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Urteil: kitzVenture: Werbung und Klauseln unzulässig

Der VKI klagte im Auftrag des Sozialministeriums die kitzVenture GmbH, zum einen wegen irreführender Werbung und zum anderen wegen Klauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Bereits nach der ersten Instanz (LG Innsbruck 69 Cg 20/17s) wurde der Klage rechtskräftig wegen der irreführenden Werbung und bzgl vier Klauseln stattgegeben (siehe unten in der Anmerkung). Gegenstand des Verfahrens vor dem OLG Innsbruck waren nur noch einige Klauseln in den AGB, die speziell das Nachrangdarlehen zum Inhalt haben. Während die 1.Instanz diesbezüglich das Klagebegehren abwies, gab das OLG Innsbruck diesem statt.

Unzulässig laut OLG Innsbruck sind folgende Klauseln:

3.4. Die Zahlung von Zinsen kann nur aus dem frei verfügbaren Jahresüberschuss oder aus dem frei verfügbaren Vermögen der Emittentin sowie nach Befriedigung sämtlicher vorrangiger Gläubiger erfolgen. Mangels Vorliegens dieser Voraussetzungen ist eine Auszahlung von Zinsen am jeweiligen Zinszahlungstermin nicht möglich und kann erst am nächsten Zinszahlungstermin erfolgen, bei welchem die Voraussetzungen vorliegen.

5.1. Bei dem Venture-Loan-Investments handelt es sich um ein "qualifiziertes nachrangiges Darlehen‟. Auf Grund der qualifizierten Nachrangigkeit des Darlehens kann die Rückzahlung des Darlehens und/oder der Zinsen für den Fall, dass über die Gesellschaft ein  Insolvenzverfahren eröffnet oder mangels Vermögens abgewiesen wird oder aber für den Fall, dass durch die Auszahlung ein Insolvenzgrund herbeigeführt werden würde, erst nach der Befriedigung aller anderen (vorrangigen) Gläubiger erfolgen und ist daher die Rückzahlung des Darlehens und/oder der Zinsen von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Darlehensnehmerin abhängig.

5.2. Die Rückzahlung des Darlehens einschließlich der Zinsen kann nur aus dem frei verfügbaren Jahresüberschuss oder aus dem frei verfügbaren Vermögen der Gesellschaft, nach der Befriedigung sämtlicher vorrangiger Gläubiger, erfolgen.

Das Vertragsanbot der Beklagten, welches Investitionen ab EUR 250,-- ermöglicht, richtet sich insbesondere auch an Privatanleger, die lediglich Kleinstbeträge veranlagen möchten, sohin (auch) an Personen, die möglicherweise weder rechtliche noch wirtschaftliche Grundkenntnisse haben. Ihr Verständnis der gegenständlichen Klauseln ist daher als Maßstab für die Transparenz heranzuziehen.

Die Tatbestandsvoraussetzungen für die Beschränkung der Zahlungspflichten des Darlehensnehmers in den inkriminierten Klauseln sind völlig unbestimmt und lassen eine Beurteilung, unter welchen Voraussetzungen sich der Darlehensnehmer darauf berufen kann, (ganz oder vorübergehend) Zinsen nicht zahlen zu müssen und/oder das Kapital samt Zinsen nicht zurückzahlen zu müssen, nicht zu:

Nach Pkt 3.4. kann die Zahlung von Zinsen nur aus dem frei verfügbaren Jahresüberschuss oder aus dem frei verfügbaren Vermögen der Emittentin sowie nach Befriedigung sämtlicher vorrangiger Gläubiger erfolgen. Was unter dem frei verfügbaren Jahresüberschuss zu verstehen ist bzw. welche Teile des Jahresüberschusses als "frei verfügbar‟ anzusehen ist, ist aus der Formulierung nicht erkennbar, ebenso nicht, welche Vermögenswerte zu den "frei verfügbaren‟ zählen. Das Gleiche gilt für die Formulierung in Punkt 5.2., welche die Rückzahlung des Darlehens einschließlich Zinsen wiederum auf den frei verfügbaren Jahresüberschuss oder das frei verfügbare Vermögen der Gesellschaft beschränkt.

Auch die Klausel Pkt 5.1. muss - jedenfalls bei der vorzunehmenden kundenfreindlichsten Auslegung - als unzureichend bestimmt angesehen werden:

Darin wird zwar die Rückzahlung des Darlehens und/oder der Zinsen zunächst auf den Fall beschränkt, dass hiedurch ein Insolvenzgrund verwirklicht würde; im weiteren Text ist aber festgehalten "... und ist daher die Rückzahlung des Darlehens und/oder der Zinsen von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Darlehensnehmerin abhängig‟.

