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Urteil: HG Wien: AGB der ING-DiBa unzulässig (Teil II)

Klausel 10 (Punkt 6.2)

Ein Zahlungsauftrag gilt als bei der ING-DiBa noch am selben Tag eingegangen, wenn der Auftrag bei der ING-DiBa an einem Geschäftstag bis zu den aus der nachstehenden Aufstellung ersichtlichen Zeitpunkten einlangt.

SEPA-Überweisung EUR bis 14:30 Uhr

Auslandsüberweisung Fremdwährung bis 14:00 Uhr

Der Eingangszeitpunkt eines Zahlungsauftrags wird gem § 38 ZaDiG bestimmt. Dieser liegt dann vor, wenn der Zahlungsauftrag beim Zahlungsdienstleister des Zahlers eingeht. § 38 Abs 3 ZaDiG sieht die Möglichkeit einer davon abweichenden Vereinbarung gem § 28 ZaDiG vor, sodass nach diesem Zeitpunkt nahe des Geschäftstages einlangende Aufträge so behandelt werden, als ob diese erst am nächsten Geschäftstag eingegangen wären. Bei der gegenständlichen Klausel wurde inkriminiert, dass der Zeitpunkt von 14.00 bzw 14.30 nicht nahe am Ende des Geschäftstages liegen würde. Laut OGH in 1 Ob 244/11f  muss man dazu auf die "üblichen Schließungszeiten für den physischen Publikumsverkehr" abstellen. Der Kläger stellte auf die Schließzeiten der Beklagten ab, die bei 19.00 lagen, die Beklagte stellte auf branchenübliche Schließungen ab. Das Gericht verwies auf die fehlende allgemeine Schließzeit und strich Differenzen zwischen der Stadt und dem ländlichen Bereich heraus. Die Schließzeit der eigenen Bank hingegen ist dem Verbraucher bekannt. Im aktuellen Fall lag diese Schließzeit bei 19.00; es handelt sich um eine Online-Bank und diese warb mit einer Erreichbarkeit von 24 Stunden täglich. Im Hinblick auf die Geschäftstätigkeit hinterfragte das Gericht, ob der "Cut-Off"-Zeitpunkt überhaupt im Rahmen von gewöhnlichen Schließzeiten eine Beurteilung möglich ist. § 38 Abs 3 ZaDiG ermöglicht zwar auch der Beklagten die Festlegung der "Cut-Off"-Zeitpunkte, wobei diese nahe am Ende des Geschäftstages liegen müssen. Im Fall von Schließzeiten bis 19.00 und Cut-Off-Zeitpunkten von 14.00 und 14.30 bei einer Direktbank ist dies jedoch nicht gegeben. 

Klausel 11 (Punkt 4 (2)):

Bei regelmäßigen Gehalts- oder Pensionseingängen fallen keine Kontoführungsgebühren (Kondition Gehalt) an. Gibt es fu¨r den Zeitraum von drei Monaten keine entsprechenden Eingänge, behalt sich das Kreditinstitut das Recht vor, Kontoführungsgebühren zu verrechnen (Konditionen Giro).

Umgekehrt entfällt auf Ansuchen des Kunden nach drei Monaten mit entsprechenden Gehalts- oder Pensionseingängen wieder die Kontoführungsgebühr.

Bei dieser Klausel stützte sich das Gericht auf § 6 Abs 1 Z 5 KSchG. Auch hier wird die Entgelthöhe geregelt, konkret ob kein Entgelt ("in der Höhe von null") oder in der Höhe des vertraglichen Entgelts verrechnet wird. Wird zuvor kein Entgelt eingehoben, ist die Verrechnung eines solchen als Entgeltänderung zu sehen, "weil die Gebühr davor faktisch null betragen hat". Die Formulierung ist hier weniger relevant als die faktische Wirkung der Klausel. Wird die Klausel angewandt, kommt es zur Entgeltänderung, wobei die Erhöhung seitens der Beklagten vorgenommen wird und die Senkung erst, wenn der Kunde tätig wird, durchgeführt wird. Somit kommt es zum Verstoß gegen § 6 Abs 1 Z 5 KSchG, weil das Zweiseitigkeitsgebot nicht beachtet wird.

Klausel 13 (Punkt 5.9 (1)):

Änderungen dieser BGB werden dem Kunden vom Kreditinstitut spätestens zwei Monate vor dem vorgeschlagenen Zeitpunkt ihres Inkrafttretens unter Hinweis auf die betroffenen Bestimmungen angeboten. Die Zustimmung des Kunden gilt als erteilt, wenn beim Kreditinstitut vor dem vorgeschlagenen Zeitpunkt des Inkrafttretens kein Widerspruch des Kunden einlangt. Darauf wird das Kreditinstitut den Kunden im Änderungsangebot hinweisen. Außerdem wird das Kreditinstitut eine Gegenüberstellung der von der Änderung der BGB betroffenen Bestimmungen sowie die vollständige Fassung der neuen BGB auf seiner Internetseite veröffentlichen und die Gegenüberstellung dem Kunden auf sein Verlangen zur Verfügung stellen. Auch darauf wird das Kreditinstitut im Änderungsangebot hinweisen. Das Änderungsangebot ist dem Kunden mitzuteilen.

