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Urteil: Richterliches Mäßigungsrecht bei Schuldbeitritt

Wenngleich das Kriterium des krassen Missverhältnisses zwischen der Leistungsfähigkeit und der Verpflichtung des Interzedenten in § 25d Abs 2 KSchG nicht (nochmals) unmittelbar einbezogen werden kann, hat es doch Einfluss auf die Gesamtbewertung.

Der Zweitbeklagte war Angestellter und pro forma Geschäftsführer der Erstbeklagten (Limited). Alleinverantwortlich für Kundenkontakte und die Unterfertigung von Aufträgen war O., der in Österreich wegen eines Konkurses die Geschäftsführertätigkeit nicht mehr ausüben konnte. Er hatte auch die Zeichnungsbefugnis für das Firmenkonto. Zur Absicherung einer Ratenvereinbarung (9 Monatsraten á EUR 20.000,--) zwischen der Erstbeklagten mit der Klägerin (Lieferantin der Erstbekl) unterzeichnete der Zweitbeklagte einen Schuldbeitritt nach § 1406 Abs 2 ABGB. Er verdiente bei der Erstbeklagten etwa 2.300 bis 2.400,-- EUR, hatte Sorgepflichten für ein Kind und EUR 120.000,-- an offenen Kreditverbindlichkeiten. Die finanzielle Situation des Zweitbeklagten wurde in keinster Weise erörtert. Die Klägerin hatten dazu keinerlei Nachforschungen angestellt. Nach Teilzahlung bloß einer Rate durch die Erstbeklagte trat Terminsverlust ein. Die Erstbeklagte ist nun in Insolvenz.

Das richterliche Mäßigungsrecht des § 25d KSchG zielt auf extreme Einzelfälle ab. Anwendungsfälle sind ruinöse Haftungen, die den Interzedenten langfristig wirtschaftlich ruinieren oder in erhebliche finanzielle Bedrängnis bringen.

Die richterliche Mäßigung setzt also voraus, dass a) der Interzedent Verbraucher ist, b) ein Missverhältnis zwischen Haftungsumfang und wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit des Interzedenten vorliegt und c) die für das Missverhältnis verantwortlichen Umstände für den Gläubiger erkennbar waren, wobei es auf die Umstände zur Zeit der Begründung der Verbindlichkeit ankommt.

  1. Verbrauchereigenschaft

Der Geschäftsführer, der eine Bürgschaft für die Schulden einer GmbH übernommen hat, ist mangels eines eigenen Unternehmens als Verbraucher anzusehen. Hingegen ist die Verbrauchereigenschaft eines Gesellschafters in wirtschaftlicher Betrachtungsweise zu beurteilen; darin liegt der Sache nach eine teleologische Reduktion. Maßgeblich ist demnach, ob der betroffene Vertragspartner angesichts der Interessenidentität zwischen Gesellschafter und Gesellschaft in Wahrheit selbst unternehmerisch tätig wird und dementsprechend einen entscheidenden Einfluss auf die Geschäftsführung der Gesellschaft nehmen kann. Der Zweitbeklagte war als bloß formaler Geschäftsführer weder am Kapital beteiligt, noch faktisch als Geschäftsführer tätig. Es besteht daher kein Anlass, ihn im Wege einer teleologischen Reduktion vom Anwendungsbereich des Mäßigungsrechts auszunehmen.

  1. Missverhältnis zwischen Haftungsumfang und wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit

Dass die Übernahme der vorliegenden Verpflichtung eine ruinöse Haftungsübernahme darstellt, liegt auf der Hand.

  1. Erkennbarkeit des Missverhältnisses

War bereits aus der auffälligen Höhe der einzelnen Raten in augenscheinlicher Weise die Gefahr einer unzumutbaren Haftungsübernahme erkennbar, hätte die Klägerin durch einfaches Nachfragen die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Zweitbeklagten feststellen können, um die Gefahr der Begründung einer unzumutbaren Haftungsübernahme gar nicht entstehen zu lassen. Davon, dass der Zweitbeklagte allein infolge seiner Bereitschaft zur Unterfertigung seine ausreichende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit derart unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hätte, dass die Erkundigungspflicht der Gläubigerin gänzlich entfallen konnte, ist im Hinblick auf die Umstände des vorliegenden Falls nicht auszugehen. Hätte die Klägerin die gehörige Aufmerksamkeit aufgewendet, wären ihr die zum Missverhältnis führenden Umstände iSd § 25d KSchG erkennbar gewesen. Die in § 25d Abs 1 KSchG genannten Voraussetzungen für das Mäßigungsrecht sind daher zu bejahen.

Kriterien bei Mäßigung

Die Umstände, die zu einer Mäßigung der Haftung des Interzedenten führen können, sind beispielhaft in § 25d Abs 2 KSchG angeführt. Es genügt, wenn auch nur einzelne Kriterien verwirklicht sind, unter Umständen aber mit besonderer Intensität.

§ 25d Abs 2 Z 3 KSchG ("Nutzen des Interzedenten aus der Leistung des Gläubigers") spricht hier nicht gegen das Mäßigungsrecht: Zwar könnte das Interesse des Zweitbeklagten darin gelegen sein, dass ihm das Unternehmen als Dienstgeber erhalten blieb; dass er zu diesem Zweck eine persönliche Haftung iHv EUR 170.000,-- eingegangen wäre, ist nicht anzunehmen. Für eine Mäßigung spricht weiters die wirtschaftliche Abhängigkeit des Zweitbeklagten von der Erstbeklagten und O. Vor allem steht das Kriterium des krassen Missverhältnisses zwischen der Leistungsfähigkeit und der Verpflichtung bei einer Herabsetzung der Verbindlichkeit im Wege der Mäßigung im Vordergrund. Wenngleich dieses Kriterium in § 25d Abs 2 KSchG nicht (nochmals) unmittelbar einbezogen werden kann, ist es doch der Abstufung zugänglich und hat Einfluss auf die Gesamtbewertung.

Die vom Berufungsgericht vorgenommene Mäßigung auf ein Drittel des Klagebegehrens wurde bestätigt.

OGH 28.4.2015, 10 Ob 24/15z

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