Der Kläger erwarb zunächst im Jahr 2005 MEL-Zertifikate über einen Mitarbeiter der Meinl Success AG, der ihm eine Verkaufsbroschüre über MEL-Zertifikate überließ, wobei die Meinl-Bank u.a. als Mitherausgeber dieser Broschüre aufschien. Dabei beabsichtigte der Kläger, einen Teil seiner Ersparnisse für 5 bis 6 Jahre ein "bisschen spekulativ" mit höheren Gewinnmöglichkeiten als auf einem Sparbuch zu veranlagen. Mit Aktien hatte er keine Erfahrungen gesammelt, lediglich mit einer Fondsbeteiligung.
Auf den ersten Seiten der Broschüre standen u.a. folgende Formulierungen:
"Investieren in Immobilien - aber mit Köpfchen", sowie im Zusammenhang damit "Chancen in Zentral- und Osteuropa". "Was ist Meinl European Land?" "Meinl European Land notiert als eine der führenden Immobilienaktiengesellschaften seit November 2002 an der Wiener Börse". "Wem gehört Meinl European Land?" "Meinl European Land befindet sich nahezu zur Gänze in Streubesitz. Mehr als 60.000 Aktionäre in Österreich und im Ausland halten Unternehmensanteile". "Das Mietportfolio umfasst bereits mehr als 2.000 europäische und lokale Mieter; im Jahr 2005 generierten die zehn größten Mieter 29 % der Gesamtmieteinnahmen".
Hinweise auf Risiken der Veranlagung gab es in diesem Zusammenhang nicht.
Entscheidend für den Kaufentschluss des Klägers war die Aussage zur Sicherheit mit "sichere, breitgestreute Immobilienveranlagung in Zeiten schwankender Aktienmärkte, hoher Steuern und niedriger Zinsen", die er durch den übrigen Inhalt der Verkaufsbroschüre gestützt sah.
Das Erstgericht hob die Kommissions- und Kaufverträge auf und verpflichtete die beklagte Meinl-Bank, dem Kläger Zug um Zug gegen Rückstellung der Zertifikate den Klagebetrag zu bezahlen. Der Kläger habe sich bei Geschäftsabschluss über eine wesentliche Eigenschaft des Kaufgegenstands, nämlich die Sicherheit des gekauften Wertpapiers und die bei diesem möglichen Kursrückgänge insofern in Irrtum befunden, als er davon ausgegangen sei, das Papier sei weniger risikoreich als andere Aktien und könne keinen wesentlichen Kursverlusten unterliegen. Diesen Irrtum habe die Beklagte aufgrund der Verkaufsbroschüre, die sie nenne und für die sie einzustehen habe, veranlasst.
Das Berufungsgericht bestätigte die Klagestattgebung und sprach aus, dass die ordentliche Revision im Hinblick auf die Vielzahl der aufgrund derselben Verkaufsbroschüre potentiell in die Irre geführten Anleger zulässig sei.
Der OGH gab der Revision der beklagten Meinl-Bank aus folgenden Gründen nicht statt:
Zu beurteilen war, ob der Kläger als Käufer der von der Beklagten verkauften Wertpapiere diesen Kaufvertrag gemäß § 871 ABGB wegen Irrtums anfechten kann. Fraglich war in diesem Zusammenhang, ob es sich bei dem festgestellten Irrtum des Klägers um einen zur Vertragsanfechtung berechtigenden Geschäftsirrtum oder um einen zur Anfechtung des entgeltlichen Rechtsgeschäfts nicht berechtigenden bloßen Motivirrtum handelt. Weiters war zu prüfen, ob die Anfechtungsvoraussetzung einer Irrtumsveranlassung durch die Beklagte verwirklicht ist. Dabei war der dem Kläger konkret unterlaufene Irrtum zu beurteilen, nicht die Irreführungseignung des Verkaufsprospekts im Allgemeinen.
Einerseits wird der Irrtum über die zukünftige Kursentwicklung eines Wertpapiers nach hL in der Regel nicht Vertragsinhalt, es liegt also kein Geschäftsirrtum vor. Der Oberste Gerichtshof ordnete gleichfalls Ertragsprognose und -erwartung sowie Marktentwicklung als Beweggrund der Wertpapieranschaffung dem zufolge § 901 ABGB unbeachtlichen Motivirrtum zu. Andererseits hat die Bank davon auszugehen, wenn die Werbebroschüre echte Zusicherungen enthält, dass der Kunde seine Offerte nur mit dem entsprechenden Inhalt abgeben will, sodass bei Annahme durch die Bank diese Zusicherungen als vereinbart gelten.
