Der VKI führt - im Auftrag des Sozialministeriums - seit 2013 ein Verbandsverfahren gegen eine Reihe von Klauseln (ua die Rechtswahlklausel zugunsten deutschen Rechts) in den Treuhandverträgen der TVP Treuhand- und Verwaltungsgesellschaft für Publikumsfonds mbH & Co. KG mit Sitz in Hamburg. Die TVP ist eine 100%ige Tochtergesellschaft der deutschen MPC-Gruppe, die geschlossene Fonds strukturiert und vertreibt. Sie verwaltet als Treuhänderin die Beteiligungen der österreichischen Anleger an mehreren Immobilien- und Schiffsfonds des Emissionshauses MPC.
Im Klauselverfahren ist strittig, ob die Rechtswahlklausel zugunsten deutschen Rechts zulässig ist und ob dies nach deutschem oder österreichischem Recht zu prüfen ist.
Der OGH hatte zu diesen Fragen den EuGH um Vorabentscheidung ersucht (6 Ob 5/17d). Nachdem Generalanwalt Saugmandsgaard Øe in seinen Schlussanträgen vom 5.9.2019 dem VKI bereits in allen Punkten recht gegeben hatte, liegt nun das Urteil des EuGH vor, der dies bestätigt.
Das Urteil enthält darüber hinaus wesentliche Klarstellungen zu Anwendungsbereich und Reichweite des kollisionsrechtlichen Verbraucherschutzes:
- Vertragsstatut vs Gesellschaftsstatut: Anwendungsbereich Rom I-VO "Fragen betreffend das Gesellschaftsrecht" sind vom Anwendungsbereich der Rom I-VO (Art 1 Abs 2 lit f Rom I-VO 593/2008; entspricht Art 1 Abs 2 lit e EVÜ) ausgenommen. Die TVP hatte argumentiert, dass die Gesellschafts- und Treuhandverträge so eng miteinander verzahnt seien, dass der Ausschluss auch die Treuhandverträge umfasse, sodass sich das anwendbare Recht nach dem Gesellschaftsstatut gemäß §§ 10, 12 IPRG bestimme und die Rom I-VO nicht anwendbar sei.
Der EuGH stellt klar, dass der Ausschluss vom Anwendungsbereich der Rom I-VO ausschließlich die organisatorischen Aspekte von Gesellschaften betrifft. Dass ein Vertrag eine Verbindung zu gesellschaftsrechtlichen Fragen hat, reicht nicht aus. Die Treuhandverträge und die Zulässigkeit dort enthaltener Klauseln, die die vertraglichen Beziehungen zwischen Treugeber und Treuhänder regeln (zB Umfang der Haftung von TVP, Erfüllungsort, Rechtswahl) unterliegen als schuldrechtliche Rechtsverhältnisse vielmehr der Rom I-VO. - Kollisionsrechtlicher Verbraucherschutz: Anwendungsbereich Art 6 Rom I-VO
Die Verbraucherschutzbestimmungen nach Art 6 Rom I-VO (Art 5 EVÜ) sind nicht anwendbar auf Verträge über die Erbringung von Dienstleistungen, die ausschließlich in einem anderen als dem Staat des gewöhnlichen Aufenthalts des Verbrauchers erbracht werden. Nach dem EuGH handelt es sich beim Treuhandvertrag um eine in der Verwaltung der treuhänderisch anvertrauten Sache gegen Entgelt bestehende Tätigkeit, mithin um einen Dienstleistungsvertrag iSd Bestimmung.
Die Ausnahme sei darauf zurückzuführen, dass der Verbraucher bei Verträgen über Dienstleistungen, die ausschließlich außerhalb seines Aufenthaltsstaats erbracht werden, billigerweise nicht erwarten kann, dass das Recht seines Heimatstaats zur Anwendung gelangt. Der Erfüllungsort ist nach dem Verbraucherschutzzweck nicht anhand der vertraglichen Vereinbarung zu bestimmen; vielmehr ist zu prüfen, ob sich schon aus der Natur der vereinbarten Dienstleistungen ergibt, dass sie in ihrer Gesamtheit nur außerhalb des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts erbracht werden können.
Wird die Dienstleistung körperlich in einem anderen Staat erbracht als jenem, in dem der Verbraucher in ihren Genuss kommt, ist der Ausschluss nur anwendbar, wenn der Verbraucher keine Möglichkeit hat, sie in seinem Aufenthaltsstaat in Anspruch zu nehmen und sich zu diesem Zweck ins Ausland begeben muss. Bei bloßer Erbringung der Dienstleistung aus der Ferne ist der Ausschluss nach Art 6 Abs 4 lit b Rom I-VO nicht anwendbar.
Im vorliegenden Fall, wo die Beträge auf Treuhandkonten der TVP in Österreich eingezahlt wurden, die Dividendenzahlungen auf österreichische Konten überwiesen wurden, den Verbrauchern in Österreich Berichte über die Treuhandverwaltung zugesendet wurden und die Verbraucher über eine Website Informationen abrufen und ihr Stimmrecht ausüben können, werden die Dienstleistungen nach dem EuGH aus der Ferne im Aufenthaltsstaat des Verbrauchers erbracht; der Ausschluss wäre diesfalls nicht anwendbar. - Unwirksame Rechtswahlklausel
Nach Art 6 Abs 1 Rom I-VO (Art 5 Abs 3 EVÜ) ist auf die Treuhandverträge mit österreichischen Verbrauchern grundsätzlich österreichisches Recht anwendbar. Eine Rechtswahlklausel ist zwar zulässig; dies gilt nach Art 3 Abs 1 Klausel-RL (93/13/EWG) allerdings nur dann, wenn die Klausel den Verbraucher darüber unterrichtet, dass nach Art 6 Abs 2 Rom I-VO die zwingenden Bestimmungen seines Heimatrechts anwendbar bleiben.
Diese bereits in der Rs VKI/Amazon (C-191/15) entwickelte Rsp erstreckt der EuGH in der vorliegenden Entscheidung auf alle Vertragsabschlüsse, unabhängig davon, ob dieser - wie in der Rs Amazon - auf elektronischem Weg erfolgt.
EuGH vom 3.10.2019, C-272/18, VKI/TVP
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Klagsvertreter: RA Dr. Sebastian Schumacher