Hier folgte das Gericht der Argumentation des Klägers und sah unbeschränkte Änderungsmöglichkeiten. Die "Änderungen der BGB" ist ein völlig unbestimmter Terminus, unklar bleibt, welche Bankleistungen mittels Zustimmungsfiktion geändert bzw eingeschränkt werden können. Somit liegt ein Verstoß gegen § 6 Abs 3 KSchG sowie § 879 Abs 3 ABGB vor.

Klausel 14 (Punkt 7.6.1):

Wenn nach Ablauf der Gültigkeit auf der Elektronischen Geldbörse noch ein Betrag geladen ist, ersetzt das Kreditinstitut diesen Betrag, wenn er innerhalb von sieben Jahren nach Ablauf der Gültigkeit geltend gemacht wird. Danach ist dieser Anspruch verjährt.

Hier verwies das Gericht auf § 18 Abs 1 E-GeldG, wonach der E-Geld-Emittent dem E-Geld-Inhaber den monetären Wert des E-Geldes zum Nennwert unter Berücksichtigung von § 19 E-GeldG zu erstatten hat. In 4 Ob 252/14h  entschied der OGH bereits, dass in den von § 18 E-GeldG erfassten Bereichen eine 30-jährige Verjährungsfrist gilt, weil dort keine explizite Nennung einer Verjährungsfrist erfolgt. Den Argumenten der Beklagten in 1 Ob 88/14v  sei eine Verjährungsfrist von 7 Jahren als angemessen erachtet worden, folgte das Gericht nicht, weil sich der OGH in dieser Entscheidung nur mit der zeitlich begrenzten Verwendbarkeit des Chips von drei Jahren befasste, während keine Beurteilung des Verhältnisses zwischen Verjährung gem ABGB und § 18 E-GeldG getroffen wurde. Dazu äußerte sich der OGH erst in 4 Ob 252/14h . Die Klausel ist daher gesetzwidrig.

Klausel 1 (Punkt 3.2.4 (2)):

Die Postbox ist ein elektronischer Briefkasten, in den Erklärungen und Informationen des Kreditinstituts eingehen. Die Postbox ist über das Online-Banking und das Mobile-Banking/die Banking App abrufbar. Sämtliche Konto- und Depotinformationen sowie den Kunden betreffende Mitteilungen werden vom Kreditinstitut in elektronischer Form in die vom Kunden aktivierte Postbox übermittelt, worüber der Kunde mittels E-Mail gesondert verständigt wird. Mit der Nutzung der Postbox verzichtet der Kunde ausdrücklich auf den postalischen Versand der hinterlegten Dokumente. Wenn gesetzliche Vorgaben es erfordern oder wenn es aufgrund anderer Umstände zweckmäßig ist, ist das Kreditinstitut ermächtigt, Dokumente postalisch oder auf eine andere Weise zuzustellen. Nachrichten, deren Empfang zu bestätigen ist, werden unmittelbar nach dem Online-Banking- bzw Mobile-Banking/Banking-App-Login angezeigt. Der Kunde muss diese beim Einstieg in das Online-Banking bzw Mobile-Banking/die Banking App bestätigen. Die Erklärungen des Kreditinstituts gelten spätestens am Tag der Verständigung des Eingangs in die Postbox mittels E-Mail als zugestellt.

§ 26 Abs 1 Z 1 ZaDiG bestimmt die verpflichtende Informationserteilung des Zahlungsdienstleisters im Verhältnis zum Zahlungsdienstnutzer vor einer vertraglichen Bindung. Die Informationserteilung hat gem § 28 ZaDiG in Papierform oder bei Einverständnis auf einem dauerhaften Datenträger zu erfolgen. 

