Ein Konsument hatte - auf Anraten seines Anlageberaters, der für die Ariconsec (nunmehr Contectum) Investment GmbH tätig war - sein angespartes Geld in MEL-Zertifikate investiert. Sein Anlageziel war eigentlich ein bloßes "Zwischenparken" des Kapitals für zwei Jahre, um es danach für einen Immobilienkauf zu verwenden. Bis zu dieser Investition hatte der Komsument ausschließlich Erfahrung mit Sparbüchern und verließ sich daher auf die Empfehlungen des Anlageberaters. Dieser hatte ihm den Kauf der MEL-Zertifikate als ausgesprochen sicher und sparbuchähnlich nahegelegt. Der Kläger gewann den Eindruck, dass er Anteile an Immobilien erwerbe und es sich daher um eine risikoarme Art der Veranlagung handle. Das Anlageprofil war nicht nach den Angaben des Verbrauchers erstellt worden, vielmehr war es dem verkauften Produkt vom Berater angepasst worden.
Das Erstgericht gab dem Begehren des Klägers statt, verneinte ein Mitverschulden des Konsumenten und sprach diesem Anspruch auf Schadenersatz zu. Gem. § 11 WAG 1996 sind bei der Erbringung von gewerblichen Dienstleistungen, die mit Wertpapieren oder der sonstigen Veranlagung des Vermögens von Kunden im Zusammenhang stehen, die Interessen des Kunden bestmöglich zu wahren. Zu diesen Dienstleistungen gehört auch das Finanzdienstleistungsgeschäft nach § 1 Abs 1 Z 19 BWG. Ein Anlageberater ist als Erfüllungsgehilfe dem Geschäftsherrn, hier der Contectum Investment GmbH, gem. § 1313a ABGB zuzurechnen. § 13 Z 3 und 4 WAG schreibt die von der Rechtsprechung zu Effektengeschäften geforderten Aufklärungs- und Beratungspflichten fest. Bei Verletzung der §§ 13 und 14 WAG hafte der Rechtsträger gem. § 15 WAG auch bei leichter Fahrlässigkeit. Die Berater hätten - so das Erstgericht - im konkreten Fall nicht mit der erforderlichen Fachkenntnis, Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit gehandelt. Die Berater hätten den Kläger aufmerksam machen müssen, dass die MEL-Zertifikate für den vom Kläger geplanten Zweck (sichere, kurzfristige Veranlagung) ungeeignet seien. Die Berater hätten außerdem - nach Ansicht des Erstgerichts - über die Risken iZm den MEL-Papieren aufklären müssen; auch über den Sitz der Emittentin hätte der Verbraucher informiert werden müssen. Ein etwaiges Mitverschulden des Klägers wurde verneint, es könne ihm keine Sorglosigkeit vorgeworfen werden. Gerade wegen seiner mangelnden Fachkenntnis habe er sich ja beraten lassen. Das Erstgericht sprach dem Kläger deshalb Schadenersatz im Ausmaß des Vertrauensschadens zu: Er müsse so gestellt werden, wie er stünde, wäre er ordnungsgemäß aufgeklärt worden. Da er bei Kenntnis der Risken die MEL-Zertifikate nicht gekauft hätte, sondern in eine sichere Anlageform investiert hätte, habe der Kläger Anspruch auf Herausgabe des Kaufpreises (Zug um Zug gegen Rückgabe der Wertpapiere) zuzüglich jenes Betrages, den er aufgrund einer alternativen Veranlagung lukriert hätte.
Das OLG Graz bestätigte nun das Ersturteil, der Berufung der Beklagten wurde keine Folge gegeben. In der Nichtbeiziehung eines Sachverständigen aus dem Bereich Banken- und Börsewesen durch das Erstgericht erblickte das Berufungsgericht keinen relevanten Verfahrensmangel. Es bedürfe nämlich zur rechtlichen Beurteilung des Falles nicht der Beantwortung der Frage, ob ex ante betrachtet der konkrete Kursverfall nicht verhersehbar gewesen sei.
Die von Beklagtenseite bekämpften Feststellungen sah das Berufungsgericht als vom Beweisverfahren gedeckt, nachvollziehbar und ausführlich genug bzw überzeugend begründet an. Hinsichtlich der Rechtsrüge hielt das OLG den Berufungsausführungen entgegen, dass es nicht um eine uferlose, kaum erfüllbare Ausweitung der Pflichten von Anlageberatern gehen würde, sondern um die seriöse Beratung eines unerfahrenen Anlegers durch den Fachmann. Gerade um nicht (unklaren bis unzutreffenden) Werbeaussagen von an der Emission beteiligten/interessierten Unternehmen "aufzusitzen", bediene man sich eben eines bezahlten Fachmannes. Das beklagte Unternehmen hätte durch ihre Berater den Konsumenten daher insbesondere darüber aufzuklären gehabt, "dass Kursschwankungen bis zum Totalverlust des Kapitals nicht bloß theoretisch, sondern auch praktisch möglich sind; derartige Immobilieninvestitionen riskant sind; die Emittentin MEL ihren Sitz außerhalb des europäischen Rechtsraumes hat mit dem sich daraus ergebenden Folgen für die Rechtsfindung, -verfolgung etc.; diese Investition für den vom Kläger beabsichtigten zeitlichen Horizont ungeeignet ist; eine Risikostreuung notwendig ist; und es aufgrund von Verflechtungen zwischen der Meinl Bank und der MEL zu zusätzlichen Risken für die Anleger kommt". Ausgehend vom Anlagewunsch des Konsumenten, der eine sichere Anlage für zwei Jahre gewollt hatte, hätten ihm die MEL-Zertifikate "von vornherein nicht empfohlen werden dürfen, vielmehr wäre ihm dringend davon abzuraten gewesen", so das OLG Graz.
Auch verneinte das Gericht ein Mitverschulden des Konsumenten, wenn er sich auch- so das Vorbringen des beklagten Unternehmens - aus Formularen des Beraters oder aus anderen Informationsquellen über das Risiko der Anlageform hätte informieren können. Das Gericht ging vielmehr davon aus, dass der Konsument auf die Richtigkeit des Beratungsgespräches vertrauen durfte; als völlig unerfahrener Anleger durfte er die mündlichen Zusagen des Beraters sehr wohl ernst nehmen.
Die ordentliche Revision an das Höchstgericht wurde mangels erheblicher Rechtsfragen nicht zugelassen.
OLG Graz 20.10.2009, 2 R 138/09w
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Klagevertreter: Dr. Benedikt Wallner