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Urteil: Haftung für AvW-Genussscheine

Im konkreten Fall haftet ein Versicherungsmakler für die fehlerhafte Beratung durch seinen Erfüllungsgehilfen.

Der Beklagte, ein unabhängiger Versicherungsmakler, vermittelte AvW-Genussscheine. Für die Beklagte tätig war O***, teilweise auf Werkvertragsbasis und teilweise als freier Dienstnehmer. O*** ließ mit Wissen des Beklagten einen Stempel anfertigen, der den Beklagten als unabhängigen Versicherungsmakler und O*** als Betreuer auswies. Diesen verwendete er auch auf Kaufverträgen für AvW-Genussscheine.

O*** versicherte dem Kläger, das eingesetzte Kapital sei bei AvW-Genussscheinen garantiert, die Veranlagung so sicher wie ein Sparbuch. Der Kläger kaufte 2003 und 2006 AvW-Genussscheine. Einen Teil davon verkaufte er 2007 wieder.

Der Kläger bemerkte im Oktober 2008, dass ein Kursverlust eingetreten war. Er setzte sich mit O*** in Verbindung und erteilte ihm den Auftrag, alles zu verkaufen. Dieser beschwichtigte ihn und meinte, es handle sich nur um eine vorübergehende Schwäche, er werde sich um alles kümmern. Die AvW-Unternehmen befinden sich mittlerweile im Konkurs. Die Genussscheine sind wertlos.

Haftung für Erfüllungsgehilfen

Der Anlageberater ist zur Aufklärung seiner Kunden über die Risikoträchtigkeit der in Aussicht genommenen Anlage verpflichtet. Stellt er etwa ein typisches Risikogeschäft als sichere Anlageform hin und veranlasst er dadurch den Anleger zur Zeichnung einer solchen Beteiligung, dann haftet er für die fehlerhafte Beratung selbst dann, wenn auch er von der Seriosität des Anlagegeschäfts überzeugt sein sollte, weil er ein solches Geschäft nicht ohne weiteres als sichere Anlageform anpreisen darf. Diese Verpflichtungen treffen auch den Anlagevermittler.

Ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen haftet gemäß § 1313a ABGB für das Verhalten von Personen, derer es sich bei der Erbringung der Wertpapierdienstleistungen bediente. Ein in dieser Weise tätig werdender Anlageberater ist grundsätzlich als Erfüllungsgehilfe seinem Geschäftsherrn zuzurechnen

O*** hatte gegenüber dem Kläger offen gelegt, als Mitarbeiter des Beklagten tätig zu werden. Der Kläger konnte daher im konkreten Fall davon ausgehen, dass Vertragspartner aus dem Auskunftsvertrag der Beklagte, nicht O*** selbst ist. Da der Beklagte mit dem Tätigwerden des O*** in seinem Namen einverstanden war, muss er sich dessen Verhalten auch zurechnen lassen. Die Beurteilung, wer Vertragspartner des Auskunftsvertrags wird, folgt dabei objektiven Kriterien, wenn auch unter Berücksichtigung des Empfängerhorizonts.

Zwischen dem Kläger und dem Beklagten ein schlüssiger Auskunftsvertrag zustandegekommen. Damit wäre aber der Beklagte zu richtiger und vollständiger Information über alle Umstände verpflichtet gewesen, die für den Entschluss des Anlegers von besonderer Bedeutung sind. Diese Verpflichtung wurde verletzt, da O*** (als Erfüllungsgehilfe des Beklagten) dem Kläger erklärte, dass das eingesetzte Kapital garantiert und die Veranlagung sicher wie ein Sparbuch sei. Tatsächlich handelte es sich um Wertpapiere der Risikoklasse 3. Der Kläger hat daher aufgrund des schlüssigen Auskunftsvertrags Anspruch auf Ersatz des Schadens, der ihm aus der fehlerhaften Beratung entstanden ist.

Keine Verjährung

Die dreijährige Verjährungsfrist des § 1489 Abs 1 ABGB beginnt mit dem Zeitpunkt zu laufen, in dem dem Geschädigten sowohl der Schaden und die Person des Schädigers als auch die Schadensursache bekannt geworden ist. Eine bestimmte Kursentwicklung kann ein Indikator für die Risikoträchtigkeit einer bestimmten Anlageform sein. Dabei kann nach der Judikatur der Versuch von Anlageberatern, nach Kursverlusten nervös gewordene Anleger zu beschwichtigen, in zweifacher Hinsicht Bedeutung zukommen. Sie können die Erkennbarkeit des Schadenseintritts und damit den Beginn der Verjährungsfrist hinausschieben oder dazu führen, dass dem Verjährungseinwand des Schädigers die Replik der Arglist entgegengehalten werden kann. Im konkreten bemerkte der Kläger Ende Oktober 2008 den Kursverfall. Eine Verjährung ist daher im Hinblick auf die Klagseinbringung am 19.10.2011 nicht eingetreten.

Die Erkundigungspflicht des Geschädigten darf nicht überspannt werden. Gerade im Hinblick auf die Beschwichtigungsversuche des O*** können Erkundigungspflichten des Geschädigten nicht angenommen werden.

Insgesamt ist daher eine Verjährung von Ansprüchen zu verneinen.

Kein Mitverschulden des Geschädigten

Bei unrichtiger Anlageberatung kann ein Mitverschulden des Kunden in Betracht kommen, das die Schadenersatzpflicht des Anlageberaters mindert, etwa dann, wenn der Kunde selbst auf dem Anlagesektor hervorragende Kenntnisse besitzt und ihm daher die Unrichtigkeit der Anlageberatung hätte auffallen müssen. Solche Umstände wurden im vorliegenden Fall aber nicht festgestellt. Dass ein Anleger Wertpapiere, die ihm empfohlen wurden, hält, macht ihn aber noch nicht zu einem erfahrenen Anleger, auch nicht, wenn er die Kurse dieser Papiere verfolgt. Dass der Kläger die Risikohinweise nicht gelesen hätte, kann ihm schon deshalb nicht vorgeworfen werden, weil nicht feststeht, dass er solche erhalten hat. Ebensowenig ist ihm zur Last zu legen, dass er die Wertpapiere weiter gehalten und nicht verkauft hat.

Höhe des Schadenersatzanspruches

Der Geschädigte kann bei pflichtwidriger Anlageberatung verlangen, so gestellt zu werden, wie er stünde, wenn der Anlageberater pflichtgemäß gehandelt hätte. Dabei kann er den Vertrauensschaden verlangen. Der Schaden ist durch eine Differenzrechnung zu ermitteln. Es ist dabei der hypothetische Vermögensstand ohne das schädigende Ereignis zu ermitteln und von diesem Betrag der tatsächliche Vermögensstand abzuziehen. Bei der Beurteilung der hypothetischen Entwicklung des Vermögens des Klägers ist auch zu berücksichtigen, welche hypothetisch andere Veranlagungsform der geschädigte Anleger gewählt hätte.

Der Kläger hat insgesamt 50.815,61 EUR für die Genussscheine bezahlt. Bei einer Alternativveranlagung in einem Sparbuch hätte er – zusätzlich – einen Zinsgewinn von insgesamt 6.992,18 EUR erhalten. Aus dem gewinnbringenden Verkauf von 13 Genussscheinen sind ihm 35.744,53 EUR zugeflossen. Die Differenz wurde als Schaden des Klägers ermittelt und im Umfang des Klagebegehrens zugesprochen.

OGH 28.6.2016, 10 Ob 62/15p

Das Urteil im Volltext.

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