Der dauerhafte Datenträger wird als "jedes Medium, das es dem Zahlungsdienstnutzer gestattet an ihn persönlich gerichtete Informationen derart zu speichern, dass er sie in der Folge für eine für die Zwecke der Informationen angemessene Dauer einsehen kann und das die unveränderte Wiedergabe gespeicherter Informationen ermöglicht" gesehen. Auch Websites können darunter fallen, wenn die Website "dem Zahlungsdienstnutzer gestattet, an ihn persönlich gerichteten Informationen derart zu speichern, dass er sie in der Folge für eine für die Zwecke der Information angemessene Dauer einsehen kann, und die unveränderte Wiedergabe gespeicherter Informationen ermöglicht. Außerdem muss (...) jede Möglichkeit der einseitigen Änderung ihres Inhalts durch den Zahlungsdienstleister oder durch einen mit der Verwaltung der Website betreuten Administrator ausgeschlossen sein". (Zum dauerhaften Datenträger sie auch EuGH C-375/15

Hier liegen diese Voraussetzungen laut Gericht vor, da es sich um eine nur für den Kunden zugängliche Website handle, über die Informationen abgerufen und heruntergeladen werden können. Laut EuGH reicht eine "angemessene Dauer" der Einsehbarkeit. Laut Klausel 3.2.4 (4) sind die Daten 3 Jahre abrufbar. Das Gericht erachtete diesen Zeitraum als angemessen, weil sich AGB "erfahrungsgemäß häufig ändern". Die Daten seien zudem laut Punkt 3.2.4 (4) nicht veränderbar. Das Gericht stellte zudem fest, dass eine Information an den Kunden erfolgt, dass eine Nachricht in der Postbox vorhanden ist. Der Kunde müsse daher nicht selbst tätig werden, sondern wird von der Beklagten via Mail verständigt, dass er neue Dokumente abrufen kann. 

Die Klausel ist laut Gericht im Einklang mit § 26 Abs 1 Z 1 ZaDiG. 

Dem vom Kläger vorgebrachten Verstoß gegen § 879 Abs 3 ABGB wegen einer Zugangsfiktion folgte das Gericht nicht. Das Risiko, die Mail nicht ab Zugangstag zu lesen, auf den Kunden zu überwälzen, ist nicht gröblich benachteiligend, weil dies auch bei postalischer Zustellung bestehen würde. Das Gericht verwies auf § 17 Abs 3 ZustellG, bei dem der erste Tag nach der Hinterlegungsfrist als Zustellungstag gilt. Die Beklagte würde sich auch nicht vorbehalten, bei von Gesetzes wegen bestehenden Formerfordernissen eine Postbox-Zustellung vorzunehmen. Der Kunde würde lediglich auf den Versand via Post verzichten, die Information lediglich darauf hinweisen, dass bei gesetzlichen Pflichten eine Zustellung via Post getätigt wird. Eine Intransparenz wurde ebenfalls verneint. 

Zur Frage des Mitteilens bzw Zugänglichmachens wurde vom Gericht ausgeführt, dass das Mitteilen dann gegeben ist, wenn diese Informationen an den Zahlungsdienstnutzer übermittelt werden, ohne, dass dieser tätig werden muss. 

Dies liegt laut EuGH (RS C-375/15) dann vor, wenn "mit einer solchen Übermittlung einhergeht, dass der Zahlungsdienstleister von sich aus tätig wird, um den Zahlungsdienstnutzer davon in Kenntnis zu setzen, dass die Informationen auf der Website vorhanden und verfügbar sind", und kann dies auch "durch die Übersendung eines Schreibens oder eine E-Mail an die vom Zahlungsdienstnutzer üblicherweise für die Kommunikation mit Dritten verwendeten Adresse geschehen, deren Nutzung die Parteien in einem zwischen dem Zahlungsdienstleister und dem Nutzer geschlossenen Rahmenvertrag vereinbart haben. Dabei darf es sich jedoch nicht um die Adresse handeln, die dem Nutzer auf der vom Zahlungsdienstleister oder einem von ihm beauftragten Administrator verwalteten E-Banking-Website zugeteilt wurde, da diese Website auch wenn sie eine elektronische Mailbox enthält vom Nutzer nicht üblicherweise für seine Kommunikation mit anderen Personen als dem Zahlungsdienstleister genutzt wird". 

Diese Vorgaben des EuGH werden laut Gericht bei dieser Klausel eingehalten, weil der Kunde via Mail informiert wird, dass eine abrufbereite Nachricht in der Postbox vorliegt. Der Kunde wird laut Gericht daher nicht selbst aktiv, und muss sich die Information sohin nicht selbst verschaffen bzw anfordern. Er könne sich darauf verlassen, dass Informationen übermittelt würden.

Die Klausel ist daher laut HG Wien zulässig.

Klausel 2 (Punkt 3.2.4 (3)):

Das Kreditinstitut stellt dem Kunden die in der Postbox enthaltenen Dokumente für die Dauer von mindestens 3 Jahren elektronisch zur Verfügung. Nach dem Ablauf dieser Frist, kann das Kreditinstitut die betroffenen Dokumente entfernen, ohne, dass der Kunde darüber eine gesonderte Benachrichtigung erhalt. Der Kunde hat die gewünschte Dokumente rechtzeitig selbst zu archivieren: Die Postbox eignet sich daher nicht zur langfristigen Dokumentenaufbewahrung.

siehe Klausel 3.2.4 (2)

(Fortsetzung in Teil III)

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