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Urteil: EuGH: Unzulässige Widerrufsbelehrung in deutschen Kreditverträgen

Im deutschen Anlassfall ging es um die Frage, worüber im Kreditvertrag hinsichtlich des Rücktrittsrechts der Verbraucher informiert werden muss und wie genau diese Aufklärung zu sein hat.

Im deutschen Anlassfall schloss ein Verbraucher 2012 mit einer Bank einen Hypothekarkredit ab.  Im Kreditvertrag wurde wie folgt über das Widerrufsrecht informiert: "Widerrufsrecht: Der Darlehnsnehmer kann seine Vertragserklärung innerhalb von 14 Tagen ohne Angabe von Gründen in Textform (z. B. Brief, Fax, E‑Mail) widerrufen. Die Frist beginnt nach Abschluss des Vertrags, aber erst, nachdem der Darlehnsnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB (z. B. Angaben zur Art des Darlehens, Angaben zum Nettodarlehensbetrag, Angabe zur Vertragslaufzeit) erhalten hat...."

Im Jahr 2016 erklärte der Konsument seinen Rücktritt.

Die Verbraucherkredit-RL (VKrRL 2008/48) gilt an sich nicht für grundpfandrechtlich gesicherte Kredite (Art 2 Abs 2 lit a der RL). Der deutsche Gesetzgeber hat jedoch von der in ErwGr 10 der RL vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht, die RL auch auf nicht in ihren Geltungsbereich fallende Bereiche, wie Hypothekarkredite, anzuwenden.

Nach Art 10 Abs 2 lit p der VKrRL (2008/48/EG) ist im Kreditvertrag in klarer, prägnanter Form ua das Bestehen oder Nichtbestehen eines Widerrufsrechts sowie die Frist und die anderen Modalitäten für die Ausübung des Widerrufsrechts anzugeben.

Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens
Der EuGH hat wiederholt seine Zuständigkeit für die Entscheidung über Vorabentscheidungsersuchen bejaht, die Unionsvorschriften in Fällen betrafen, in denen der betreffende Sachverhalt nicht unter das Unionsrecht und daher allein in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fiel, aber diese Unionsvorschriften aufgrund eines Verweises im nationalen Recht auf ihren Inhalt galten (C-2012/443 Rn 86). Um künftige Auslegungsunterschiede zu verhindern, besteht ein klares Interesse der Union daran, dass die aus diesem Unionsrechtsakt übernommenen Bestimmungen einheitlich ausgelegt werden.

Klare und prägnante Information über Modalitäten für Fristberechnung    

Zu den Informationen, die nach dieser Bestimmung in einem Kreditvertrag in klarer, prägnanter Form anzugeben sind, gehören die in Art 14 Abs 1 lit b VKrRL vorgesehenen Modalitäten für die Berechnung der Widerrufsfrist. Dies ist erforderlich, damit der Verbraucher seine Rechte und Pflichten zur Kenntnis nehmen kann.

Verstoß gegen Informationspflichten bei bloßem Verweis auf nationale Rechtsvorschriften
Art 14 Abs 1 lit b VKrRL besagt, dass die Widerrufsfrist erst zu laufen beginnt, wenn dem Verbraucher die Informationen gemäß Art 10 VKrRL übermittelt wurden, sofern der betreffende Zeitpunkt nach dem Tag des Abschlusses des Kreditvertrags liegt. Besagter Art 10 zählt die Informationen auf, die in Kreditverträgen anzugeben sind.

Der gegenständliche Kreditvertrag enthielt selbst nicht die Pflichtangaben, deren Erteilung für den Beginn der Widerrufsfrist maßgeblich ist, sondern einen Verweis auf nationale Vorschriften, die wiederrum selbst auf weitere nationale Rechtsvorschriften verwiesen.

Verbraucher mussten sich daher mit einer Vielzahl nationaler Bestimmungen beschäftigen, die in verschiedenen Gesetzeswerken enthalten seien. Verweist ein Verbrauchervertrag hinsichtlich der Informationen, die nach Art 10 der RL anzugeben sind, auf bestimmte Vorschriften des nationalen Rechts, so kann der Verbraucher auf der Grundlage des Vertrags weder den Umfang seiner vertraglichen Verpflichtung bestimmen noch überprüfen, ob der von ihm abgeschlossene Vertrag alle nach dieser Bestimmung erforderlichen Angaben enthält, und erst recht nicht, ob die Widerrufsfrist, über die er verfügen kann, für ihn zu laufen begonnen hat.  Für die Ausübung der Rechte des Verbrauchers, zu denen dessen Widerrufsrecht zählt, ist es erforderlich, dass der Verbraucher die Punkte, die der Kreditvertrag gemäß Art 10 Abs 2 der RL zwingend enthalten muss, kennt und gut versteht. Sieht eine Verbraucherschutzrichtlinie für den Unternehmer die Pflicht vor, den Verbraucher über den Inhalt der ihm unterbreiteten Vertragserklärung zu informieren, so muss der Unternehmer den Verbraucher über den Inhalt dieser Vorschriften belehren. Eine bloße Verweisung in allgemeinen Vertragsbedingungen auf Rechtsvorschriften, die die Rechte und Pflichten der Parteien festlegen, reicht daher nicht aus.

Es bedeutet daher einen Verstoß gegen Art 10 Abs 2 lit p VKrRL, wenn ein Kreditvertrag hinsichtlich der in Art 10 VKrRL genannten Angaben auf eine nationale Vorschrift verweist, die selbst auf weitere Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats verweist.

EuGH 26.3.2020, C-66/19 (JC/Kreissparkasse Saarlouis)

Das Urteil im Volltext.

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