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Urteil: Krankenversicherungen

Der OGH hat in einem Verbandsklagsverfahren wegen einer Tarifanpassungsklausel in Krankenversicherungsverträgen die Klage des VKI abgewiesen und damit der ex-ante-Kontrolle defacto eine Abfuhr erteilt.

Die Uniqa Versicherung hatte in ihren Versicherungsbedingungen folgende Klauseln aufgenommen:

1. "Der Versicherer ist berechtigt, Änderungen der Allgemeinen Versicherungsbedingungen und der Tarife vorzunehmen, wenn sie aufgrund von Veränderungen der im Tarif angeführten Faktoren, des Gesundheitswesens oder der dafür geltenden gesetzlichen Bestimmungen erforderlich sind".

2. "Sofern im Tarif nicht anders geregelt, gelten die in § 178f (2) VersVG angeführten Faktoren als vereinbart: (folgend das Zitat von § 178f Abs.2 VersVG)."

Kurz zur Rechtslage im Versicherungsvertragsgesetz (VersVG): In § 178f Abs 1 VersVG wird festgelegt, dass eine Vereinbarung, nach der der Versicherer berechtigt ist, die Prämie nach Vertragsabschluss einseitig zu erhöhen oder den Versicherungsschutz einseitig zu ändern nur mit den sich aus den Abs 2 und 3 ergebenden Einschränkungen wirksam ist, dies unbeschadet der §§ 6 Abs 1 Z 5 KSchG und § 6 Abs 2 Z 3 KSchG. In § 178f Abs 2 VersVG werden dann jene Faktoren genannt, bei deren Veränderung die Versicherung die Prämie abändern kann, so etwa wenn sich die Häufigkeit der Inanspruchnahme von Leistungen oder die Entgelte für die Inanspruchnahme der Gesundheitseinrichtungen ändern.

Teilerfolg für den VKI

Der VKI forderte - im Auftrag des BMJ (Sektion Konsumentenschutz) - die Versicherung auf, die unter 1. genannte Klausel nicht mehr zu verwenden. Er argumentierte, dass die Klausel gegen § 6 Abs 1 Z 5 KSchG (Verpflichtung auch zur Preissenkung bei entsprechender Änderung der Faktoren) und § 6 Abs 2 Z 3 KSchG (Leistungsänderungen ohne Beschränkung auf deren "Zumutbarkeit") verstoße. Die Versicherung verpflichtete sich daraufhin zwar dazu, diese Klausel nicht mehr zu verwenden und sich auch nicht darauf zu berufen, bei Altverträgen aber mit der Einschränkung auf einen darin gelegenen Verstoß gegen § 6 Abs 1 Z 5 KSchG. Ein Verstoß gegen § 6 Abs 2 Z 3 KSchG liege hingegen nicht vor. Zur Klärung der Frage, inwieweit auch ein Verstoß gegen § 6 Abs 2 Z 3 KSchG vorliege, wurde die Verbandsklage eingebracht.

Erst- und Zweitgericht gingen davon aus, dass das durch die beanstandete Klausel gewährte Änderungsrecht keine für den Verbraucher erkennbare Begrenzung des Umfanges des Änderungsrechtes enthalte, vielmehr das Änderungsrecht lediglich dem Grunde nach auf die im § 178f VersVG genannten Faktoren beschränkt werde. Eine Beschränkung auf "zumutbare Änderungen" im Sinn des § 6 Abs 2 Z 3 KSchG fehle aber. Aus dem Transparenzgebot des § 6 Abs 3 KSchG müsse dem Verbraucher aber die Grenze eines Leistungsänderungsvorbehaltes des Unternehmers bereits in der Klausel deutlich gemacht werden.

OGH widerspricht Erst- und Zweitgericht

Der OGH schloss sich dieser Argumentation nicht an. Der OGH ist vielmehr der Ansicht, dass die Bestimmung des § 178f VersVG a priori sowohl den Anforderungen des § 6 Abs. 1 Z 5 als auch des § 6 Abs. 2 Z 3 KSchG entspricht: Dies ist allerdings mit dem Wortlaut von § 178f VersVG und mit den Materialien zur VersVG-Novelle 1994 nicht in Einklang zu bringen.

Durch die Rechtsansicht des OGH wird eine ex ante Kontrolle von Klauseln in Krankenversicherungsverträgen durch die in § 28 KSchG genannten Verbände praktisch ausgeschlossen. Umso mehr gewinnt dadurch die ex post Kontrolle nach § 178g VersVG an Bedeutung, also die Kontrolle von bereits vorgenommenen Änderungen. Nach dieser Bestimmung können die gleichen Verbände - also unter anderem der VKI - eine Prüfung der Geschäftsbedingungen bzw. Tarife der Krankenversicherungen vornehmen und gegen eine gesetzwidrige Änderung eines Krankenversicherungstarifes mit Unterlassungsklage vorgehen.

Totes Recht durch hohe Kosten

In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass eine derartige ex post Kontrolle bis dato offenbar von keiner der in § 178g VersVG genannten Organisationen durchgeführt wurde und daher die vom Gesetzgeber vorgesehene Bestimmung als totes Recht anzusehen ist. Ein Grund dafür dürften die Kosten (Gutachten) für eine derartige Überprüfung sein. Eine effektive Marktkontrolle in diesem Bereich ist somit derzeit de facto nicht existent - dies trotz der enormen Wichtigkeit: Immerhin wurden die Tarife der meisten Krankenversicherungen auch zu Beginn des Jahres 2002 wieder empfindlich erhöht.

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