Der OGH betonte, dass im Zusammenhang mit einem Schadenersatzanspruch wegen einer Kapitalveranlagung bereits wiederholt ausgesprochen wurde, dass ein zu ersetzender Schaden bereits darin liegt, dass ein Anleger kein wertstabiles (wie von ihm gewünscht), sondern ein Kursschwankungen unterliegendes Wertpapier erworben hat. Die Risikogeneigtheit einer Anlageform ist daher als Produkteigenschaft anzusehen.
Auch im Anlassfall irrte der Kläger nicht über die konkrete Kursentwicklung, etwa über das Ausmaß der jährlichen Wertsteigerung, sondern über das Risiko der gezeichneten Anlage. Er gelangte nach den getroffenen Feststellungen aufgrund der Verkaufsbroschüre zur Ansicht, dass die von ihm erworbene Aktie (das Zertifikat) anders als andere Aktien ein grundlegend geringeres Risiko des Kursverlustes bzw. langfristigen Ausfalls hätte, weil in Gewerbeimmobilien mit langfristiger Vermietung an gute Kunden investiert würde. Die Verkaufsbroschüre rief bei ihm den Eindruck hervor, dass im Gegensatz zu den sonstigen Gefahren des Aktienmarkts bei dieser beworbenen Anlage die Sicherheit eines Immobilieninvestments maßgebend wäre. Er irrte hierbei über eine wesentliche wertbildende Eigenschaft; er unterlag somit einem Geschäftsirrtum.
Der Geschäftsirrtum des Klägers wurde auch von der Meinl-Bank veranlasst. Im vorliegenden Fall kann keine Rede davon sein, dass die den festgestellten Irrtum des Klägers über die Risikogeneigtheit der von ihm erworbenen Beteiligungspapiere hervorrufenden Angaben offensichtlich unrichtig gewesen wären und für den Kläger eine Überprüfung leicht möglich gewesen, aber von ihm nicht vorgenommen worden wäre. Weder die allgemein bekannte Tatsache, dass Aktien risikobehaftete Wertpapiere sind, die sich auch der Kläger entgegenhalten lassen muss, noch der Verweis auf den Kapitalmarktprospekt und die allgemein gehaltenen Hinweise auf das (Total-)Verlustrisiko, etwa im Kontoeröffnungs- bzw. Wertpapierkaufantrag ändern etwas daran, dass die von der beklagten Bank aufgelegte, dem Kläger im Sinn der von der Beklagten und ihrer 100%igen Vertriebstochter initiierten Verkaufsstrategie übergebene und vom Kläger zur Grundlage seiner Kaufentscheidung gemachte Verkaufsbroschüre das mit den angepriesenen Wertpapieren verbundene Risiko - im Gegensatz zu sonstigen Aktien - als im Hinblick auf die Investition in Immobilien und deren langfristige lukrative Verwertung als deutlich geringer hinstellt.
Die Werbeaussagen veranlassten den Kläger, der plausibel aufbereiteten Botschaft zu vertrauen, wonach die hier beworbene Anlage grundlegend sicherer wäre als eine Veranlagung in sonstigen Einzelaktien.
Der Vorwurf, der Kläger habe sich insoweit in eigenen Angelegenheiten sorglos verhalten, als er der Verkaufsbroschüre der Beklagten vertraute und nicht den Kapitalmarktprospekt studierte und die möglicherweise in einem Gegensatz zu den Aussagen des Verkaufsprospekts stehenden allgemein gehaltenen Risikohinweise zum Anlass weiterführender Recherche machte, tritt gegenüber der für den Irrtum des Klägers primär ursächlichen Fehldarstellung des Wertpapierrisikos in der Verkaufsbroschüre der Beklagten, die überdies auch die sie als Effektenkommissionär treffenden Schutzpflichten gegenüber dem Kommittenten vernachlässigte, völlig zurück.
Das Urteil ist rechtskräftig.
OGH 31.08.2010, 4 Ob 65/10b
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Klagevertreter: Poduschka Anwaltsgesellschaft mbH in Perg