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Urteil: Rechtsprechungsänderung bei Abweichen der Polizze

Statt von Dissens auszugehen nimmt der OGH nun an, dass der Versicherungsvertrag gemäß dem Antrag zustandekommt.

Die klagenden Versicherungsnehmer wollten hinsichtlich einer bestehenden Liegenschaft eine bestehende Bündelversicherung adaptieren und hinsichtlich einer neu erworbenen Liegenschaft ebenfalls eine entsprechende Versicherung abschließen. Sie nahmen zu diesem Zweck Kontakt mit einem Vertreter der beklagten Versicherung auf, die in Aussicht genommenen Versicherungen und Deckungsumfänge wurden mündlich erörtert und es kam zu entsprechenden Versicherungsanträgen. Die ausgestellten Polizzen wichen von den Anträgen ab, ohne dass der Versicherer auf die Abweichungen besonders hingewiesen hätte. In der Folge kam es zu einem Schadensfall und die Versicherung berief sich auf die Polizze und lehnte die Deckung ab. Das Verfahren wurde bis zum OGH geführt. Der OGH erörterte die bisher dazu ergangene Rechtsprechung und Kritik der Lehre und änderte seine Rechtsprechung ab.

Grundsätzlich geht der OGH davon aus, dass der Versicherungsagent gemäß § 43 VVG Vollmacht nicht nur für das Entgegennehmen von schriftlichen Anträgen habe, sondern dies auch gleichermaßen für mündliche Anträge oder auch mündliche Ergänzungen von schriftlichen Anträgen gelte. Vor dem Hintergrund des § 5 des VersVG, nämlich dass die Übermittlung der Polizze zugleich die Annahmeerklärung des Versicherers sei, hat der OGH die Empfangsvollmacht als Wissenszurechnungstatbestand allerdings weitgehend modifiziert. Der OGH ging davon aus, dass dann, wenn der Versicherungsschein vom Inhalt des Antrages abweiche, weil ihn der Agent nur unzureichend weitergegeben habe, der Vertrag in Anbetracht von § 869 ABGB überhaupt nicht als abgeschlossen gelte, zumindest soweit nicht, als sich Antrag und Annahme widersprechen (Teildissens).

Die bisherige Judikatur ging in der Folge davon aus, dass gemäß § 44 VersVG eine Wissenszurechnung des Wissens des Vermittlungsagenten an die Versicherung ausgeschlossen sei, selbst wenn er mündliche Antragsbestandteile bevollmächtigter Maßen entgegengenommen habe. Wenn der Versicherer vom mündlichen Antrag nichts wisse, könne er auf Abweichungen nicht aufmerksam machen. Demgemäss würden solche Abweichungen gemäß § 5 Abs 3 VersVG auch nicht saniert. Die Annahme des Versicherers begründet - so die bisherige Judikatur - nur eine Bindung angesichts des Antrages, der dem Versicherer letztlich bekannt geworden ist. Deshalb bildete der Dissens das regelmäßige Resultat dann, wenn der Antrag während seiner Übermittlung vom Agenten an den Versicherer tatsächlich einer "Abfälschung" widerfahren ist.

Diese Rechtsprechung wurde in der Literatur durchaus kritisiert.

Der OGH ist nunmehr von der bisherigen Rechtsprechung abgegangen. Die Versicherungsanträge der klagenden Partei wurden - so der OGH - direkt bei der Versicherung gestellt. Die Verwechslung der Grundstücke unterlief der beklagten Versicherung in ihrem Risikobereich auf den der Kläger keinen Einfluss hatte. Der OGH unterstreicht im vorliegenden Fall auch noch, dass die Kläger nach Überprüfung der Polizze sofort auf die Widersprüche hingewiesen hatten und seitens der Versicherung nochmals die Auskunft bekommen hatten, dass "volle" Deckung wie beantragt gegeben sei. Der OGH hält fest, dass gerade in Fällen von Deckungszusagen eine besondere Verpflichtung des Versicherers gegeben sei, nach dem das Versicherungsgeschäft beherrschenden Grundsatz von Treu und Glauben Anfragen des Versicherungsnehmers fürsorglich zu behandeln, um Irrtümer, die einem Angestellten der Versicherung im Rahmen der faktisch eingeräumten Vertretungsmacht unterlaufen, gegenüber dem gutgläubigen Versicherungspartner für nicht relevant zu erklären. Der OGH geht damit davon aus, dass gemäß § 5 Abs 3 VersVG es zu einem Versicherungsvertrag auch dann kommt, wenn der dem Agenten des Versicherers zugekommene Antrag von der Polizze abweicht, ohne dass der Versicherer auf die Abweichung hingewiesen hat.

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