Zum Inhalt

Urteil: EuGH zur Aufklärungspflicht über Wechselkursrisiko bei Fremdwährungskredit

Dem EuGH wurde ein Fall rumänischer Konsumenten, die einen Fremdwährungskredit (in Schweizer Franken [CHF]) aufgenommen hatten, vorgelegt. Die Konsumenten bezogen ihr Gehalt in rumänischen Leu. Die Konsumenten waren verpflichtet, die Kreditraten in der gleichen Währung zurückzuzahlen, in der sie vereinbart worden waren, dh in CHF. Die Kreditnehmer hatten vertragsgemäß das Wechselkursrisiko allein zu tragen. Die Kreditnehmer machten geltend, dass sie über das Wechselrisiko unvollständig aufgeklärt wurden und dass die Klauseln, die die Rückzahlung in CHF vorsahen, missbräuchliche Klauseln wären.

Klauselprüfung
Gem Art 4 Abs 2 der Klausel-RL 93/13/EWG betrifft die Beurteilung der Missbräuchlichkeit der Klauseln weder den Hauptgegenstand des Vertrages noch die Angemessenheit zwischen dem Preis bzw. dem Entgelt und den Dienstleistungen bzw. den Gütern, die die Gegenleistung darstellen, sofern diese Klauseln klar und verständlich abgefasst sind. Der Begriff "Hauptgegenstand des Vertrags" in diesem Sinne gilt für eine nicht im Einzelnen ausgehandelte Vertragsklausel in einem Fremdwährungskredit, nach der der Kredit in derselben Fremdwährung zurückzuzahlen ist, in der er gewährt wurde, da diese Klausel eine Hauptleistung des Vertrags festlegt, die diesen charakterisiert. Folglich kann diese Klausel nicht als missbräuchlich angesehen werden, sofern sie klar und verständlich abgefasst ist.

Anmerkung: Umgekehrt gesagt bedeutet das, dass eine solche Klausel den Hauptgegenstand des Vertrages iS der RL betrifft. Sie kann daher nur dann auf Missbräuchlichkeit gemäß der RL geprüft werden, wenn sie nicht klar und verständlich abgefasst ist.

Die in Art 4 Abs 2 der RL genannten Klauseln sind der Beurteilung in Bezug auf ihre Missbräuchlichkeit  nur entzogen, wenn das zuständige nationale Gericht nach einer Einzelfallbeurteilung zu der Auffassung gelangen sollte, dass sie vom Unternehmer klar und verständlich abgefasst wurden.


Klausel muss auch hinsichtlich der (wirtschaftlichen) Folgen verständlich sein
Das Erfordernis der klaren und verständlichen Abfassung einer Vertragsklausel setzt voraus, dass die Banken bei Kreditverträgen verpflichtet sind, den Kreditnehmern Informationen zur Verfügung zu stellen, die ausreichen, um die Kreditnehmer in die Lage zu versetzen, umsichtige und besonnene Entscheidungen zu treffen. Dieses Erfordernis bedeutet, dass die Klausel eines Kreditvertrags, nach der der Kredit in derselben Fremdwährung zurückzuzahlen ist, in der er gewährt wurde, für den Verbraucher in formeller und grammatikalischer Hinsicht, aber auch hinsichtlich ihrer konkreten Tragweite verständlich sein muss, dass ein normal informierter, angemessen aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbraucher nicht nur die Möglichkeit einer Auf- oder Abwertung der Fremdwährung, auf die der Kredit lautet, erkennen, sondern auch die - möglicherweise erheblichen - wirtschaftlichen Folgen einer solchen Klausel für seine finanziellen Verpflichtungen einschätzen kann.

Insbesondere hat der nationale Richter zu prüfen, ob dem Verbraucher in dem betreffenden Fall sämtliche Tatsachen mitgeteilt wurden, die sich auf den Umfang seiner Verpflichtung auswirken könnten und ihm ua erlauben, die Gesamtkosten seines Kredits einzuschätzen. Eine entscheidende Rolle spielt auch, ob in dem Kreditvertrag Informationen fehlen, die in Anbetracht der Natur der Waren oder Dienstleistungen, die Gegenstand dieses Vertrags sind, als wesentlich angesehen werden.

Bei Fremdwährungskrediten sind die Banken verpflichtet, Kreditnehmern Informationen zur Verfügung zu stellen, die ausreichen, um die Kreditnehmer in die Lage zu versetzen, umsichtige und besonnene Entscheidungen zu treffen, und die zumindest die Folgen darlegen, die eine schwere Abwertung des gesetzlichen Zahlungsmittels des Mitgliedstaats, in dem ein Kreditnehmer ansässig ist, und eine Erhöhung des ausländischen Zinssatzes auf die Ratenzahlungen haben.

