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Urteil: HG Wien: RLB NÖ Wien haftet für Fehlberatung zu eigener Anleihe

Wünscht ein Anleger Kapitalsicherheit, dann ist die Anlageberatung nicht anlegeregerecht, wenn die Möglichkeit einer Kündigung einer Anleihe durch den Emittenten nicht erwähnt wird. Die beratende Bank haftet demnach für den sich daraus ergebenden Schaden nach § 13 WAG alt.

Eine Konsumentin wollte im Jahr 2004 bei der RLB NÖ Wien einen Betrag von € 20.000,-- veranlagen. Sie wollte einerseits mehr Zinsen lukrieren als auf einem Sparbuch erzielbar war, andererseits war ihr die Kapitalsicherheit wichtig. Von ihrer Bank wurde eine hauseigene Anleihe mit 100 %iger Kapitalgarantie empfohlen (Raiffeisen fin4cast Garant 2004-2011/4, AT0000437686).

Die Ertragschancen seien hoch, jedoch nicht sicher. Die Kapitalgarantie gelte bei Auszahlung am Laufzeitende. Über das Kapitalmarktrisiko wurde nicht gesprochen, auch die Möglichkeit der vorzeitigen Beendigung der Anleihe durch die Emittentin war nicht Thema. Ein Hinweis auf die Emissionsbedingungen erfolgte nicht. Tatsächlich kündigte die Bank die Anleihe im Jahr 2007 und zahlte nur einen Betrag von € 17.345,52 aus. Bei Kenntnis der Auflösungsmöglichkeit seitens der Emittentin hätte die Konsumentin das Geld auf einem Sparbuch veranlagt und dabei einen Zinssatz von etwa 3,125 % lukriert.

Der VKI klagte im Auftrag des BMASK auf Auszahlung jenes Schadens, welcher im Verhältnis zu einer Alternativveranlagung eingetreten ist.

Das HG Wien beurteilt die Beratung der Bank als fehlerhaft. Beim Wunsch nach einer risikoarmen Veranlagung kommt einer 100%-igen Kapitalgarantie nämlich große Bedeutung zu. Die Beratung durch die Bank erfüllt für das HG Wien insbesondere nicht die Vorgaben des § 13 Z 4 WAG alt, wonach die Bank verpflichtet ist, ihrem Kunden alle zweckdienlichen Informationen mitzuteilen, soweit dies zur Wahrung der Interessen des Kunden im Hinblick auf die Art und den Umfang des beabsichtigten Geschäfts erforderlich ist. Es wäre nämlich über die theoretische Möglichkeit einer vorzeitigen Kündigung durch die Emittentin aufzuklären gewesen. Selbst wenn die Möglichkeit einer vorzeitigen Beendigung gering war, liegt somit keine anlegergerechte Beratung vor.

Das HG Wien weist auch darauf hin, dass allenfalls vorausgesetz werden kann, dass bei einer Kündigung durch den Anleger nicht der Gesamtbetrag ausbezahlt wird. Allerdings kommt es nach der allgemeinen Lebensverfahrung höchst selten vor, dass die Anleihe durch den Emittenten einer Anleihe vorzeitig gekündigt wird. Ebenso gehört es nicht zur allgemeinen Lebenserfahrung, dass sich durch die Kündigung des Emittenten negative Effekte auf die Höhe des Auszahlungsbetrages ergeben.

Das Nichtlesen der Emissionsbedingungen kann im Übrigen schon deshalb kein Mitverschulden darstellen, weil die beiderseitige Kündigungsmöglichkeit auch in den Emissionsbedingungen nicht klar dargestellt wird. Außerdem darf sich ein sachunkundiger Anleger auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der ihm erteilten Aufklärung und Beratung verlassen (vgl. BGH III, ZR 249/09). Auch eine Verpflichtung zu einer neuerlichen Veranlagung des sich auf Grund der Kündigung ausbezahlten Kapitals bei der beratenden Bank zur Schadensminderung kann nicht angenommen werden.

Die Bank hätte der Konsumentin daher den Schaden zu ersetzen. Dieser setzt sich aus dem tatsächlichen Kapitalverlust in Höhe von € 2.654,48, den Ankaufsspesen der Anleihe in Höhe von € 900,-- und dem Nettoertrag aus einer Sparbuchveranlagung aus dem Zeitraum zwischen 2004 und 2007 zusammen.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

HG Wien 29.11.2010, 1 R 135/10i
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Klagevertreter: Dr. Alexander Klauser, RA in Wien

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