Zum Inhalt

Urteil: Prospektveröffentlichung: Dragon FX Garant

Das Erfordernis der leichten Zugänglichkeit eines Prospekts ist bei Online-Veröffentlichung nicht erfüllt, wenn auf der Website eine mit einer Haftungsausschlussklausel und der Pflicht zur Bekanntgabe einer E Mail-Adresse verbundene Registrierungspflicht besteht, wenn dieser elektronische Zugang kostenpflichtig ist oder wenn die kostenlose Abrufbarkeit von Prospektteilen auf zwei Dokumente pro Monat begrenzt ist.

Ein Anleger (Sitz Wien) zeichnete am 30.10.2006  bei der Aviso Zeta AG (Sitz Wien) Wertpapiere "Dragon FX Garant". Emittent war die Lehman Brothers Treasury Co. BV (Sitz Amsterdam).

Der Anleger trat in der Folge gem § 5 KMG zurück; es seien im Angebot weder die ISIN, noch die Währung der Emission oder irgendeine Angabe zur Wertentwicklung des Produkts oder zur Methode der Renditeberechnung veröffentlicht worden.

Nach den Angaben des Anlegers wurden am 9. und 29.8.2006 sowie am 6. und 26.9.2006 ein Basisprospekt und drei Nachträge veröffentlicht. Ferner seien am 19. 9.2006 ein Entwurf endgültiger Konditionen und am 4. 12.2006 deren Endfassung veröffentlicht worden.

Jedoch sei keine ordnungsgemäße Veröffentlichung am Börsensitz, am Sitz des Emittenten oder am Sitz des Finanzintermediärs erfolgt. Die verschiedenen Dokumente seien nur in Wien verfügbar gewesen. Darüber hinaus seien die Dokumente zum Wertpapierangebot eine Zeit lang auf der Website der Luxemburger Börse abrufbar gewesen, jedoch habe das Abrufen einen Registrierungsvorgang sowie die Zahlung von Gebühren, insbesondere für den Abruf des zwingenden Nachtrags zum Prospekt in Bezug auf die endgültigen Bedingungen des Angebots, vorausgesetzt.

Später bekannt werdende Informationen
Gemäß Art 22 Abs 2 ProspektVO (809/2004) kann der Emittent auf eine Angabe von Informationsbestandteilen verzichten, die zum Zeitpunkt der Genehmigung des Basisprospekts nicht bekannt sind und die lediglich zum Zeitpunkt der jeweiligen Emission bestimmt werden können. Fraglich war nun, ob zwingend aufzunehmende Informationen, die erst zum Zeitpunkt der Veröffentlichung eines Prospektnachtrags bekannt sind, in den Prospektnachtrag aufzunehmen sind oder ob auf die Angabe dieser Informationen verzichtet werden kann.

Stellen diese Informationen als solche weder einen wichtigen neuen Umstand noch eine wesentliche Unrichtigkeit oder Ungenauigkeit dar, müssen sie in den endgültigen Konditionen veröffentlicht werden, wenn die in Art 22 Abs 4 ProspektVO vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt sind und wenn diese Informationen keine Information des Basisprospekts ändern oder ersetzen. Sofern diese Informationen hingegen erstens einen wichtigen neuen Umstand darstellen oder eine wesentliche Unrichtigkeit oder Ungenauigkeit richtigstellen und zweitens die Beurteilung der Wertpapiere beeinflussen können, machen sie nach Art 16 Abs 1 der ProspektRL und Art 22 Abs 7 ProspektVO die Veröffentlichung eines Nachtrags erforderlich. Es obliegt dem nationalen Gericht zu klären, ob die fraglichen Informationen die Beurteilung der Wertpapiere iSv Art 16 Abs 1 ProspektRL beeinflussten. Die Beantwortung dieser Frage hängt von der Art der Informationen und ihren Einfluss auf die Entscheidung eines Anlegers zur Zeichnung der Wertpapiere ab.

