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Urteil: Online-Händler müssen Kunden keine Telefonnummer zur Verfügung stellen

Der EuGH entschied in einem neuen Urteil, dass Online-Händler wie Amazon nach der Verbraucherrechte-RL nicht verpflichtet sind, ihren Kunden immer eine Telefonnummer zur Verfügung zu stellen. Die Unternehmen müssten aber Kommunikationsmittel bereitstellen, über die Verbraucher schnell und effizient mit ihnen Kontakt aufnehmen könnten.

In dem vom deutschen Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) gegen Amazon EU geführten Rechtsstreit kritisierte der VZBV, dass Verbraucher im August 2014 bei Abschluss einer Bestellung auf der Internetseite der Beklagten nur zwischen drei Kontaktmöglichkeiten wählen konnte, nämlich dem Senden einer E-Mail, einer Chat-Möglichkeit und einer Rückrufmöglichkeit (Eingabe der eigenen Telefonnummer und Rückruf durch Amazon). Alternativ gab es noch den Möglichkeit Amazon über eine "allgemeine Hilfenummer" zu erreichen, zu der man jedoch erst nach der Öffnung eines weiteren Fensters gelangte. Nach Ansicht des Bundesverbands verstieß Amazon durch die dargestellte Ausgestaltung der Webseite gegen die gesetzliche Verpflichtung, den Verbrauchern effiziente Mittel zur Kontaktaufnahme zur Verfügung stellen, weil nicht in ausreichender Weise über eine Telefon- und Faxnummer informiert würde.

Nach der deutschen Umsetzung der Verbraucherrechte-RL ist die Angabe der Telefonnummer verpflichtend. Im Ausgangsverfahren wurde der EuGH daher vom BGH um Vorabentscheidung ersucht, ob nach der Verbraucherrechte-RL, wo in Art 6 Abs 1 lit c von einer Angabe der Telefonnummer, Faxnummer und E-Mailadresse "gegebenenfalls" die Rede sei, von den Unternehmern stets eine Telefonnummer zur Verfügung zu stellen sei oder ob nur über bereits im Unternehmen vorhandene bzw sogar nur für den Kontakt mit Verbrauchern eingerichtete Kommunikationsmittel informiert werden müsse (aber keine neuen Anschlüsse eingerichtet werden müssten). Ebenso wurde gefragt, ob die Kommunikationsmittel die in der RL aufgezählt sind abschließend sind oder ob auch Kommunikationsmittel (wie Chats oder Rückrufsysteme) verwendet werden dürfen, die nicht in der RL aufgezählt werden. Schließlich wollte der BGH ebenso wissen, wie die effizient und schnell die Information dem Verbraucher nach Art 6 Abs 1 lit c Verbraucherrechte-RL zugänglich sein muss (zB wie viele Zwischenlinks zulässig seien).

Der EuGH stimmte der im Ausgangsverfahren vorgebrachten Argumentation zu, dass nach dem Wortlaut der RL ("gegebenenfalls") nicht klar sei (auch nicht beim Blick in andere Sprachfassungen), ob der Unternehmer schon immer dann verpflichtet sei, über eine Telefon- oder Faxnummer zu informieren, wenn er eine solche habe oder nur dann, wenn er eine Telefon- oder Faxnummer speziell für den Kontakt mit Verbraucher verwende. Zur Auslegung dieser Bestimmung müsse daher die Zielsetzung der RL berücksichtigt werden: Ziel sei die Erreichung eines hohen Verbraucherschutzniveaus durch schnelle und effiziente Möglichkeiten für den Verbraucher zur Kontaktaufnahme mit dem Unternehmer. Gleichwohl sei für die Auslegung der Bestimmung aber auch das Gleichgewicht zwischen einem hohen Maß an Verbraucherschutz und der Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmers zu berücksichtigen.

Vor diesem Hintergrund erschiene dem EuGH die Verpflichtung stets eine Telefonnummer zur Verfügung zu stellen oder gar eine Telefon- oder Faxanschluss oder eine E-Mail-Adresse eigens einzurichten unverhältnismäßig. Dies gelte nach dem EuGH insbesondere für bestimmte, vor allem kleinere Unternehmen, die ihre Betriebskosten zB durch die Ausrichtung auf den Fernabsatz oder außerhalb von Geschäftsräume organisierten Vertrieb reduzieren wollen. Der EuGH weist hierzu auch die unterschiedlichen Formulierungen in Art 6 VR-RL für Fernabsatzverträge ("gegebenenfalls") und Art 5 VR-RL über die Informationspflichten bei anderen als Fernabsatzverträgen und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen hin (Hinweis auf die Telefonnummer ohne den Zusatz "gegebenenfalls").

Im Ergebnis sei nach dem EuGH daher nach Art 6 VR-RL bei Fernabsatzverträgen eine Telefonnummer nur dann verpflichtend anzugeben, wenn der Unternehmer über eine solche verfüge und diese nicht ausschließlich zu anderen Zwecken als zur Kommunikation mit Verbrauchern einsetze. Die Bestimmung schließe im Übrigen auch nicht aus, dass der Unternehmer andere Kommunikationsmittel als Telefon, Fax oder E-Mail zur Verfügung stelle, um die Kriterien einer direkten und effizienten Kommunikation zu erfüllen. Der EuGH nannte hier beispielsweise elektronische Kontaktformulare auf deren Basis ein Rückruf des Unternehmers oder seine schriftliche Antwort erfolge. Der EuGH stellte auch klar, dass die RL nicht einer Ausgestaltung entgegenstehe, bei der eine Telefonnummer nach wenigen Klicks erreicht werden könne, der Unternehmer den Verbraucher aber ermutige auf anderen Wegen (zB Chat, Rückrufsystem) mit ihm in Kontakt zu treten. Die konkrete Beurteilung, ob in einem Einzelfall die Informationen über die Kommunikationsmittel dem Verbraucher in klarer und verständlicher Weise zur Verfügung gestellt werden und durch die angebotenen Kommunikationsmöglichkeiten eine direkte und effiziente Kontaktaufnahme ermöglicht wird, obliegt der Prüfung durch das nationale Gericht.

EuGH 10.07.2019, C-649/17, (VZBV/Amazon EU)
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