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Urteil: OGH im "Zinsenstreit" - Bereicherung der Bank beginnt erst mit Überzahlung des Kredites

Im Herbst 2003 hat der OGH die Fachwelt überrascht: Rückforderungsansprüche auf zuviel bezahlte Kreditzinsen würden - analog zu Miet- und Kleingartenrecht - binnen 3 Jahren (und nicht wie sonst üblich 30 Jahren) verjähren. Offen blieb die entscheidende Frage: Wann beginnt die Verjährungsfrist?

Diese Frage beantwortet der OGH in einem Musterprozess des VKI (im Auftrag des BMSG) nunmehr eindeutig: Bei Zahlung von Pauschalraten (Zinsen und Kapital) beginnt die Verjährungsfrist - unabhängig ob 3 oder 30 Jahre - erst mit "Überzahlung" des Kreditnehmers zu laufen.

Der OGH bestärkt auch seine Judikatur, wonach typische Zinsanpassungsklauseln der Banken aus der Zeit vor 1.3.1997 zu unbestimmt sind und man zur Kontrolle der Zinsanpassungen der Bank auf den hypothetischen Parteiwillen und die -  für die in der Klausel genannten Umstände bestehenden - objektiven Parameter abzustellen hat.

Der OGH weist auch darauf hin, dass ein Begehren auf Richtigstellung des Kontos als Leistungsbegehren zu formulieren ist, wobei die Formulierung als Feststellungsbegehren nicht schadet, sondern vom Gericht entsprechend umzuwandeln ist.

Die Entscheidung erging bezüglich eines Wohnbaudarlehens, dessen Besonderheit darin liegt, dass in Bundes- bzw nunmehr in Landesgesetzen konkrete Bestimmungen für die zulässige Höchstgrenzen der Verzinsung bestehen. Gem § 17 Wohnbauförderungsgesetz 1984 in der anzuwendenden Fassung dürfen die effektiven Kosten des Darlehens jährlich höchstens 1,5 Prozent über bestimmten Bundesanleihen liegen und muss bei einer Herabsetzung dieser Nominalverzinsung der Zinssatz entsprechend gesenkt werden. Obwohl die entsprechenden Bundesanleihen seit Krediteinräumung regelmäßig gefallen waren, wurden die Kreditzinsen im gegenständlichen Fall durch die kreditierende Bank nicht gesenkt - im Gegenteil: Es fanden sogar Erhöhungen des Zinssatzes statt!

Im Zeitpunkt der Einbringung der Klage Ende 2003 war der Kredit weder nach der Abrechnung der Bank noch nach der Nachrechnung des VKI getilgt. Obwohl die Gegenseite immer wieder damit argumentierte, dass der Rückforderungsanspruch zuviel bezahlter Zinsen mit der jeweiligen Zahlung der einzelnen Rate sofort entstünde und damit auch zu diesem Zeitpunkt zu verjähren beginne, folgte der OGH der Ansicht des VKI und der Lehre (insb Graf und Leitner), dass die Bereicherung erst im Zeitpunkt der "Überzahlung" - also in jenem Zeitpunkt, in welchem der Kredit bei ordnungsgemäßer Verzinsung bereits getilgt gewesen wäre, der Kreditnehmer aber weitere Zahlungen leistete - beginnt. Bis zu diesem Zeitpunkt steht dem Kreditnehmer aufgrund der Tilgungsabrede und § 1434 ABGB kein Bereicherungsanspruch nach § 1431 ABGB, sondern "lediglich" der Anspruch auf Berichtigung der Verrechnung zu.

Da somit im konkreten Fall der Bereicherungsanspruch noch gar nicht entstanden war, könne, so der OGH, die Frage der Dauer der Verjährungsfrist - 3 oder 30 Jahre - unerörtert bleiben.

In seiner Entscheidung vom 21.8.2003 (3 Ob 280/02a) hatte sich der 3. Senat noch der Ansicht der Entscheidung 4 Ob 73/03v angeschlossen. Die nunmehrige Entscheidung lässt sich mit der damals bejahten Analogie zum Mietrecht (§ 27 Abs 3 MRG) jedoch nicht mehr in Einklang bringen, weil die Grundlage der Analogie - periodische Ratenzahlungen würden mit periodischen Mietzinszahlungen vergleichbar sein - wegfällt.

