Dies als Anlass, die derzeit vorliegende Judikatur kurz zu analysieren:
a) HG Wien 30.8.2001, 1 R 294/01h
Das HG Wien wies die Klage eines Kreditnehmers auf Rückzahlung von rund 60.000 Schilling (4.360,37 Euro) ab. Die ordentliche Revision war zugelassen, wurde nicht ergriffen; das Urteil ist daher rechtskräftig.
Viele Fehler des Klagevertreters
Das Urteil weist auf viele Fehler des Klagevertreters hin, der in erster Instanz wichtiges Vorbringen unterlassen hatte und dessen Argumente in der Berufung daher wegen des Neuerungsverbotes unbeachtlich blieben.
Das Gericht geht davon aus, dass die im Vertrag vereinbarte Klausel eine Zinsanpassungsklausel sei, die es - im Gegensatz zu den heute üblichen Zinsgleitklauseln - der Bank überlasse, anhand der Parameter (Zinsniveau für Einlagen, Zinsniveau auf Geld- und Kreditmarkt, kredit- und währungspolitische Maßnahmen) im "billigen Ermessen" die Kreditzinsen anzupassen.
Das Gericht geht richtig davon aus, dass
- analog § 1056 ABGB ein einseitiges Preisbestimmungsrecht eingeräumt worden sei
- für Verbrauchergeschäfte § 6 Abs 1 Z 5 KSchG aF zu beachten sei
- die Klausel jedenfalls "zweiseitig" (Ermächtigung zur Erhöhung - Verpflichtung zur Senkung) auszulegen sei
- die Parameter für Zinsänderungen sachlich gerechtfertigt sein müssten (keine geld- und kapitalmarktfremden Faktoren).
Das Gericht sieht (uE verfehlt) die Bestimmtheit der maßgebenden Umstände als gegeben an. Es zitiert OGH-Entscheidungen, die alle nicht zu Fällen ergangen sind, auf die das KSchG anzuwenden war. Es zitiert BGH-Entscheidungen ohne darauf einzugehen, dass die deutsche Rechtslage (es fehlt eine Bestimmung wie der § 6 Abs 1 Z 5 KSchG) von der österreichischen wesentlich abweicht. Und das Gericht geht auf die Entscheidung des OLG Wien 30.8.1995, 6 R 571/94 sowie auf gewichtige Stimmen in der Literatur nicht ein.
Daher kommt das Gericht dazu, die Klausel sei wirksam und es wären - hätte dies der Kläger in der ersten Instanz vorgebracht - die Zinsanpassungen der beklagte Bank im Lichte des "billigen Ermessens" zu prüfen gewesen. Das Gericht geht dabei nicht darauf ein, dass dann, wenn der Kläger Bedenken an der Ausübung des "billigen Ermessens" erwecken kann, es wohl Aufgabe der beklagte Bank wäre, anhand konkreter Daten das "billige Ermessen" zu beweisen.
Entscheidung des OGH erwünscht
Die Zulassung der oRevision - im Hinblick auf eine jüngst ergangene OGH Entscheidung in einer Verbandsklage des VKI gegen eine Bank - zeigt auch, dass das Berufungsgericht die Lösung als umstreitbar ansieht und eine Entscheidung des OGH ermöglichen wollte.
b) LG Salzburg 29.11.2001, 53 R 377/01z
Der Klage eines Kreditnehmers auf Rückzahlung von 12.000 Schilling ( 872,07 Euro) wurde in erster Instanz stattgegeben. Das Berufungsgericht hat diese Entscheidung aufgehoben und der ersten Instanz eine Verfahrensergänzung aufgetragen. Der Beschluss ist nicht anfechtbar.
Das Gericht orientiert sich über weite Strecken an der Entscheidung des HG Wien (s.o.). Das Gericht geht aber auf § 6 Abs 1 Z 5 KSchG überhaupt nicht ein und geht daher von der Vereinbarung eines einseitigen Preisbestimmungsrechtes der Bank im Sinne des
§ 1056 ABGB aus. Die Bank könne den Zinssatz "in billigem Ermessen" anpassen.
Das Berufungsgericht möchte die Zinsanpassungen der beklagten Bank im Vergleich zu marktüblichen Zinssätzen vergleichbarer Kredite im Vergleichszeitraum geprüft sehen, da die darin steckenden typischen Refinanzierungskosten als mittelbare Parameter für die Refinanzierungskosten wirken würden. Auch werde zu prüfen sein, ob die Zinsmarge im maßgeblichen Zeitraum bankenüblich war. Erst dann sei zu entscheiden, ob die Bank "im billigen Ermessen" angepasst hat oder ein Rückzahlungsbegehren gerechtfertigt sei.
c) LGZ Graz 25.10.2001, 6 R 277/01a
Ein Kreditnehmer klagt - mit Deckung seiner RS-Versicherung - die Bank auf Rückzahlung von rund 60.000 Schilling (4360,37 Euro). Das Erstgericht weist die Klage wegen Verjährung ab. Das Berufungsgericht hebt die Entscheidung auf und weist zur weiteren Verhandlung an das Erstgericht zurück. Das Berufungsgericht lässt aber den oRevisionsrekurs zu. Wenn die diesen Bank ergreift, kann es in diesem Fall in absehbarer Zeit zu einer Grundsatzentscheidung des OGH kommen.
Verjährung kein Thema
Das Berufungsgericht geht auf die Frage der Verjährung nicht ein (sieht dies aber offensichtlich nicht als gegeben an) und folgt im wesentlichen unserer Argumentation: Die Zinsanpassungsklausel ist zweiseitig auszulegen, die Parameter sind zu unbestimmt, die Klausel ist daher relativ nichtig und es ist eine ergänzende Vertragsauslegung nötig.
Sachverständigen beiziehen
Das Berufungsgericht folgt aber nicht einfach der Argumentation, der Vertrag sei nach SMR + VIBOR/2 nachzurechnen, sondern beschließt, das Erstgericht möge mit einem Sachverständigen feststellen, wie der Vertrag auszulegen sei (also wie der Kredit nachgerechnet werden kann.)
Diese drei Entscheidungen von Instanzgerichten zeigen:
- Inwieweit die Parameter der alten Zinsanpassungsklauseln im Lichte des § 6 Abs 1 Z 5 KSchG bestimmt genug sind.
- Wie ein Kredit nachzurechnen ist, wenn
- die Klausel nichtig ist
- die Klausel wirksam ist, aber das "billige Ermessen" geprüft wird.
Wir werden weiter berichten.