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Urteil: Rechtsschutzversicherung: Anzeigeobliegenheit des Versicherungsnehmers

Der OGH beschäftigte sich in diesem Verfahren mit der Frage, ab wann einem Versicherungsnehmer die Obliegenheit trifft, den Rechtsschutzversicherer von einer möglichen Inanspruchnahme zu informieren, und wie lange er dafür Zeit hat.

Dem Rechtsschutzversicherungsvertrag zwischen dem klagenden Versicherungsnehmer und der beklagten Rechtsschutzversicherung liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutz-Versicherung (ARB 2003) zugrunde. Laut Artikel 8.1.1. der ARB 2003 hat der Versicherungsnehmer eine Anzeigeobliegenheit, wenn er Versicherungsschutz begehrt. Er ist verpflichtet, "den Versicherer unverzüglich, vollständig und wahrheitsgemäß über die jeweilige Sachlage aufzuklären und ihm alle erforderlichen Unterlagen auf Verlangen vorzulegen."

Der Kläger entschloss sich im Juli 2014 gegen einen Sachverständigen wegen eines Gutachtens aus einem Vorprozess gerichtlich vorzugehen. Seine Rechtsvertreter erstatteten am 26.8.2014 der Beklagten eine Schadensmeldung. Es wurden der Entwurf der Klage sowie die zugrunde liegenden Gutachten im Anhang übermittelt. Wörtlich heißt es: "Wir bitten um Deckungszusage aus der Rechtsschutzversicherung. Achtung Verjährung: Die Klage ist vor dem 29.8.2014 einzubringen. Wir bitten deshalb um rasche Beantwortung und entschuldigen uns für die knappe Übermittlung." Am 28.8.2014 wurde der Deckungsanspruch vor allem wegen Verstoßes gegen die Anzeigeobliegenheit abgelehnt; überdies seien weder Informationen noch Unterlagen übermittelt worden, woraus auf ein fehlerhaftes Gutachten geschlossen werden könne. Der Kläger klagte am 29.8.2014 den Sachverständigen.

Die Klage auf Deckungsschutz gegen die Rechtsschutzversicherung wurde in den ersten beiden Instanzen abgewiesen. Der OGH hingegen bejahte die Deckungspflicht.

Art 8.1.1. ARB 2003 normiert für den Fall, dass der Versicherungsnehmer Versicherungsschutz verlangt, seine Verpflichtung, den Versicherungsfall dem Versicherer unverzüglich anzuzeigen und enthält damit auch eine Anzeigepflicht. Art 8.1.1. ARB 2003 beruht auf der Überlegung, dass der Versicherer kein Interesse daran haben kann, von jedem möglichen Schadenereignis oder Verstoß gegen vertragliche oder gesetzliche Rechtspflichten zu erfahren, ohne dass feststeht, dass dies zu einer kostenauslösenden Reaktion führen kann. Erst wenn sich kostenauslösende Maßnahmen abzeichnen, das heißt, wenn sich die rechtliche Auseinandersetzung so weit konkretisiert hat, dass der Versicherungsnehmer mit der Aufwendung von Rechtskosten rechnen muss und deshalb seinen Rechtsschutzversicherer in Anspruch nehmen will, entsteht für ihn die Obliegenheit, den Versicherer unverzüglich zu informieren und kostenauslösende Maßnahmen mit ihm abzustimmen. Dessen Unterrichtung hat spätestens in einem Stadium zu erfolgen, das dem Versicherer noch die Prüfung seiner Eintrittspflicht und die Abstimmung von Maßnahmen erlaubt. Insbesondere ist der Versicherer - abgesehen von eiligen Fällen - so zeitig zu unterrichten, dass er noch ausreichend Zeit hat, die Erfolgsaussichten der Prozessführung abzuklären.

Dem Kläger ist hier keine Verletzung der (Anzeige- und) Auskunftsobliegenheit nach Art 8.1.1.1. ARB 2003 anzulasten, weil er sich bereits Ende Juli 2014 zur Klagsführung gegen den Sachverständigen entschlossen hatte, jedoch erst am 26. 8. 2014 Rechtsschutzdeckung für die einzubringende Klage begehrte. Die Prüfung der Deckungsanfrage bestand bloß aus der Beurteilung der Gutachten und einer kurzen Mahnklage. Die Beklagte hatte offenkundig die benötigte Zeit, um ihre (nicht berechtigten) Argumente für die Ablehnung des Versicherungsschutzes zu formulieren. Jedenfalls war die Unterrichtung durch den Kläger so rechtzeitig, dass die Beklagte noch ausreichend Zeit hatte, um die Erfolgsaussichten der Prozessführung vor Klagseinbringung abzuklären.

OGH 31.8.2016, 7 Ob 140/16p

Das Urteil im Volltext.

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