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Urteil: MEL-Zertifikate: Schadenersatz gegen Berater

In einem Musterprozess des VKI im Auftrag der AK Vorarlberg prüfte das Bezirksgericht St. Pölten, ob der Anlageberater seinen Aufklärungs- und Beratungspflichten gegenüber der Anlegerin nachgekommen war und verneinte dies: Grob fahrlässig habe er entgegen den Wünschen und Bedürfnissen der Kundin zur Veranlagung in MEL-Zertifikate geraten. Der Konsumentin wurde Schadenersatz zugesprochen.

Weder hatte der Berater auf die Risiken der Anlage hingewiesen, noch überhaupt ein Produkt nach den erklärten Bedürfnissen der Konsumentin vermittelt. Vielmehr dürfte der Berater selbst geglaubt haben, dass die Papiere Anteile an Immobilien verbriefen. Da für die Kundin die Sicherheit einer Veranlagung im Vordergrund gewesen ist, und der ersparte Betrag ihr einziger finanzieller Polster war, liegt ihr Schaden - so das Bezirksgericht der Rechtsprechung des OGH folgende - bereits in der Vermittlung von MEL-Zertifikaten, nicht erst in deren negativer Performance. Grob fahrlässig habe es der Berater es unterlassen im Bewusstsein, dass die Konsumentin konservative Sparerin war, die kein Kapital aufs Spiel setzen wollte und an ein Risiko nicht dachte - sie über die Risiken der Anlage aufzuklären. Ein Mitverschulden der Konsumentin sah das Gericht allerdings im Ausmaß von einem Drittel darin, dass sie weder die Risikohinweise gelesen, noch die - vom Berater für sie ausgefüllte - Risikoklasse 4 (von 5) hinterfragt habe.

Die Konsumentin hatte ihre Ersparnisse (etwa € 15.000) im Herbst 2006 auf Anraten ihres Anlageberaters von der Firma ASSET Finanzmanagement in MEL-Zertifikate investiert. Obwohl die Anlegerin über ein bescheidenes Einkommen verfügte, und nach ihrer Scheidung die Ersparnisse (aus einer Abfertigung) in ein sicheres Produkt investieren wollte, riet der Berater der Firma ASSET Finanzmanagement GmbH zum Ankauf des Anlageprodukts "Meinl Europ. L.". Der Berater verletzte überdies Informations- und Aufklärungspflichten nach dem Wertpapieraufsichtsgesetz (WAG): Weder erwähnte er, dass es sich um Aktien bzw Aktien vertretende Zertifikate handle, noch welche Risiken bei derartigen Papieren bestehen. Insbesondere wies er nicht darauf hin, dass bei dieser Anlageform das Kapital teilweise oder auch ganz verloren gehen könne. Da die Konsumentin den Hinweis auf mögliche Kursschwankungen so verstand, dass die Höhe der Zinsen schwanken könne (und es also nur weniger oder vielleicht auch gar keinen Ertrag geben könne), sei der Berater nicht von seiner Haftung befreit. Als "kleine Sparerin" mit durchschnittlicher Bildung und ohne nähere Kenntnisse oder Erfahrungen mit Wertpapieren wurde ihr vom Berater das falsche Produkt vermittelt. Ihr Schaden trat daher bereits zum Zeitpunkt des Erwerbs dieses Produkts ein.

Das Verhalten des Beraters qualifizierte das Gericht als grob fahrlässig: Er unterließ - im Bewusstsein der Familien- und Einkommenssituation der Konsumentin bzw dass es sich um eine konservative Sparerin handelte, die kein Kapital aufs Spiel setzen wollte - jeglichen Hinweis auf Risken der MEL-Zertifikate. Er nützte vielmehr das bestehende Vertrauensverhältnis aus, indem er ihr die Wertpapiere als die "richtige Anlageform" anpries. Er zog den Vergleich mit der Sicherheit eines Sparbuches und beschrieb das Produkt als Anlage (direkt) in Immobilien, nämlich Einkaufszentren im Osten. Die Sicherheit der Investition in Immobilien und den zu erwartenden Betrag strich er dabei hervor. Dass die MEL Ltd eine Aktiengesellschaft in Jersey sei, die dem dortigen Aktienrecht unterliegt, erwähnte er nicht.

Das Gericht sprach der Konsumentin daher Schadenersatz zu: Wünschte der Kunde eine risikolose Anlage seines Kapitals, so ist ihm der Schaden schon dann entstanden, wenn er kein wertstabiles, sondern ein Kursschwankungen unterliegendes Wertpapier erworben hat. Einen Verstoß gegen die Pflichten aus dem Vermittlungsvertrag nahm das Gericht deswegen an, weil für die Kundin erklärtermaßen die Risikolosigkeit der Investition im Vordergrund stand. Der Berater nützt auch- die von der Kundin unterschriebene - Risikobelehrung nichts iS einer Haftungsbefreiung, weil für ihn erkennbar gewesen ist, dass sie nicht von ihr gelesen wurden. Allerdings nahm das Gericht ein Mitverschulden der Konsumentin an, da weder die Risikoklasse 4 hinterfragt, noch - trotz Kenntnis, dass es bei Aktien Risken gibt - den Umstand beachtet habe, dass sich der Kaufauftrag auf Aktien bezog.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

BG St. Pölten am 11.03.2011
4 C 875-09 k-17
Klagevertreter: RA Dr. Wallner

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