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Urteil: Mitversicherung von Kindern in Privathaftpflichtversicherung

Mitversicherung von volljährigen Kindern ist nach den gegenständlichen Versicherungsbedingungen unter drei Bedingungen vorgesehen, die alle drei vorliegen müssen: Das Kind darf nicht älter als 25 Jahre alt sein, es darf keinen eigenen Haushalt führen, und es darf über kein eigenes regelmäßiges Einkommen verfügen. Verdient das Kind 860 EUR p.M. als Lehrlingsentschädigung, verfügt es bereits über eigenes regelmäßiges Einkommen.

Der Kläger hat beim beklagten Versicherer eine Haushalts- und Privathaftpflichtversicherung abgeschlossen. Diesem Versicherungsvertrag liegen die Allgemeinen und Ergänzenden Allgemeinen Bedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHVB 1993 und EHVB 1993) des Beklagten zugrunde. Die EHVB 1993 lauten auszugsweise wie folgt:

"15. Privathaftpflicht
Die Versicherung erstreckt sich auch auf gleichartige Schadenersatzverpflichtungen ...
3.2 der minderjährigen Kinder des Versicherungsnehmers, seines mitversicherten Ehegatten oder Lebensgefährten; diese Kinder bleiben darüber hinaus bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres mitversichert, soferne und solange sie über keinen eigenen Haushalt und kein eigenes regelmäßiges Einkommen verfügen."

Die 18 ½ Jahre alte Tochter des Klägers erlitt, noch im gemeinsamen Haushalt mit dem Kläger wohnend, einen Schiunfall, aufgrund dessen sie vom Sozialversicherer der Unfallgegnerin auf den Ersatz von an diese erbrachten Leistungen im Umfang von 10.992,06 EUR klageweise in Anspruch genommen wird. Zum Unfallszeitpunkt bezog der Kläger noch Familienbeihilfe für seine Tochter, die eine Lehre im letzten Lehrjahr absolvierte und eine Lehrlingsentschädigung von 860 EUR pro Monat bezog, wovon sie ihre Dienstkleidung anzuschaffen hatte.

Der Kläger begehrte die Feststellung der Deckungspflicht des Beklagten für den von der Sozialversicherung der Unfallgegnerin geltend gemachten Schadenersatzanspruch.

Die Klage wurde abgewiesen:

Dass spätere Bedingungen die Deckung erweitert haben, ist unerheblich: Es ist unzulässig, neuere Fassungen von Versicherungsbedingungen zur Auslegung älterer AVB heranzuziehen. Im konkreten Fall sind die AHVB 2015 und EHVB 2015 unbeachtlich sind; maßgeblich sind die AHVB 1993 und EHVB 1993.

Pkt B.15.3.2 EHVB 1993 enthält keinen Ausschluss, sondern nach seinem klaren Wortlaut eine primäre Risikoumschreibung, indem der Kreis der versicherten Personen über den Versicherungsnehmer hinaus erweitert wird.

Eine Klausel in den AHVB 1993 und EHVB 1993 betreffend eine Privathaftpflichtversicherung, wonach minderjährige Kinder mitversichert sind, volljährige Kinder bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres jedoch nur dann, soferne und solange sie über keinen eigenen Haushalt und kein eigenes regelmäßiges Einkommen verfügen, ist dahin auszulegen, dass diese drei Voraussetzungen (Alter nicht über 25 Jahre, kein eigener Haushalt und kein eigenes regelmäßiges Einkommen) kumulativ vorliegen müssen. Liegt eine dieser Voraussetzungen nicht vor, so ist das Kind nicht mitversichert. Dem Wortlaut der Bestimmung ist auch keine weitere Einschränkung in Bezug auf die Höhe des regelmäßigen Einkommens des Kindes zu entnehmen.

Ob eine Grenze vernachlässigbaren Einkommens generell in Höhe der sozialversicherungsrechtlichen Geringfügigkeitsgrenze zu ziehen oder andere Parameter heranzuziehen wären, kann hier dahingestellt bleiben, weil eine Lehrlingsentschädigung im vierten Lehrjahr von monatlich 860 EUR keinesfalls als vernachlässigbarer Betrag anzusehen ist und daher jedenfalls als eigenes regelmäßiges Einkommen iSd AHVB 1993 und EHVB 1993 anzusehen ist. Dass eine Lehrlingsentschädigung "eigenes Einkommen" iSd AHVB 1993 und EHVB 1993 ist, auch wenn es nicht eine Höhe erreichen sollte, die eine im Familienrecht begründete Unterhaltspflicht gänzlich zum Erlöschen bringt, ergibt sich schon aus dem Umstand, dass die Klauseln nicht auf eine unterhaltsrechtliche Selbsterhaltungsfähigkeit abstellen. Auch eine Verknüpfung von Einkommen und Familienbeihilfenbezug, wie ihn der Kläger herstellen will, ist den geltenden AVB nicht zu entnehmen.

OGH 20.3.2019, 7 Ob 39/19i

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