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Urteil: Risikoverteilung bei Bankomatmißbrauch ist gröblich benachteiligend

Debet-Saldo von rund 84.000.- Schilling durch eine zweite Bankomatkarte, die der Verbraucher nie bestellt und auch nie bekommen hat.

Der klagende Verbraucher führte sein Girokonto an seinem Zweitwohnsitz im Burgenland; sein Hauptwohnsitz war Wien. In den ersten Jännertagen des Jahres 1997 bekam er von seiner Bank einen Kontoauszug mit der Post zugestellt und musste feststellen, dass sein Konto statt des erwarteten Haben-Saldos von 40.000.- Schilling ein Debet-Saldo von rund 84.000.- Schilling aufwies. Die sofortige Nachfrage bei der Bank ergab dann folgende - abenteuerliche - Geschichte:

Mit der Bankomatkarte des Kunden sei zwischen Mitte Dezember und Anfang Jänner sowohl an Bankomatgeräten als auch an POS-Kassen fleißig verfügt worden. Da der klagende Verbraucher aber immer im Besitz seiner Bankomatkarte - diese sollte erst 1999 ablaufen - war, konnte er sich die Behebungen nicht erklären. Er selbst konnte es nicht gewesen sein, weil er für viele Daten schlüssig nachweisen konnte, nicht am Ort des Geschehens gewesen zu sein.

Dann rückte die Bank damit heraus, dass sie dem Kunden eine neue Bankomatkarte (bei gleichbleibendem PIN-Code) Mitte Dezember mit einfacher Post in einem neutralen Kuvert zugesendet habe. Wer diese Karte je bestellt hat - der Kunde jedenfalls nicht - konnte nicht mehr festgestellt werden. Der Kunde hat die Karte auch nie bekommen. Dennoch war sich die Bank keiner Schuld bewusst. Es gäbe keine Rechtsvorschrift, die es der Bank verbiete, die Bankomatkarte einfach mit der Post zuzusenden. Und im übrigen verwies man auf eine - für diese Fälle bequeme - Klausel in den Bankomatbedingungen: "Alle Folgen und Nachteile aus dem Abhandenkommen der Bankomatkarte durch anschließende missbräuchliche Verwendung trägt der Kontoinhaber."

Der geschädigte Verbraucher klagte die Bank auf Auszahlung seines Guthabens bzw. auf Feststellung, dass die Belastungsbuchungen unzulässig seien. Er bekam beim LG Eisenstadt Recht. Das Gericht ging im Lichte des Beweisverfahrens davon aus, dass der Kunde die neue Karte nie bestellt und auch nie erhalten habe. Er habe daher die Verfügungen keinesfalls vornehmen können. Blieb der Einwand der Bank, dass der unbekannte Täter aber doch den geheimen PIN-Code verwendet habe und daher dieser PIN-Code offensichtlich vom Kunden weitergegeben worden sein müsse. Das Argument widerlegte der gerichtlich bestellte Sachverständige: Neben der Weitergabe durch den Kunden gäbe es eine Reihe von anderen Möglichkeiten, wie sich der Gauner Kenntnis vom Code habe verschaffen können: So etwa durch Abfangen und Lesen des Kuverts mit dem PIN-Code, durch Ausspionieren bei einer Behebung durch den Kunden (vom Puder auf den Tasten bis zur versteckten Videokamera und Vorsatzgeräten bei Bankomaten sei alles in der Praxis in Europa schon vorgekommen); aber auch die kryptographische Attacke, also die Errechnung des PIN-Codes, wurde vom Sachverständigen auch für Österreich nicht gänzlich ausgeschlossen.

Das Gericht hatte sodann die Risikoüberwälzung in den Bankomatbedingungen rechtlich zu beurteilen. Diese Klausel schaffe ein auffallendes Missverhältnis in den Rechtspositionen von Kunden und Bank. Die Banken als die wirtschaftlich Stärkeren haben das Bankomatsystem mit beachtlichem Werbeaufwand in Österreich eingeführt, die PIN-Codes aber nicht "unantastbar" gestaltet. Und sie ziehen große Vorteile aus dem System: Sie kassieren für die Ausgabe der Karten Gebühren und ersparen sich gleichzeitig Personalkosten. Der Kunde dagegen muss das Bankomatsystem in der angebotenen Form akzeptieren und hat auf die sichere Ausgestaltung keinerlei Einfluss. Die Klausel sei daher gemäß § 879 Abs 3 ABGB gröblich benachteiligend und nichtig. Die Bank hat keine Berufung erhoben.

Das Urteil ist rechtskräftig.

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