Ob mit dieser Formulierung eine - von einer drohenden Eröffnung eines Insolvenzverfahrens losgelöste - Beschränkung der Rückzahlungsverpflichtung in Abhängigkeit von einer nicht näher definierten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Darlehensnehmerin gemeint ist, ist - insbesondere im Hinblick auf die in den Klauseln 3.4. und 5.2. enthaltenen Einschränkungen der Rückzahlungsverpflichtung - jedenfalls bei kundenfeindlichster Auslegung nicht erkennbar.

Damit verstoßen die Klauseln 3.4., 5.1., und 5.2. gegen das in § 6 Abs 3 KSchG normierte Transparenzgebot, sodass dem auf Unterlassung dieser Klauseln gerichteten Klagebegehren stattzugeben ist; darauf, ob die genannten Klauseln zusätzlich auch gegen § 6 Abs 2 Z 3 KSchG verstoßen, weil die Leistungseinschränkungsvorbehalte nicht zweiseitig ausgestaltet sind, kommt es demzufolge nicht an.

Ob Nachrangklauseln, die die Rückzahlungsverpflichtung des Darlehensnehmers nicht nur auf den Fall einer Krise im Sinne des EKEG oder der drohenden Insolvenz des Darlehensnehmers beschränken, noch als Beschreibung einer Hauptleistungspflicht zu qualifizieren sind und daher in diesem (weitergehenden) Umfang einer Inhaltskontrolle nach § 879 Abs 3 ABGB unterliegen, kann dahingestellt bleiben.

Das Urteil ist rechtskräftig.

OLG Innsbruck 8.3.2018, 2 R 176/17z
Volltextservice
Klagsvertreter: Dr. Stefan LANGER, RA in Wien

Anmerkung:

Verletzungen des Wettbewerbsrechts: Bereits nach der 1.Instanz (LG Innsbruck 24.10.2017, 69 Cg 20/17s) wurde Folgendes rechtskräftig

kitzVenture muss es unterlassen, den unrichtigen Eindruck zu erwecken,

  1. sie biete planbare Möglichkeiten der Geldanlage an, etwa durch die Aussage "berechenbar - 9,75 % Zinsen p.a. (fest vereinbarte Verzinsung von 9,75 % p.a.), planbar (jährliche Zinsenzahlung)" oder sinngleich, wenn die von ihr angebotene Veranlagung tatsächlich in der Einräumung von qualifiziert nachrangigen Darlehen besteht, deren Zins- und/oder Rückzahlung aus Gründen unterbleiben kann, die für den Anleger nicht berechen- oder planbar sind, insbesondere wenn die Emissonsbedingungen die Zins- und Kapitalrückzahlung nur aus dem "frei verfügbaren Jahresüberschuss" oder aus dem "frei verfügbaren Vermögen der Emittentin" sowie "nach Befriedigung sämtlicher vorrangiger Gläubiger" zulassen;
  2. die von ihr angebotene Möglichkeit der Geldanlage weise ein ausgewogenes Chancen-Risiko-Verhältnis auf, insbesondere durch Aussagen wie "das Venture-Loan-Investment bietet ein ausgewogenes Chancen-Risiko-Verhältnis"; "das Risiko bleibt für den Anleger überschaubar" oder sinngleichen Aussagen, wenn tatsächlich dem Anleger mit der angebotenen Veranlagung ein wirtschaftliches Risiko aufgebürdet wird, das jenem eines Gesellschafters gleich kommt oder es übersteigt, ohne ihm die Chancen eines Gesellschafters, insbesondere einen Anteil am Gewinn, den stillen Reserven und dem Firmenwert einzuräumen;
  3. der Begriff "Nachrangdarlehen" bedeute, dass das Darlehen erst am Ende der Laufzeit zur Rückzahlung fällig wäre;
  4. sie biete die Möglichkeit der Geldanlage ähnlich einer Unternehmensbeteiligung an, etwa durch blickfangartig hervorgehobene Hinweise wie "langfristiges Wachstum steht im Mittelpunkt", oder "Heimische Wirtschaft fördern" oder sinngleiche Aussagen, wenn sie tatsächlich nur qualifiziert nachrangige Darlehen als Geldanlage anbietet, die dem Anleger keinen Anteil am Gewinn, den stillen Reserven und/oder Firmenwert der Investitionsobjekte einräumen;
  5. das Risiko eines Totalverlustes bei der von ihr beworbenen Veranlagung sei sehr gering, weil die Beklagte in mehrere Unternehmen investiere und dadurch das Kapital der Anleger streue, insbesondere durch Aussagen wie "Risikostreuung durch die Beteiligung an bzw. die Finanzierung mehrerer Start-Ups und Unternehmen"; "Da die kitzVenture in mehrere Unternehmen investiert und das Kapital gestreut wird, bleibt das Risiko der Anleger überschaubar. Zudem wird jede Idee eines Gründers oder Unternehmers eingehend geprüft und gefiltert, sodass die Chance für einen Totalverlust sehr gering ist" oder sinngleiche Aussagen, wenn tatsächlich das Risiko besteht, dass mangels ausreichender Anzahl an Beteiligungen ein ausreichender Grad an Diversifikation nicht erreicht werden kann, und die Beklagte auf diesen Umstand nicht ausreichend deutlich hinweist.

