Zum Inhalt

Urteil: Greift Haushaltsversicherung bei Einsatz von Betäubungsmitteln?

Der OGH bejahte nun diese Frage: Die (listige) Verabreichung betäubender Mittel gilt als Gewaltanwendung, weil damit ebenfalls eine auch körperliche Zwangswirkung erzielt wird. Es liegt daher eine Beraubung iSd Haushaltsversicherung-Bedingungen vor.

Der klagende Versicherungsnehmer hat mit der Beklagten einen Haushaltsversicherungsvertrag abgeschlossen, dem die Allgemeinen Bedingungen für die Haushaltsversicherung (ABH 2003) zugrundeliegen. Diese lauten auszugsweise: "2.1. Versichert sind folgende Gefahren [...] 2.1.5. Beraubung ist die Androhung oder Anwendung tätlicher Gewalt gegen den Versicherungsnehmer, die mit ihm in häuslicher Gemeinschaft lebenden Personen oder berechtigt anwesende dritte Personen, um die Wegnahme versicherter Sachen zu erzwingen."

Eine dritte Person ergaunerte vom Kläger mittels willensbrechender Betäubungsmittel einen fünfstelligen Eurobetrag. Der Versicherungsnehmer klagte die Haushaltsversicherung auf Deckung. Der OGH gab der Klage statt:

Im Strafrecht findet sich für den der "Beraubung" wortnahen Begriff "Raub" in § 142 Abs 1 StGB eine der Begriffsbeschreibung in Art 2.1.5. ABH 2003 durchaus ähnliche Definition der Tathandlung, die demnach in einem Vorgehen "mit Gewalt gegen eine Person oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben" besteht. Nach der Rechtsprechung und nach ganz herrschender Lehre gilt als Gewalt neben der physischen Krafteinwirkung aber auch der Einsatz betäubender Mittel.

Rechtsbegriffe, die in der Rechtssprache eine bestimmte Bedeutung haben, sind auch in diesem Sinn auszulegen. Dies gilt namentlich dann, wenn den zu beurteilenden Rechtsinstituten nach herrschender Ansicht ein unstrittiger Inhalt beigemessen wird und dies gilt auch für die in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen verwendeten Rechtsbegriffe. Beim von der Bekl verwendeten Begriff "Beraubung" muss auch der Gewaltbegriff betreffend den Einsatz betäubender Mittel so verstanden werden, wie er im gegebenen Kontext als Rechtsbegriff einvernehmliche Bedeutung erlangt hat, also auch den Einsatz solcher Mittel einschließen.

Der Standpunkt der Beklagten, die allein auf den Begriff "tätlich" reflektiert und deshalb nach Art 2.1.5. ABH 2003 nur "körperliche" Gewalt als einschlägig gelten lassen will, überzeugt nicht. Es entspricht gerade nicht dem Zugang eines durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers, dass ein in der Alltagssprache gemeinhin anerkannter, auch den Einsatz betäubender Mittel einschließender Tatvorgang nur anhand eines Begriffsmerkmals ("tätlich") in seinem Bedeutungsumfang erheblich eingeschränkt wird. Außerdem verkennt die Argumentation der Beklagten, dass der Einsatz betäubender Mittel ohnehin auch eine die körperlichen Reaktionsmöglichkeiten einschränkende physische Wirkung äußert, insoweit also durchaus "körperlich" wirkt.

Wie bei der Tathandlung des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB gilt auch nach Art 2.1.5. ABH 2003 die (listige) Verabreichung betäubender Mittel als Gewaltanwendung, weil damit ebenfalls eine auch körperliche Zwangswirkung erzielt wird. Dieses Begriffsverständnis entspricht nach Ansicht des Fachsenats auch jenem eines durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers. Beim Kläger erfolgte der Einsatz eines willensbrechenden Betäubungsmittels mit ganz erheblichen psychischen und physischen Wirkungen, die noch bis zum nächsten Tag anhielten. An der Anwendung von Gewalt im Sinn des Art 2.1.5. ABH 2003 ist daher nicht zu zweifeln. Da bereits die Vorinstanzen zutreffend dem zuvor dargestellten Gewaltbegriff gefolgt sind und daher dem Klagebegehren stattgegeben haben, erweist sich die dagegen erhobene Revision als nicht berechtigt.

OGH 27.11.2019, 7 Ob 130/19x

Das Urteil im Volltext.

Lesen Sie mehr:

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

Das könnte auch interessant sein:

VKI: OGH beurteilt Kreditbearbeitungsgebühr der WSK Bank als unzulässig

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hatte im Auftrag des Sozialministeriums die WSK Bank wegen unzulässiger Klauseln in ihren Kreditverträgen geklagt. Jetzt liegt die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes (OGH) vor: Dieser beurteilt diverse Gebühren und Spesenklauseln in den Kreditverträgen als unzulässig, darunter auch die Kreditbearbeitungsgebühr in Höhe von 4 Prozent. Betroffene Kund:innen der WSK Bank haben nach Ansicht des VKI Rückforderungsansprüche.

Timesharing-Anbieter Hapimag – 48 Klauseln unzulässig

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hatte die Hapimag AG wegen unzulässiger Klauseln in den AGB ihrer Timesharing-Verträge geklagt. Die Hapimag ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in der Schweiz, die ihren Mitgliedern Ferienwohnungen, Apartments und Hotels zur Verfügung stellt. Der VKI beanstandete 48 Bestimmungen in Geschäftsbedingungen, Reservierungsbestimmungen, Buchungsinformationen und den FAQs des Unternehmens. Das Handelsgericht Wien (HG Wien) erklärte nun alle 48 angefochtenen Klauseln für unzulässig. Wichtigster Aspekt des Urteils: Verbraucherrechtliche Bestimmungen kommen trotz „Aktionärsstatus“ der Kund:innen zur Anwendung. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Unzulässige Gebühren der Unicredit

Der VKI hatte im Auftrag des Sozialministeriums die UniCredit BAnk Austria AG wegen mehreren Gebühren geklagt. Das OLG Wien hat fast alle der eingeklagten Klauseln für unzulässig erklärt.

Krankengeldversicherung: Geltungskontrolle

Krankengeldversicherung: Geltungskontrolle

Ist eine Leistungsbeschränkung für das Krankentagegeld in den Bedingungen für eine Krankengeldversicherung nicht unter der Überschrift „Leistungsvoraussetzungen“, sondern im Kapitel „Beendigung der Versicherung“ enthalten, ist sie ungewöhnlich und damit unwirksam.

Unzulässiger Deckungsausschluss: Hoheitsverwaltungsklausel

Unzulässiger Deckungsausschluss: Hoheitsverwaltungsklausel

Der VKI hatte die ARAG SE Direktion für Österreich wegen drei Ausschlussklauseln in den Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutz-Versicherung (ARB 2020) geklagt. Gegenstand des Verfahrens vor dem OGH war nur noch eine Klausel davon, nämlich die sog Hoheitsverwaltungsklausel.

Unzulässiger Stornoabzug bei UNIQA-Lebensversicherung

Unzulässiger Stornoabzug bei UNIQA-Lebensversicherung

Der VKI hatte die UNIQA Österreich Versicherungen AG geklagt. Inhalt der Klage waren 18 Klauseln aus den AVB für Lebensversicherungen. Während der VKI bereits in den Unterinstanzen die Mehrzahl der Klauseln rechtskräftig gewonnen hatte, waren noch drei Klauseln Gegenstand des Verfahrens vor dem OGH. Der OGH bestätigte nun auch die Gesetzwidrigkeit dieser Klauseln.

unterstützt durch das

Sozialministerium
Zum Seitenanfang