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Urteil: Grundlose vorzeitige Kündigung von befristeten Sparbüchern unzulässig

Der VKI klagte im Auftrag des Sozialministeriums die Immobank AG wegen vier Klauseln in den "Bedingungen für den Sparverkehr". Es ging hier vor allem um die Kündigung der Sparbücher seitens der Bank. Das HG Wien gab dem VKI zu allen Klauseln Recht.

"Vorschusszinsenfreie Behebungen gebundener Spareinlagen sind in der Zeitspanne von 28 Kalendertagen vor bis eine Woche nach Ablauf der Bindungsvereinbarung für den entsprechenden Betrag jeweils möglich." (K 8)
Bei der in der Verbandsklage gebotenen Auslegung im kundenfeindlichsten Sinn kann die Klausel nur so verstanden werden, dass eine (vorschuss-)zinsenfreie Abhebung nur bis eine Woche nach Ablauf der Bindungsvereinbarung möglich ist. Dies ist gröblich benachteiligend (§ 879 Abs 3 ABGB).
Intransparent iSd § 6 Abs 3 KSchG ist ein Teil der Klausel jedoch trotzdem, da die Wortfolge "Vorschusszinsenfreie Behebungen gebundener Spareinlagen sind ... nach Ablauf der Bindungsvereinbarung für den entsprechenden Betrag jeweils möglich.", unklar abgefasst ist. Für den Durchschnittskunden ist es gerade nicht eindeutig und unmissverständlich, dass mit dem "entsprechenden Betrag" der zum Zeitpunkt der Behebung der gebundenen Spareinlage angesparte Betrag gemeint ist.

"Die Bank behält sich vor, Spareinlagen unter Einhaltung einer einmonatigen Kündigungsfrist zu kündigen. Dies kann bei Vorlage des Sparbuches, durch schriftliche Verständigung oder durch einmalige öffentliche Bekanntmachung im Amtsblatt zur Wiener Zeitung erfolgen. Die Verzinsung endet mit dem Ablauf der Kündigungsfrist. Nicht behobene Beträge können auf Kosten und Gefahr des Sparers bei Gericht hinterlegt werden." (K 9)
Nach dieser Bestimmung kann die Beklagte unter Einhaltung einer einmonatigen Kündigungsfrist sowohl bei gebundenen (befristeten) als auch bei unbefristeten Spareinlagen jederzeit kündigen, während der Kunde bei gebundenen Spareinlagen auf die Vertragsauflösung durch Zeitablauf oder wichtigen Grund angewiesen ist. Sowohl befristete als auch unbefristete Dauerschuldverhältnisse können aber aus wichtigem Grund jederzeit und sofort beendet werden.
Die Klausel ist gemäß § 864a ABGB unzulässig: Beim Geschäftstyp der gebundenen Spareinlagen muss der Durchschnittskunde vernünftigerweise nicht damit rechnen, dass der Bank ein ausschließliches einmonatiges Kündigungsrecht ohne Kündigungsgrund und damit ohne sachliche Rechtfertigung vorbehalten bleibt.
Außerdem liegt eine grobe Benachteiligung iSd § 879 Abs 3 ABGB vor, ebenso wie ein Verstoß gegen § 6 Abs 2 Z 1 KSchG.
Dass die inkriminierte Kündigungsmöglichkeit bei ungebundenen Spareinlagen rechtlich zulässig sei, mag zwar stimmen, doch kann auf eine etwaige teilweise Zulässigkeit der beanstandeten Klausel keine Rücksicht genommen werden, da eine geltungserhaltende Reduktion durch den Richter im Klauselprozess nicht vorgesehen ist.
Gem § 6 Abs 1 Z 3 KSchG ist eine Vertragsbestimmung idR unzulässig, nach der eine für den Verbraucher rechtlich bedeutsame Erklärung des Unternehmers, die jenem nicht zugegangen ist, als ihm zugegangen gilt. Da eine Kündigung jedenfalls eine rechtlich bedeutsame Erklärung darstellt, ist deren Zustellung durch (einmalige) öffentliche Bekanntmachung im Amtsblatt zur Wiener Zeitung jedenfalls unzulässig iSd § 6 Abs 1 Z 3 KSchG. Es kann nämlich vom Durchschnittskunden nicht verlangt werden, sich über das Amtsblatt zur Wiener Zeitung über allfällige rechtlich bedeutsame Erklärungen seiner Bank auf dem Laufenden zu halten. Die auf einer Zugangsfiktion beruhende Auferlegung von Kosten der gerichtlichen Hinterlegung ist ebenso unzulässig.
Gegen die Anzahl der alternativen Kündigungsformen bestehen keine Bedenken, sofern nur gewährleistet ist, dass dem Verbraucher die rechtlich bedeutsame Erklärung der Bank auch tatsächlich zugeht. Eine Kündigung durch Vorlage des Sparbuchs alternativ zur Kündigung per schriftlicher Verständigung ist daher zulässig.

"Alle Spareinlagen betreffenden Kundmachungen, die keiner Vereinbarung mit dem Sparer bedürfen, erfolgen, soweit diese Bedingungen nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmen, durch Schalteraushang." (K 16)
Die Klausel verstößt gegen das Transparenzgebot gemäß § 6 Abs 3 KSchG, da für den Durchschnittskunden unklar ist, welche die Spareinlagen betreffenden Kundmachungen einer Vereinbarung mit dem Sparer bedürfen.
Ebenso liegt ein Verstoß gegen § 6 Abs 1 Z 3 KSchG vor (siehe K 9)

"Durch Entgegennahme des Sparbuches erklärt sich der Sparer mit den "Bedingungen für den Sparverkehr" sowie den "Allgemeinen Geschäftsbedingungen für Bankgeschäfte (AGB)" einverstanden. Für Änderungen der AGB wird, sofern keine andere Zustellvereinbarung besteht, der Schalteraushang als Form der Verständigung des Kunden vereinbart." (K 17)
Gemäß der beanstandeten Klausel gibt aber der Kunde bei Entgegennahme des Sparbuchs die Wissenserklärung ab, zu den AGB der Bank zu kontrahieren und mit diesen einverstanden zu sein. Gegebenenfalls müsste der Kunde beweisen, dass die AGB weder ausdrücklich noch schlüssig vereinbart wurden und/oder er keine Möglichkeit hatte, vom Inhalt der Bedingungen Kenntnis zu nehmen und diese somit nicht Vertragsinhalt wurden. Es liegt daher ein Verstoß gegen § 6 Abs 1 Z 11 KSchG vor.
Da es sich bei der beabsichtigten Änderung der AGB abermals um eine rechtlich bedeutsame Erklärung handelt, muss diese dem Kunden zugehen. Die Vereinbarung des Schalteraushangs als Form der Verständigung des Kunden bei Änderungen der AGB enthält somit wieder eine unzulässige Zugangsfiktion iSd § 6 Abs 1 Z 3 KSchG.

Das Urteil ist rechtskräftig.
Klagsvertreter: Dr. Stefan Langer, RA in Wien
HG Wien 17.7.2017, 43 Cg 16/17a

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