Die Veröffentlichung eines Basisprospekts ohne die zwingend notwendigen Informationen gem Art 22 Abs 1 Prospekt-VO, insb die in Anhang V aufgeführten Angaben, genügt nicht den Anforderungen von Art 22, wenn sie nicht durch die Veröffentlichung der endgültigen Bedingungen ergänzt wird. Damit die Informationen, die gem Art 22 Abs 1 im Basisprospekt enthalten sein müssen, in die endgültigen Konditionen eingefügt werden können, müssen im Basisprospekt die Informationen angegeben werden, die in die endgültigen Konditionen aufzunehmen sind, und diese Informationen müssen die in Art 22 Abs 4 genannten Anforderungen erfüllen.
  
Leichte Zugänglichkeit des Prospektes
Gem Art 29 Abs 1 Nr 1 u Nr 4 ProspektVO  muss der (Basis)Prospekt bei Veröffentlichung in elektronischer Form bei Aufrufen der Website leicht zugänglich sein; den Anlegern muss es möglich sein, den Prospekt herunterzuladen. Ist die Veröffentlichung mit einem Haftungsausschlussklausel und einer Registrierungspflicht (inkl E-Mail-Adresse) verbunden, so ist dies nicht mit dem Erfordernis der leichten Zugänglichkeit vereinbar. Der Prospekt muss dem Publikum kostenlos zur Verfügung gestellt werden (Art 29 Abs 1 Nr 1 ProspektVO  iVm Art 14 Abs 5 ProspektRL). Diese Voraussetzungen müssen erfüllt sein, unabhängig davon, ob die Veröffentlichung gem Art 14 Abs 2 lit c bis e ProspektRL erfolgt oder die Veröffentlichung in elektronischer Form nur ein zusätzliches Mittel der Verfügbarkeit ist.

Zurverfügungstellen am Sitz des Emittenten und des Finanzintermediäres
Gemäß der deutschen Sprachfassung des Art 14 Abs 2 lit b ProspektRL muss der Basisprospekt dem Publikum am Sitz des Emittenten oder beim Finanzintermediär zur Verfügung gestellt werden, während er nach der spanischen, englischen und französischen Fassung an beiden Orten verfügbar sein muss. Der Schutzzweck, nämlich Sicherstellung des Anlegerschutzes, der ProspektRL gebietet es, dass der Basisprospekt dem Publikum sowohl am Sitz des Emittenten als auch bei den Finanzintermediären zur Verfügung gestellt werden muss.

EuGH 15.5.2014, C-359/12 (Timmel/Aviso Zeta AG)
Klagsvertreter: Dr. Wolfgang Haslinger LL.M., Rechtsanwalt in Wien

Anmerkung:

  • Kommt das nationale Gericht zu dem Ergebnis, dass es sich bei den hier fehlenden Informationen um solche nach § 6 Abs 1 KMG handelt, sind diese in einen Nachtrag aufzunehmen. Dieser muss ebenfalls veröffentlicht werden und gebilligt werden.
  • Laut Information vom Klagsvertreter Rechtsanwalt Dr. Haslinger wurden bisher keine Nachträge veröffentlicht.
  • Der Rücktritt ist schriftlich zu erklären, wobei es genügt, wenn der Verbraucher ein Schriftstück, das seine Vertragserklärung oder die des Veräußerers enthält, dem Veräußerer mit einem Vermerk zurückstellt, der erkennen lässt, dass der Verbraucher das Aufrechterhaltung des Vertrages ablehnt.
  • Bei einem Rücktritt hat der Verbraucher den Dragon FX Garanten zurückzugeben und er hat im Gegenzug den Anspruch auf den Kaufpreis samt gesetzlichen Zinsen (§ 4 Abs 1 Z 1 KSchG analog).
  • Verbraucher haben das Rücktrittsrecht gem § 5 KMG dem jeweiligen Vertragspartner gegenüber, unabhängig davon, ob diese selbst die Prospektpflicht verletzt haben oder nicht (2 Ob 32/09h  ÖBA 2010/1161).
  • Siehe dazu auch die Informationen des Klagevertreters RA Dr. Haslinger:

