Anlass für diesen Musterprozess war der Konkurs der Riegerbank. Durch ihn haben Privatanleger in Anleihen veranlagtes Geld in Millionenhöhe verloren.
Die beklagte Partei war für das Geschäftsjahr 2007 Bankprüfer der Riegerbank AG.
Im Zuge der Abschlussprüfung für das Jahr 1997 erhielt die beklagte Partei von der Riegerbank AG zwei Saldenbestätigungen der CA Global Futures Terminkontrakte AG in Kopie übermittelt, welche ein Guthaben der Riegerbank in Höhe von ATS 306,202.091,32 belegen sollten. Diese Bestätigungen legte die beklagte Partei ihrer Prüfungstätigkeit zu Grunde, ohne deren Richtigkeit durch Rückfrage bei der CA Global Futures Terminkontrakte AG zu verifizieren und insbesondere ohne eine Saldenbestätigung durch diese Gesellschaft einzuholen. Der beklagte Wirtschaftsprüfer verfügte nicht über die Originale und hatte sich auch nicht um solche bemüht.
Tatsächlich hatte die Riegerbank AG zum 31.12.1997 keinen derartigen Guthabensstand bei dieser Gesellschaft. Das Originalkonto wies einen Saldo von Null auf. Am 12.3.1998 schloss die beklagte Partei die Prüfung der Bilanz der Riegerbank für das Jahr 1997 ab und erteilte den uneingeschränkten Bestätigungsvermerk. Dieser Bestätigungsvermerk wurde von der Riegerbank AG ohne Wissen und Zustimmung der Beklagten in Werbeunterlagen verwendet. Ohne die in den beiden verfälschten Saldenbestätigungen für das Jahr 1997 ausgewiesenen Guthaben war bei der Riegerbank AG das gesamte Eigenkapital verbraucht und es lag eine Überschuldung vor.
Im Sommer 1998 erfuhr die Klägerin durch ein Zeitungsinserat und eine Wirtschaftssendung des ORF von der Riegerbankanleihe. Sie ersuchte daraufhin telefonisch bei der Diskont Bank AG, wo die Riegerbank-Anleihe vertrieben wurde, um Übermittlung von Unterlagen. Nach Durchsicht der Unterlagen entschloss sich die Klägerin, die Riegerbank-Anleihe zu zeichnen, wobei der in der Werbeunterlage enthaltene Bestätigungsvermerk der beklagten Partei eine wesentliche Entscheidungsgrundlage für sie war. Am 28.7.1998 zeichnete sie für ATS 50.000,-- Riegerbank-Anleihen.
In weiter Folge wurde am 27.10.1998 über das Vermögen der Riegerbank AG und am 1.12.1998 über das Vermögen der Diskontbank AG das Konkursverfahren eröffnet. Beide Verfahren sind nach wie vor anhängig. In beiden Verfahren meldete die Klägerin ihre Konkursforderung an. Im Konkurs der Riegerbank wurde die Forderung der Klägerin anerkannt. Sie erhielt Zahlungen von ATS 1.221,01 und € 167,28. Im Konkurs der Diskontbank wurde die Forderung vom Masseverwalter bestritten. Mangels Rechtsschutzdeckung nahm die Klägerin von einer Klagsführung im Konkurs der Diskontbank AG Abstand.
Klage gegen Abschlussprüfer
Mit Unterstützung des VKI begehrte die Klägerin die Feststellung, dass der beklagte Abschlussprüfer für alle Schäden hafte, die ihr durch die Ausstellung eines unrichtigen Prüfvermerks entstanden seien.
Das Erstgericht führte zunächst aus, dass das Feststellungsbegehren zulässig sei, weil im
Konkursverfahren bisher nur Zwischenausschüttungen erfolgten und der Schaden daher noch nicht bezifferbar sei.