In der Sache selbst, war folgende Zinsanpassungsklausel zu beurteilen:

"Der Darlehensnehmer hat zur Kenntnis genommen, dass die Bank berechtigt ist, die vereinbarten Konditionen herabzusetzen bzw zu erhöhen, wenn sich das Zinsniveau für Einlagen oder auf dem Geld- oder Kapitalmarkt verändert bzw kredit- oder währungspolitische Maßnahmen Änderungen auf dem Kreditmarkt bewirken."

Der OGH hatte bereits in seiner Leitentscheidung 4 Ob 73/03v eine ähnliche Klausel als gesetzwidrig beurteilt. Auch die vorliegende Klausel knüpft die Berechtigung zur Abänderung des Zinssatzes an den Eintritt einer Vielzahl von Lebenssachverhalten, umschreibt diese aber alle nur allgemein, generalklauselartig und unter Verwendung unbestimmter Begriffe. Die Klausel ist daher teilnichtig und - da davon ausgegangen wird, dass die Parteien einen variablen Zinssatz vereinbaren wollten - durch Auslegung nach dem hypothetischen Parteiwillen zu ersetzen. Dabei wird im fortgesetzen Verfahren ein Sachverständiger festzustellen haben, was unter den in der Klausel genannten Umständen gemeint war und welche objektiven Parameter dafür bestehen. Eine Bindung alleine an den Parameter aus der Wohnbauförderung hat der OGH abgelehnt.

Da der Kredit - bei Schluss der Streitverhandlung erster Instanz - noch aushaftete (und auch noch keine "Überzahlung" eingetreten war) begehrte der VKI die Feststellung, wie der Kredit richtig abzurechnen sei. Der OGH bewertet dieses Begehren als Leistungsbegehren, sagt aber auch klar, dass an der formlen Bezeichnung als Feststellungsbegehren nicht am Wortlaut festzuhalten ist, sondern das Gericht das Begehren einfach in ein Leistungsbegehren umzudeuten hat.

Diese Entscheidung des OGH bringt folgende Klarstellungen:

Die Verjährung der Rückforderung zuviel bezahlter Zinsen tritt - bei Pauschalraten - erst mit der "Überzahlung" ein und nicht mit jeder einzelnen Ratenzahlung; damit ist die Mehrzahl der in Musterprozessen und Sammelklagen des VKI eingeklagten Fälle keinesfalls verjährt.

Der OGH bestärkt seine Judikatur, dass Zinsanpassungsklauseln der Banken in variablen Verbraucherkreditverträgen aus der Zeit vor 1.3.1997 unbestimmt und daher teilnichtig sind. Die Lücke ist durch Auslegung nach dem hypothetischen Parteiwillen und anhand objektiver Parameter für die in der Klausel genannten Umstände zu schließen.

Das Begehren, die Kreditverrechnung richtig zu stellen, ist ein Leistungsbegehren. Wurde es als Feststellungsbegehren formuliert, dann hat dies das Gericht einfach richtigzustellen; es ist dies aber kein Grund, eine Klage abzuweisen.

Die Entscheidung lässt folgende Fragen noch offen:

Verjähren Rückforderungen zuviel bezahlter Kreditzinsen binnen 3 oder 30 Jahren?

(Es fällt auf, dass der 3. Senat noch im Herbst 2003 dies bejaht hatte, während er nunmehr sagt, dass er im konkreten Fall auf diese Frage nicht eingehen braucht, weil der Anspruch keinesfalls verjährt sei. Da weitere Musterfälle beim OGH zur Entscheidung liegen, darf man auf weitere Stellungnahmen des OGH gespannt sein. )

Was zieht man - statt der vereinbarten Klausel - zur Nachrechnung des Kredites heran?

(Dazu ist auch eine Verbandsklage des VKI gegen die BAWAG beim HG Wien anhängig. Unter Beiziehung eines dt Sachverständigen soll diese Frage generell geklärt werden.)

Im Herbst 2003 konnten die Konsumentenschützer mit den Sparkassen sowie mit der Bank Austria Creditanstalt einen aussergerichtlichen Vergleich im "Zinsenstreit" finden. Andere Banken, wie die BAWAG sowie einzelne Raiffeisenbanken und Volksbanken haben aber ihren Kunden bei Rück-forderung von zuviel bezahlten Zinsen vor allem auch die Verjährung dieser Ansprüche entgegen gehalten. Alle Kreditnehmer, die das Angebot von Sammelklagen seitens der Konsumentenschützer seinerzeit in Anspruch genommen haben, haben nunmehr gute Chancen doch noch Geld zurück zu bekommen. Offen ist die Frage, ob man das bei Gericht in weiteren Jahren ausstreiten muss, oder die betroffenen Banken sich zu einem Einlenken entschließen können.

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