Art 16 Abs 1 ProspektRL wurde in § 6 Abs 1 KMG umgesetzt. Werden diese Informationen nicht in einen Nachtrag aufgenommen, so können Verbraucher gem § 5 KMG zum Vertrag zurücktreten. Das Rücktrittsrecht erlischt bei Veranlagungen mit Ablauf einer Woche nach dem Tag, an dem die Angaben nach § 6 veröffentlicht wurden (§ 6 Abs 4 KMG). Für Wertpapiere beträgt die Rücktrittsfrist seit 1.7.2012 nur mehr zwei Arbeitstage nach Veröffentlichung des Nachtrags (§ 6 Abs 2 KMG).

Lesen Sie mehr:

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

Das könnte auch interessant sein:

VKI: OGH beurteilt Kreditbearbeitungsgebühr der WSK Bank als unzulässig

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hatte im Auftrag des Sozialministeriums die WSK Bank wegen unzulässiger Klauseln in ihren Kreditverträgen geklagt. Jetzt liegt die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes (OGH) vor: Dieser beurteilt diverse Gebühren und Spesenklauseln in den Kreditverträgen als unzulässig, darunter auch die Kreditbearbeitungsgebühr in Höhe von 4 Prozent. Betroffene Kund:innen der WSK Bank haben nach Ansicht des VKI Rückforderungsansprüche.

Timesharing-Anbieter Hapimag – 48 Klauseln unzulässig

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hatte die Hapimag AG wegen unzulässiger Klauseln in den AGB ihrer Timesharing-Verträge geklagt. Die Hapimag ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in der Schweiz, die ihren Mitgliedern Ferienwohnungen, Apartments und Hotels zur Verfügung stellt. Der VKI beanstandete 48 Bestimmungen in Geschäftsbedingungen, Reservierungsbestimmungen, Buchungsinformationen und den FAQs des Unternehmens. Das Handelsgericht Wien (HG Wien) erklärte nun alle 48 angefochtenen Klauseln für unzulässig. Wichtigster Aspekt des Urteils: Verbraucherrechtliche Bestimmungen kommen trotz „Aktionärsstatus“ der Kund:innen zur Anwendung. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Unzulässige Gebühren der Unicredit

Der VKI hatte im Auftrag des Sozialministeriums die UniCredit BAnk Austria AG wegen mehreren Gebühren geklagt. Das OLG Wien hat fast alle der eingeklagten Klauseln für unzulässig erklärt.

Krankengeldversicherung: Geltungskontrolle

Krankengeldversicherung: Geltungskontrolle

Ist eine Leistungsbeschränkung für das Krankentagegeld in den Bedingungen für eine Krankengeldversicherung nicht unter der Überschrift „Leistungsvoraussetzungen“, sondern im Kapitel „Beendigung der Versicherung“ enthalten, ist sie ungewöhnlich und damit unwirksam.

Unzulässiger Deckungsausschluss: Hoheitsverwaltungsklausel

Unzulässiger Deckungsausschluss: Hoheitsverwaltungsklausel

Der VKI hatte die ARAG SE Direktion für Österreich wegen drei Ausschlussklauseln in den Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutz-Versicherung (ARB 2020) geklagt. Gegenstand des Verfahrens vor dem OGH war nur noch eine Klausel davon, nämlich die sog Hoheitsverwaltungsklausel.

Unzulässiger Stornoabzug bei UNIQA-Lebensversicherung

Unzulässiger Stornoabzug bei UNIQA-Lebensversicherung

Der VKI hatte die UNIQA Österreich Versicherungen AG geklagt. Inhalt der Klage waren 18 Klauseln aus den AVB für Lebensversicherungen. Während der VKI bereits in den Unterinstanzen die Mehrzahl der Klauseln rechtskräftig gewonnen hatte, waren noch drei Klauseln Gegenstand des Verfahrens vor dem OGH. Der OGH bestätigte nun auch die Gesetzwidrigkeit dieser Klauseln.

unterstützt durch das

Sozialministerium
Zum Seitenanfang