Der Kreditnehmer muss klar darüber informiert werden, dass er sich durch den Abschluss eines auf eine ausländische Währung lautenden Kreditvertrags einem Wechselkursrisiko aussetzt, das er im Fall einer Abwertung der Währung, in der er sein Einkommen erhält, eventuell schwer wird tragen können.
Weiters muss die Bank die möglichen Änderungen der Wechselkurse und die Risiken des Abschlusses eines Fremdwährungskredits insbesondere dann darlegen, wenn der den Kredit aufnehmende Verbraucher sein Einkommen nicht in dieser Währung erhält.

Das nationale Gericht hat zu prüfen, ob die Bank den betroffenen Verbrauchern sämtliche relevanten Informationen übermittelt hat, die es diesen ermöglichen, die wirtschaftlichen Folgen einer Klausel wie der im Ausgangsverfahren streitigen für ihre finanziellen Verpflichtungen einzuschätzen.


Missbräuchlichkeit der Klausel im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses
Für die Prüfung der Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel ist auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses abzustellen; hierbei müssen die gesamten Umstände berücksichtigt werden, von denen der Unternehmer zu diesem Zeitpunkt Kenntnis haben konnte und die die spätere Erfüllung dieses Vertrags beeinflussen.

Das vorlegende Gericht hat unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Ausgangsverfahrens sowie ua der Expertise und der Fachkenntnisse der Bank  zu den möglichen Wechselkursschwankungen und den mit der Aufnahme eines Fremdwährungskredits verbundenen Risiken das etwaige Vorliegen eines erheblichen und ungerechtfertigten Missverhältnisses zu prüfen.

EuGH 20.9.2017, C-186/16 (Andriciuc/Banca Românească)

Das Urteil im Volltext.

Lesen Sie mehr:

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

This could also be of interest:

OLG Wien: 48 unzulässige Timesharing-Klauseln

OLG Wien: 48 unzulässige Timesharing-Klauseln

Der VKI hatte die Hapimag AG wegen unzulässiger Klauseln in den AGB ihrer Timesharing-Verträge geklagt. Das OLG Wien erklärte nun alle 48 angefochtenen Klauseln für unzulässig. Wichtigster Aspekt des Urteils: Verbraucherrechtliche Bestimmungen kommen trotz „Aktionärsstatus“ der Kund:innen zur Anwendung.

OLG Wien: Dauerrabattklausel des Versicherers Allianz unzulässig

OLG Wien: Dauerrabattklausel des Versicherers Allianz unzulässig

Der VKI klagte im Auftrag der Arbeiterkammer Oberösterreich die Allianz Elementar Versicherungs AG wegen deren Dauerrabattklausel und deren Kündigungsklausel. Das OLG Wien gab dem VKI Recht und erklärte die Klauseln für unzulässig. Das Urteil ist rechtskräftig. Versicherungsnehmer:innen, die aufgrund der Dauerrabattklausel eine Nachforderung bezahlt haben, können diese nun zurückfordern.

OLG Graz: „Dauerrabatt“-Klausel der Grazer Wechselseitigen unzulässig

OLG Graz: „Dauerrabatt“-Klausel der Grazer Wechselseitigen unzulässig

Der VKI klagte im Auftrag des Sozialministeriums die Grazer Wechselseitige Versicherung AG wegen deren „Dauerrabattklausel“. Das OLG Graz gab dem VKI Recht und erklärte die Klausel – wie auch schon das Erstgericht – für unzulässig. Das Urteil ist rechtskräftig. Versicherungsnehmer:innen, die aufgrund der Laufzeitrabattklausel eine Nachforderung bezahlt haben, können diese nun zurückfordern.

VKI: OGH beurteilt Kreditbearbeitungsgebühr der WSK Bank als unzulässig

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hatte im Auftrag des Sozialministeriums die WSK Bank wegen unzulässiger Klauseln in ihren Kreditverträgen geklagt. Jetzt liegt die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes (OGH) vor: Dieser beurteilt diverse Gebühren und Spesenklauseln in den Kreditverträgen als unzulässig, darunter auch die Kreditbearbeitungsgebühr in Höhe von 4 Prozent. Betroffene Kund:innen der WSK Bank haben nach Ansicht des VKI Rückforderungsansprüche.

Timesharing-Anbieter Hapimag – 48 Klauseln unzulässig

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hatte die Hapimag AG wegen unzulässiger Klauseln in den AGB ihrer Timesharing-Verträge geklagt. Die Hapimag ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in der Schweiz, die ihren Mitgliedern Ferienwohnungen, Apartments und Hotels zur Verfügung stellt. Der VKI beanstandete 48 Bestimmungen in Geschäftsbedingungen, Reservierungsbestimmungen, Buchungsinformationen und den FAQs des Unternehmens. Das Handelsgericht Wien (HG Wien) erklärte nun alle 48 angefochtenen Klauseln für unzulässig. Wichtigster Aspekt des Urteils: Verbraucherrechtliche Bestimmungen kommen trotz „Aktionärsstatus“ der Kund:innen zur Anwendung. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

unterstützt durch das

Sozialministerium
Zum Seitenanfang