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Urteil: Formularmässige Aufklärung des Interzedenten genügt nicht

Erkennt der Gläubiger, dass der Schuldner seine Verbindlichkeit voraussichtlich nicht oder nicht vollständig erfüllen wird, oder muss er dies erkennen, so hat der Gläubiger den Mitschuldner, Bürgen oder Garanten (Interzedenten) über die wirtschaftliche Lage des Schuldners aufzuklären (§ 25c KSchG). Dazu reicht eine formularmäßige Erklärung des Interzedenten nicht aus.

Der Inhaber eines Schuhgeschäftes wollte einen Kontokorrentkredit aufnehmen. Er verfügte zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kontokorrentkreditvertrages und des Bürgschaftsvertrages über ein monatliches Einkommen von € 1.100,-- bis 1.200,--, er war Alleineigentümer eines Ein- bis Zweifamilienhauses, das bereits überbelastet war. Das Schuhgeschäft führte er zur finanziellen Unterstützung seiner Mutter, deren Schuhgeschäft sich in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befand.

Die Kreditgeberin (und Klägerin) war über die finanzielle Lage des Schuhgeschäftsinhabers informiert. Aufgrund ihres Wissenstandes musste die Klägerin bei Abschluss des Bürgschaftsvertrages zumindest erhebliche Zweifel daran haben, ob der Kreditnehmer in der Lage sein werde, die Kreditverbindlichkeit decken zu können. Die Kreditgeberin lehnte eine Kreditvergabe ohne Besicherung durch einen Bürgen ab.

Der Beklagte, ein guter Freund des Kreditnehmers, übernahm die Haftung als Bürge. In der Bürgschaftserklärung war folgende Erklärung zu finden: "Anlässlich des Abschlusses des Bürgschaftsvertrages (Garantievertrages) wurde ich über die wirtschaftliche Situation des Kreditnehmers aufgeklärt. Insbesondere ist mir bewusst, dass nur entsprechende Sanierungsmaßnahmen den wirtschaftlichen Fortbestand des Kreditnehmers gewährleisten können und die Gefahr einer bevorstehenden Zahlungsunfähigkeit nicht auszuschließen ist."

Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über den Kreditnehmer, stellte die Kreditgeberin den Kredit fällig und forderte den Bürgen zur Zahlung auf.

Der OGH bejahte eine Aufklärungsobliegenheit der Klägerin.

Die bloße formularmäßige Erklärung im Bürgschaftsvertrag, dass der Bürge anlässlich des Abschlusses des Bürgschaftsvertrages über die wirtschaftliche Situation des Kreditnehmers aufgeklärt wurde, wird der Warnfunktion der nach § 25c KSchG gebotenen Aufklärung nicht gerecht.

Um dieser Aufklärungsobliegenheit nachzukommen, hat vielmehr der Kreditgeber konkrete Informationen über die wirtschaftliche Lage des Kreditnehmers (Einkommen, anderweitige Belastungen, konkrete wirtschaftliche Lage eines zu finanzierenden Unternehmens, Bilanzergebnisses) darzulegen.

Im konkreten Fall entfiel daher die Haftung des Bürgen, weil die formularmäßige Aufklärung über die wirtschaftliche Situation des Kreditnehmers nicht ausreicht.

OGH 26.01.2006, 8 Ob 121/05k
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Beklagtenvertreter: Dr. Benedikt Wallner, RA in Wien

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