen und die Konsumentin konkret betreffenden gesundheitlichen Beeinträchtigung, sohin aus Krankheitsgründen und der Versicherungsmathematik, ablehnte. Die bloße Behauptung eines solchen Umstandes genügt nicht.

Der beklagte Versicherer ist nicht verpflichtet, jede Person mit Vorerkrankung(en) (zwingend) zu versichern. Verboten ist, Personen aus dem Motiv der Behinderung als Versicherungsnehmer abzulehnen oder unzulässig hohe Prämienzuschläge zu verlangen. Der dem Kläger offensichtlich vorschwebende Rechtsgedanke, dass jede Person auch bei chronischen Vorerkrankungen einen Rechtsanspruch auf Abschluss einer (Privat-)Versicherung hat, widerspricht der Rechtslage.

Klagsvertreterin: Fatma Özedemir-Bagatar, Rechtsanwältin in Salzburg

HG Wien 23.11.2016, 1 R 106/16h (rk)

Lesen Sie mehr:

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

Das könnte auch interessant sein:

VKI: OGH beurteilt Kreditbearbeitungsgebühr der WSK Bank als unzulässig

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hatte im Auftrag des Sozialministeriums die WSK Bank wegen unzulässiger Klauseln in ihren Kreditverträgen geklagt. Jetzt liegt die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes (OGH) vor: Dieser beurteilt diverse Gebühren und Spesenklauseln in den Kreditverträgen als unzulässig, darunter auch die Kreditbearbeitungsgebühr in Höhe von 4 Prozent. Betroffene Kund:innen der WSK Bank haben nach Ansicht des VKI Rückforderungsansprüche.

Timesharing-Anbieter Hapimag – 48 Klauseln unzulässig

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hatte die Hapimag AG wegen unzulässiger Klauseln in den AGB ihrer Timesharing-Verträge geklagt. Die Hapimag ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in der Schweiz, die ihren Mitgliedern Ferienwohnungen, Apartments und Hotels zur Verfügung stellt. Der VKI beanstandete 48 Bestimmungen in Geschäftsbedingungen, Reservierungsbestimmungen, Buchungsinformationen und den FAQs des Unternehmens. Das Handelsgericht Wien (HG Wien) erklärte nun alle 48 angefochtenen Klauseln für unzulässig. Wichtigster Aspekt des Urteils: Verbraucherrechtliche Bestimmungen kommen trotz „Aktionärsstatus“ der Kund:innen zur Anwendung. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Unzulässige Gebühren der Unicredit

Der VKI hatte im Auftrag des Sozialministeriums die UniCredit BAnk Austria AG wegen mehreren Gebühren geklagt. Das OLG Wien hat fast alle der eingeklagten Klauseln für unzulässig erklärt.

Krankengeldversicherung: Geltungskontrolle

Krankengeldversicherung: Geltungskontrolle

Ist eine Leistungsbeschränkung für das Krankentagegeld in den Bedingungen für eine Krankengeldversicherung nicht unter der Überschrift „Leistungsvoraussetzungen“, sondern im Kapitel „Beendigung der Versicherung“ enthalten, ist sie ungewöhnlich und damit unwirksam.

Unzulässiger Deckungsausschluss: Hoheitsverwaltungsklausel

Unzulässiger Deckungsausschluss: Hoheitsverwaltungsklausel

Der VKI hatte die ARAG SE Direktion für Österreich wegen drei Ausschlussklauseln in den Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutz-Versicherung (ARB 2020) geklagt. Gegenstand des Verfahrens vor dem OGH war nur noch eine Klausel davon, nämlich die sog Hoheitsverwaltungsklausel.

Unzulässiger Stornoabzug bei UNIQA-Lebensversicherung

Unzulässiger Stornoabzug bei UNIQA-Lebensversicherung

Der VKI hatte die UNIQA Österreich Versicherungen AG geklagt. Inhalt der Klage waren 18 Klauseln aus den AVB für Lebensversicherungen. Während der VKI bereits in den Unterinstanzen die Mehrzahl der Klauseln rechtskräftig gewonnen hatte, waren noch drei Klauseln Gegenstand des Verfahrens vor dem OGH. Der OGH bestätigte nun auch die Gesetzwidrigkeit dieser Klauseln.

unterstützt durch das

Sozialministerium
Zum Seitenanfang