Die Dritthaftung des Abschlussprüfers wurde bereits in einem Vorverfahren (OGH 29.12.2006, 5 Ob 123/06h) ausführlich erörtert und im Ergebnis auch bejaht. Die zu beurteilende Riegerbank-Anleihe war als Daueremission gemäß § 3 Abs 1 Z 3 KMG von der Prospektpflicht ausgenommen. Die Vorschriften des § 11 und § 80 BörseG, die die Prospekthaftung des Abschlussprüfers regeln, waren auf die Riegerbank-Anleihe daher nicht anzuwenden. Die Haftung des beklagten Abschlussprüfers war somit nach § 275 HGB zu beurteilen. Schon im Vorverfahren hatte der OGH ausgesprochen, dass bei der Frage der Vorwerfbarkeit der von der beklagten Partei nicht erkannten Bilanzfälschung von leichter Fahrlässigkeit nicht die Rede sein könne sondern eine gravierende Sorgfaltsverletzung zu beanstanden sei.
Das Erstgericht übernahm die Rechtsmeinung des OGH und bejahte die Haftung im konkreten Fall mit folgender Begründung
Die Beklagte habe dem Grundsatz ordnungsgemäßer Prüfung zuwidergehandelt. Vermögens- und Schuldposten, die einen wesentlichen Einfluss auf den Jahresabschluss haben, hätten auf vollständige und richtige Erfassung geprüft werden müssen; im Konkreten durch die Einholung von Saldenbestätigungen des Schuldners für Forderungen.
Angesichts des Umstandes, dass im vorliegenden Fall die angeblichen Forderungen gegenüber der CA Global Futures Terminkontrakte AG nahezu 50% der Bilanzsumme der Riegerbank AG ausmachten und die nur in Kopie vorliegenden Saldenbestätigungen (noch dazu vom geprüften Unternehmen selbst zur Verfügung gestellt) der einzige Nachweis für die Guthaben waren (ohne deren Bestand das Unternehmen überschuldet war), stelle die Nichterfüllung der in den Richtlinien für Wirtschaftstreuhänder für solche Fälle unbedingt vorgesehene Einholung von Saldenbestätigungen durch den angeblichen Schuldner eine derart grobe Vernachlässigung der grundsätzlichen Prüfungspflichten dar, dass der beklagten Partei auf eine ihr vom geprüften Unternehmen selbst übergebene Kopie verlassen habe, könne von einer "Bestandsprüfung" der maßgeblichen Vermögenswerte keine Rede sein. Durch den von der beklagten Partei gesetzten Bestätigungsvermerk seien potenzielle Anleger motiviert worden, Riegerbank-Anleihen zu kaufen.
Obwohl der Abschlussprüfer nur zur geprüften Gesellschaft in einem Vertragsverhältnis stehe und aus § 275 HGB eine Haftung gegenüber dritten Personen, dh Gläubiger und Anleger der Gesellschaft, nicht unmittelbar abgeleitet werden könne, würden ihn dennoch aus einem Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter Schutz- und Sorgfaltspflichten gegenüber (potenziellen) Gläubigern der Gesellschaft treffen.
Vernachlässige der Abschlussprüfer die ihm bei Erfüllung seines Prüfungsauftrages obliegenden Sorgfaltspflichten und stelle deshalb einen unrichtigen Bestätigungsvermerk aus, werde er dem Dritten gegenüber, der im Vertrauen auf die Verlässlichkeit dieses Bestätigungsvermerkes disponiere und dadurch einen Schaden erleide, ersatzpflichtig.
Anleger würden sich gerade auf die Sorgfalt und die Sachkunde des Abschlussprüfers verlassen. Die beklagte Partei hafte daher der Klägerin für jenen Schaden, den sie durch Zeichnung der Riegerbank-Anleihen erlitten habe.
Ein allfälliges Mitverschulden der Klägerin wurde verneint. Die auf das behauptete Mitverschulden gestützte Gegenforderung der beklagten Partei war aber schon deshalb unzulässig, weil gegen ein Feststellungsbegehren nicht mit einem Zahlungsbegehren aufgerechnet werden könne, so das Erstgericht.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig; die beklagte Partei hat Berufung erhoben.
BG Hietzing 9 C 1381/01t, 23.5.2008
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Klagevertreter: Dr. Stefan Langer, RA in Wien