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Urteil: Rechtsschutz für Anlegerschadensfall

OGH bestätigt Deckungspflicht der Rechtsschutzversicherung für Anlegerschadensprozess

Der Kläger hatte mit der beklagten Versicherung eine Bündelversicherung, ua mit Rechtsschutz ("Schadenersatz- und Straf-Rechtsschutz für den Privat-, Berufs- und Betriebsbereich",  Art 19 ARB 1988), aber ohne Vertragsrechtsschutz abgeschlossen (Laufzeit von 12.4.2001 bis 1.3.2012). Die zugrundegelegten Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutz-Versicherung (ARB 1988) enthalten ua folgende Nachhaftungsklausel enthalten: "Versicherungsfälle, die dem Versicherer später als ein Jahr nach Beendigung des Versicherungsvertrages für das betreffende Risiko gemeldet werden." (Art 7. 2.5.).

2011 trat die Beklagte an den Kläger heran, um "die Polizze" zu aktualisieren. Dabei wurde die Erweiterung der bestehenden Versicherung um die Sparten Leitungswasser und Sturmschaden empfohlen. Der Kläger wollte den Rechtsschutz wie bisher weiterführen. Die Vergabe einer neuen Polizzennummer hatte technische Gründe. Die neu ausgestellte Polizze weist eine Laufzeit von 16.3.2011 bis 16.3.2021 auf. Dieser wurden die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutz-Versicherung (ARB 2007) beigefügt, deren Art 7 auszugsweise wie folgt lautet: "Es besteht kein Versicherungsschutz für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen 1. in ursächlichem Zusammenhang [...] 1.6. mit der Anlage von Vermögen in Finanzinstrumenten gem. § 48a Z 3 Börsegesetz und der damit zusammenhängenden Beratung, Vermittlung und Verwaltung."

Der Kläger erwarb auf Anraten der Emissionsbank, seiner Hausbank, Anleihen einer GmbH, die in  Konkurs ging. Die Beklagte lehnte die Rechtsschutzdeckung für die Einbringung einer Schadenersatzklage gegen die Emissionsbank, die Bilanzprüferin und Organe der Emittentin ab.

Der OGH bestätigte die Deckungspflicht der beklagten Versicherung.

Schadenersatz-Rechtschutz

Allgemeiner Vertragsrechtsschutz war nicht Teil der Versicherung. Die beklagte Versicherung meinte, es handle sich hier um einen nicht gedeckten vertraglichen Schadenersatzanspruch.  

Der Kläger stützt seinen Schadenersatzanspruch auch auf gesetzliche Grundlagen, nämlich dass der Prospekt unrichtige Angaben iSd § 7 KMG enthalten habe, wofür die Emissionsbank nach § 11 KMG infolge behaupteter Kenntnis der unrichtigen Angaben hafte. § 11 KMG ist ein Fall einer gesetzlichen Prospekthaftung, die in Konkurrenz zu Ansprüchen aus der allgemein zivilrechtlichen Prospekthaftung nach culpa in contrahendo tritt. Demnach beruhen die Schadenersatzansprüche gegen die Emissionsbank nicht allein auf Vertrag. Allfällige Ansprüche gegen die Geschäftsführer der Emittentin und der Bilanzprüferin beruhen ohnehin nicht auf Vertrag. Das vom Kläger angestrebte Vorgehen unterliegt damit daher dem vom Vertrag umfassten Schadenersatz-Rechtsschutz.

Welche ARB anwendbar? Nach ARB 2007 kein Rechtsschutz im Zusammenhang mit Veranlagung in Anleihen

Der Kläger begehrt Rechtsschutzdeckung zur Verfolgung von Schadenersatzansprüchen im Zusammenhang mit einer Anleihezeichnung. Nach Art 7.1.6. ARB 2007 besteht kein Versicherungsschutz für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen, die in ursächlichem Zusammenhang mit der Anlage von Vermögen in Finanzinstrumenten gemäß § 48a Abs 1 Z 3 BörseG und der damit zusammenhängenden Beratung, Vermittlung und Verwaltung stehen (zB Veranlagung von Anleihen). Nach den ARB 1988 besteht dieser Risikoausschluss hingegen nicht.

Zu prüfen ist nun, welche Bedingungslage anzuwenden ist. Das ist zunächst davon abhängig, wann der Versicherungsfall eingetreten ist.
Im Schadenersatz-Rechtsschutz als Versicherungsfall der Eintritt des dem Anspruch zugrundeliegenden Schadensereignisses. Der Schaden trat im vorliegenden Fall bereits mit dem Erwerb der (wie behauptet) wertlosen Anleihe im Juli 2010 ein. Zu diesem Zeitpunkt war der Vertrag mit einer Laufzeit von 12.4.2001 bis 1.3.2012 aufrecht, dem die ARB 1988 zugrunde liegen. Die Deckungspflicht der Beklagten besteht daher grundsätzlich, weil kein Risikoausschluss wie in den ARB 2007 besteht.

Kommt  Nachhaftungsklausel zur Anwendung?
Der beklagte Versicherer stützt sich nun auf Art 7.2.5 ARB 1988 und meint, der Versicherungsfall sei ihm nicht während der Nachhaftungszeit gemeldet worden. Zu fragen ist daher, ob die festgestellten Vorgänge im Jahr 2011, die aus technischen Gründen zu einer Neupolizzierung führten, den bestehenden Rechtsschutzversicherungsvertrag derart beendeten, dass die Nachhaftungsklausel des Art 7.2.5 ARB 1988 zum Tragen kommt.
Im vorliegenden Fall ist beachtlich, dass sich die Beklagten aus eigenem an den Kläger wandte, um den bestehenden Versicherungsvertrag "zu aktualisieren". Der Kläger wollte grundsätzlich "alles beim Alten" lassen. Es kann hier dahingestellt bleiben, wie die Vertragsgestaltung im Jahr 2011 im Einzelnen zu beurteilen ist, weil nach dem eindeutigen Willen der Parteien das Versicherungsverhältnis jedenfalls nicht beendet, sondern im Gegenteil (bloß aktualisiert) durchgehend weiter bestehen sollte. Die von der Beklagten initiierten Vorgänge waren nach dem anderen erkennbaren Willen der Parteien nicht darauf gerichtet, zu Lasten des Versicherungsnehmers eine unerwartete Deckungslücke entstehen zu lassen. Der bestehende Vertrag sollte jedenfalls nicht so geändert werden, dass das Versicherungsverhältnis iSd Art 2.5 ARB 1988 beendet werden sollte. Die Nachhaftungsklausel hat nämlich den Zweck, die Deckung für während des Vertragszeitraums eingetretene Versicherungsfälle nach Beendigung des Versicherungsverhältnisses zu regeln.
Daher hat die Beurteilung des vorliegenden Versicherungsfalls nach der im Zeitpunkt seines Eintritts geltenden Vertragslage zu erfolgen.


OGH 13.10.2016, 7 Ob 112/16w
Klagsvertreter: Poduschka Anwaltsgesellschaft mbH

Das Urteil im Volltext.

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