Die beklagte Ehegattin hatte zum Zeitpunkt des Kreditvertragsabschlusses kein Einkommen und kein Vermögen. Sie war also wirtschaftlich vollkommen von ihrem Ehemann abhängig, an den Geschäften ihres Mannes nicht beteiligt und auch nicht über deren Inhalt oder Stand informiert.
Vom Arbeitslosen zum Geschäftsmann
Im Jahr 1989 und 1991 nahm der Ehegatte zwei Privatkredite für seine einzelkaufmännischen Unternehmungen auf. Schon damals gab die Beklagte Haftungserklärungen ab. Die Schulden aus diesen beiden Kredite betrugen Ende 1994 rund 450.000 Schilling (32.702,78 Euro). Zu dieser Zeit war der Ehegatte arbeitslos und auf Sozialhilfe angewiesen. Er suchte die klagende Bank auf und wandte sich an seinen langjährigen Berater, der ihn anlässlich eines Beratungsgespräches aufforderte, seine Geschäftsideen in einem Unternehmenskonzept zusammenzufassen.
Wir brauchen die Gattin
Der Berater machte den Ehegatten darauf aufmerksam, dass die Bank auf die Mitwirkung der Ehegattin großen Wert lege und dies auch aus dem Konzept hervorgehen sollte. Nach Vorlage eines solchen Konzeptes und Gründung eines Unternehmens mit 1.12.1994 wurde dem Ehegatten ein Geschäftskonto bei der klagenden Bank eingerichtet. Daraufhin wurden die Schulden von rund 450.000 Schilling (32.702,78 Euro) vom Privatgirokontos auf das Geschäftskonto verschoben.
Geschäftskonzept nicht von Profis geprüft
Doch mit Schulden allein kann man kein Geschäft aufbauen. Deshalb suchte der Ehegatte einige Monate später bei der Klägerin um einen Kredit in Höhe von 2.000.000 Schilling (145.345,66 Euro) an. In den folgenden Beratungsgesprächen präsentierte der Ehegatte Unternehmenskonzepte in verschiedenen Fassungen, die auch die Mitwirkung seiner Frau in den geplanten Unternehmungen vorsahen. Die Unternehmenskonzepte wurden lediglich vom Bankangestellten auf ihre Durchführbarkeit überprüft. Eine Prüfung durch einen Spezialisten fand nicht statt.
Gattin denkt, es sei eine Formsache
Die Ehegattin war bei diesen vorbereitenden Gesprächen nicht anwesend und sie wurde von der geplanten Kreditvergabe weder von ihrem Mann noch von der Bank informiert. Sie ging davon aus, dass dem Bankangestellten bekannt war, dass sie nur zum Schein in die Unternehmenskonzepte eingebaut war. Erst am Abend vor der geplanten Kreditvergabe wurde sie informiert, dass sie eine Haftungserklärung abgeben sollte. Sie nahm an, dass ihre Unterschrift notwendige Voraussetzung für die Gewährung des Kredites war und dass ihr Ehemann ansonsten sein Unternehmen nicht fortführen könne.
Bankbeamter klärt nicht sorgfältig auf
Am 7.4.1995 unterschrieb die Ehegattin eine Haftungserklärung für einen Kredit über 450.000 Schilling (32.702,78 Euro). Über den Schuldenstand ihres Mannes und die Bedeutung ihrer Haftungserklärung wurde sie nicht aufgeklärt. Bezüglich ihres Haftungsrisikos versicherte der Bankangestellte, dass "jemand der nichts habe und nichts besitze auch nichts bezahlen könne." Sie ging daher davon aus, dass es sich lediglich um eine Formsache handelte. Zum Zeitpunk der Kreditgewährung waren die beiden früheren Kredite aus den Jahren 1989 und 1991 mit 154.000 Schilling (11.191,62 Euro) und 229.000 Schilling (16,642,08 Euro) immer noch nicht zurückgezahlt.
Firmenpleite und Konkurs
Schon bald stellte sich heraus, dass sich die im Unternehmenskonzept prognostizierten Verkaufsziffern nicht erwirtschaften ließen. In weiterer Folge wurde über das Vermögen des Ehegatten das Konkursverfahren eröffnet. Die Bank klagte die offenen Schulden (500.000 Schilling (36.336, 42 Euro)) von der Ehegattin ein.
Haftung für Gatten ist sittenwidrig
Das LG für ZRS Wien wies die Klage der Bank ab. Begründung: Es handelte sich um eine sittenwidrige Interzession gemäß § 879 ABGB.
Die Argumente des Gerichtes: Im gegenständlichen Fall bestand zwischen der Leistungsfähigkeit der Beklagten und der Haftungssumme von 450.000 Schilling (32.702,78 Euro) ein krasses Missverhältnis. Überdies war es sehr wahrscheinlich, dass die Haftung der Beklagten zum Tragen kommen würde. Der Hauptschuldner war im Zeitpunkt des Kreditvertragsabschlusses arbeitslos und schuldete der Bank von seinem Privatkonto 450.000 Schilling (32.702,77 Euro).
Geschäftskonzept ist chancenlos
Die vorgelegten Unternehmenskonzepte versprachen bei kritischer Prüfung keine Aussicht auf Erfolg. Der Ehefrau gegenüber wurde das Risiko und die Tragweite der Verpflichtung verharmlost. Weder durch ihren Mann noch durch die Bank wurde sie über die finanzielle Situation und die Risken der unternehmerischen Vorhaben ihres Mannes aufgeklärt.
Seelische Notlage - "verdünnte Entscheidungsfreiheit"
Sie wurde von der Notwendigkeit einer neuerlichen Kreditaufnahme quasi überrumpelt und befand sich überdies in einer seelischen Zwangslage. Begründung: Sie nahm an, dass ohne ihre Unterschrift das Unternehmen ihres Mannes eingestellt werden müsse. Insgesamt waren somit die Kriterien für eine "verdünnte Entscheidungsfreiheit" der Ehegattin erfüllt. Das Gericht erkannte den Haftungsvertrag für sittenwidrig.