Ein Konsument hatte im Jahr 2005 eine fondsgebundene Lebensversicherung auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Darin war vereinbart, dass der Versicherungsnehmer unentgeltlich die einzelnen Fonds wechseln (switchen) kann. In den Versicherungsbedingungen war nur ein Kündigungsrecht für den Versicherungsnehmer vereinbart.
Die Versicherung kündigte die Polizze nach einem Jahr wegen der nach Meinung der Versicherung exzessiven Inanspruchnahme der Switch-Möglichkeit. Sie berief sich dabei auf § 8 Abs 2 VersVG, in dem für Versicherungsverträge auf unbestimmte Zeit ein Kündigungsrecht für Versicherung und Versicherungsnehmer vorgesehen ist.
Der OGH weist darauf hin, dass § 8 Abs 2 VersVG auf Lebensversicherungen gar nicht anwendbar ist. Insofern ist es irrelevant, ob man den vorliegenden Versicherungsvertrag als auf unbestimmte oder bestimmte Zeit abgeschlossen einordnet. Die Nichtanwendbarkeit von § 8 Abs 2 VersVG kann auf Grund eines Gegenschlusses aus den Sonderkündigungsregelungen des VersVG für die Lebensversicherung abgeleitet werden. In § 165 VersVG ist nämlich nur ein Kündigungsrecht für den Versicherungsnehmer vorgesehen. Überdies entspricht dies auch der herrschenden Lehre in Deutschland.
Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass auch bei der fondsgebundenen Lebensversicherung ein Kapitalbildungsinteresse des Versicherungsnehmers besteht. Ein Kündigungsrecht ders Vesicherers würde das dem Versicherungsnehmer eingeräumte Recht, die Veranlagungsstrategie selbst zu bestimmen unterlaufen, weil der Versicherer zu einem für den Versicherungsnehmer ungünstigen Zeitpunkt kündigen könnte. Auch könnte die Wiederversicherung im Fall einer Kündigung schwierig werden, wenn sich der Gesundheitszustand des Versicherungsnehmers nachteilig entwickelt oder sich die Gefahr des Ablebens erhöht hat.
Im Übrigen wäre der gegenständliche Vertrag im Sinn des § 8 Abs 2 VersVG wahrscheinlich als auf bestimmte Zeit abgeschlossen zu beurteilen. Die rechtliche Qualifikation, ob es sich um einen Vertrag auf bestimmte oder unbestimmte Zeit handelt, hängt nämlich nicht von der Parteienbezeichnung ab. Es ist vielmehr auf die vertraglichen Vereinbarungen abzustellen. Im Vertrag ist aber wie bei allen fondsgebundenen Lebensversicherungen üblich auch ein geringer Ablebensschutz vereinbart. Der Vertrag endet daher spätestens mit dem Tod des Versicherungsnehmers. Dies ist ein deutliches Indiz dafür, dass der Vertrag nicht für unbestimmte Zeit abgeschlossen wurde. Auch aus diesem Grund kann das Kündigungsrecht des § 8 Abs 2 VersVG auf derartige Lebensversicherungen nicht anwendbar sein.
Eine Kündigung aus wichtigem Grund wäre bei einem Dauerschuldverhältnis zwar grundsätzlich denkbar. Dafür wäre es aber notwendig, dass die Vertragsfortsetzung für den kündigenden Teil unzumutbar ist. Dies könnte etwa dann angenommen werden, wenn sich der Versicherungsnehmer Leistungen zu erschleichen versucht. Im vorliegenden Fall hat der Konsument nur sein vertraglich vorgesehenes Recht auf Fondswechsel in Anspruch genommen. Dies stellt kein treuwidriges Verhalten dar.
OGH 29.6.2011, 7 Ob 251/10b
Klagevertreter: Sauerzopf & Partner, RAe in Wien