kitzVenture muss es weiters unterlassen, für Geldanlagen in Form von qualifiziert nachrangigen Darlehen 

  1. Werbeaussagen zu verwenden, die ausschließlich die Chancen der Veranlagung auffällig darstellen, wie beispielsweise die Werbeslogans "Die clevere Geldanlage mit 9,75 % Zinsen", "die optimale Anlagemöglichkeit" oder sinngleiche Anpreisungen, ohne gleichzeitig in räumlichem und thematischem Zusammenhang mit ausreichender Deutlichkeit auf die mit diesen Chancen verbundenen, nicht bloß unerheblichen Risiken der Veranlagung, insbesondere des Rückstehens mit den Ansprüchen auf Zins- oder Darlehensrückzahlung bis hin zum Verlust der Einlage zur Befriedigung anderer Gläubiger der Emittentin hinzuweisen;
  2. die 3-jährige Laufzeit als überschaubar und daher vorteilhaft zu bewerben, wenn die von ihr angebotene Geldanlage laut Kapitalmarktprospekt tatsächlich nur von Anlegern in Erwägung gezogen werden sollte, die über einen Investitionshorizont von mindestens 3 Jahren und einen ausreichenden finanziellen Spielraum verfügen;
  3. einen attraktiven fixen Zinssatz, wie etwa 9,75 % p.a. ab einer Einlage von EUR 250,-- zu bewerben, etwa durch Aussagen wie "9,75 % ab EUR 250,--" im Zusammenhang mit "fest vereinbarte Verzinsung" oder "regelmäßige Zinszahlungen" oder sinngleich, ohne ausreichend deutlich darauf hinzuweisen, dass sowohl die Auszahlung von Zinsen als auch die Rückführung des veranlagten Kapitals laut Emissionsbedingungen unterbleiben kann, wenn dies der "frei verfügbare Jahresüberschuss" oder das "frei verfügbare Vermögen der Emittentin" sowie die "Befriedigung sämtlicher vorrangiger Gläubiger" nicht zulassen.

Folgende Klauseln wurden ebenfalls bereits in 1.Instanz rechtskräftig für unzulässig erklärt:

8.2 Gerichtsstand für sämtliche Streitigkeiten aus und im Zusammenhang mit diesem Vertrag ist, soweit gesetzlich zulässig, der Sitz der Gesellschaft.

8.3 Änderungen oder Ergänzung dieses Vertrages bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Dies gilt auch für einen etwaigen Verzicht sowie für das Abgehen vom vorgenannten Schriftformerfordernis.

8.4 Nebenabreden wurden außerhalb dieses Vertrages nicht getroffen.

8.5 Sollten einzelne Bestimmungen dieses Vertrages ganz oder teilweise unwirksam sein oder werden oder sollte sich in diesem Vertrag eine Lücke befinden, so wird hierdurch die Gültigkeit der übrigen Bestimmungen nicht berührt. Anstelle der unwirksamen Bestimmung ist eine solche wirksame Bestimmung zu vereinbaren, die dem Sinn und Zweck der unwirksamen Bestimmung, insbesondere ihrer wirtschaftlichen Intention entspricht. Im Falle einer Lücke ist diejenige Bestimmung zu vereinbaren, die nach dem Sinn und Zweck dieses Vertrages vereinbart worden wäre, hätte man diesen Punkt von vornherein bedacht.
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