Die Obliegenheit der Anspruchsberechtigten, eine Obduktion vornehmen zu lassen, ist unklar abgefasst.
Der VKI führte - im Auftrag des Sozialministeriums - eine Verbandsklage gegen die Zürich Versicherungs AG zu Vertragsklauseln in der Unfallversicherung. Beanstandet wurden ursprünglich 4 Klauseln. Zu zwei diskriminierenden Klauseln hatte sich die Zürich Versicherung schon in einem gerichtlichen Vergleich zur Unterlassung verpflichtet. Zu den übrigen beiden Klauseln liegt nunmehr die Entscheidung des OGH vor.
1. Klausel: Die Kosten der Ärztekommission werden von ihr festgesetzt und sind im Verhältnis des Obsiegens der beiden Parteien zu tragen. Der Anteil der Kosten, den der Anspruchsberechtigte zu tragen hat, ist mit 1 % der für Tod und Invalidität zusammen versicherten Summe, höchstens jedoch mit 25 % des strittigen Betrages begrenzt (Art. 16.7. der AUVB 2008).
Der OGH verweist zunächst darauf, dass der Versicherer auch alleine die Einleitung eines Ärztekommissionsverfahrens beantragen kann. Das Schiedsverfahren kann daher dem Versicherungsnehmer vom Versicherer aufgezwungen werden, und zwar mit den sich aus der Klausel ergebenden Kostenfolgen. Die Kostenfolgen sind bei näherer Betrachtung im Verhältnis zu den Bestimmungen der ZPO nachteilig.
So können im gerichtlichen Verfahren die Kosten der Sachverständigen vom Gericht auch im Instanzenzug geprüft werden, es gibt die Möglichkeit der Verfahrenshilfe und eine Warnpflicht des Sachverständigen nach § 25 Abs 1 GebAG 1975. Im Ärztekommissionsverfahren hingegen bestimmen die Ärzte ihre Gebühren ohne Überprüfungsmöglichkeit und ohne dass zumindest objektive Kriterien für deren Bestimmung festgelegt sind.
Hinzu kommt, dass die Versicherungsnehmer auch dann die Kosten tragen müssen, wenn die Entscheidung des Schiedsgerichtes offenbar von der wirklichen Sachlage erheblich abweicht, und zwar selbst dann, wenn die Versicherungsnehmer in einem folgenden Gerichtsverfahren obsiegen.
Bei den Kosten des Schiedsverfahrens handelt es sich nämlich normalerweise nicht um vorprozessuale Kosten, die in der Kostennote geltend gemacht werden könnten.
Damit sind Versicherungsnehmer der Gefahr ausgesetzt, im Fall eines Unterliegens im Schiedsverfahren völlig unangemessenen und unüberprüfbaren Kosten der Ärztekommission in beträchtlicher Höhe ausgesetzt zu sein. Diese Gefahr kann Versicherungsnehmer davor abschrecken, einen Anspruch aus der Unfallversicherung überhaupt beim Versicherer geltend zu machen.
Die Klausel ist daher gröblich benachteiliegend iSd § 879 Abs 3 ABGB.
2. Klausel: Als Obliegenheiten, deren Verletzung unserer Leistungsfreiheit nach Maßgabe des § 6 Abs 3 VersVG bewirkt, werden vereinbart: - Uns ist das Recht einzuräumen, die Leiche durch Ärzte obduzieren und nötigenfalls exhumieren zu lassen (Art. 21.2.3. der AUVB 2008).
Der OGH verweist zunächst darauf, dass grundsätzlich die betroffene Person selbst zu Lebzeiten über das Schicksal ihres Leichnams entscheidet. Nur soweit dieser Wille nicht erkennbar ist, haben die nächsten Angehörigen überhaupt das Recht über den Leichnam zu bestimmen. Für Obduktionen und Exhumierungen gelten überdies eine Reihe von bundesländerweise teils unterschiedlichen gesetzlichen Vorschriften.
Durch die Klausel wird weder festgelegt, durch wen und auf welche Weise das Recht zur Obduktion oder Exhumierung eingeräumt werden soll, noch in welchen Fällen dies erforderlich sein soll.
Hinzu kommt, dass aus der Verweigerung der Obduktion oder Exhumierung nicht automatisch eine Leistungsfreiheit abgeleitet werden kann. Wesentlich ist dabei, dass die begehrte Maßnahme zu einem entscheidungswesentlichen Beweis führt und damit das letzte noch fehlende Glied eines vom Versicherer zu führenden Beweises geliefert werden soll. Eine Leichenöffnung oder Exhumierung "ins Blaue hinein" ist jedenfalls unzulässig.
All dies kommt in der Klausel überhaupt nicht zum Ausdruck.
Außerdem bleibt unklar, wer Adressat dieser Obliegenheit sein soll. Erfüllen können die Obliegenheit nach dem Tod des Versicherungsnehmers nur die nahen Angehörigen. Diese müssen aber nicht anspruchsberechtigt sein. Wenn die Zustimmung bei mehreren Angehörigen überdies nicht einvernehmlich erteilt wird oder der Anspruchsberechtigte nicht auch naher Angehöriger ist, besteht überhaupt keine Möglichkeit, die Zustimmung zu verschaffen.
Schließlich bleibt unklar, in welcher Form das Recht einzuräumen ist, was wegen der unterschiedlichen Rechtsvorschriften in den Bundesländern bedeutsam ist.
Die Klausel ist daher in mehrfacher Hinsicht intransparent iSd § 6 Abs 3 KSchG.
OGH 10.9.2014, 7 Ob 113/14i
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Klagevertreter: Dr. Stefan Langer, RA in Wien